Apotheker lässt testen, KV zahlt Tobias Lau, 12.12.2020 15:02 Uhr
Vom Gesundheitsamt beauftragt, von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) bezahlt: Inhaber Dr. Björn Schittenhelm betritt mit seiner Alamannen Apotheke in Holzgerlingen absolutes Neuland. Ab dem 21. Dezember betreibt er ein Corona-Testzentrum und kann die Leistung über die KV abrechnen: Pro Test 15 Euro für die Laborleistungen und 9 Euro für den Test selbst. Ärger mit den umliegenden Ärzten hat er deshalb nicht – im Gegenteil.
„Ich habe mir die Augen gerieben, als ich gesehen habe, dass wir das über die KV abrechnen können“, sagt Schittenhelm. Doch er hat sich nicht verguckt: Denn die aktuelle Corona-Testverordnung sieht vor, dass primäre Leistungserbringer und Stellen des öffentlichen Gesundheitsdienstes auch Dritte als Leistungserbringer oder Teststellen beauftragen können. Der Grund dafür ist leicht erklärt: Gesundheitsämter und Arztpraxen sind angesichts der hohen Infektionszahlen überlastet. Wer qualifiziert ist, soll auch helfen können. „Die Idee ist, die Praxen zu entlasten. Unser Projekt wird deshalb auch von den Ärzten sehr gut aufgenommen“, so Schittenhelm. „Sie überweisen an uns wie an ein Labor, können aber für den Patienten die komplette Leistung abrechnen. Wir nehmen den Ärzten also auch nichts weg.“
Die KV Baden-Württemberg hat dazu ein eigenes Portal eingerichtet, auf dem sich diese Leistungserbringer registrieren und ihre Qualifikationen nachweisen können. „Wir laufen dann wie eine normale Kostenstelle komplett über die ärztliche Abrechnungsschiene, allerdings ziehen sie bei uns mehr ab als bei einem Arz.“ Dennoch: Schittenhelm geht davon aus, dass sich das Testzentrum mit den 15 Euro für die Laborleistungen zuzüglich 9 Euro Pauschale pro Test gewinnbringend betreiben lässt. Die notwendigen Schnelltest zu besorgen, sei dabei kein Problem gewesen: „Ich finde das Prinzip der Schnelltests schon seit längerem genial und glaube, es kann einen sehr wichtigen Beitrag im Kampf gegen die Pandemie leisten“, sagt er. „Deshalb habe ich die schon seit längerem gesammelt und jetzt knapp 10.000 Stück da. Ich habe verschiedene Bezugsquellen und im Moment nicht das Gefühl, dass es schwer ist, Tests zu beziehen.“
Doch nicht nur die Tests kann Schittenhelm über die KV abrechnen, auch die Betriebskosten für die Räumlichkeiten, in denen sei Testzentrum unterkommt. Denn er lässt die Tests weder in seiner Apotheke noch von seinem Team durchführen. Stattdessen hat er Räumlichkeiten in einem nahegelegenen Gewerbegebiet angemietet: Im Erdgeschoss eines Bürokomplexes, samt eigenem Eingang, finden sich dazu zwei Anmelderäume und ein Testraum mit zwei großen Boxen, in denen die Abstriche gemacht werden. Absperrungen und eine Einbahnstraßensystem auf den beiden Teststrecken sollen nicht nur die Einhaltung der Abstandsregeln sicherstellen, sondern auch einen reibungslosen Ablauf. Denn der Testbetrieb ist genau getaktet.
„Wir bestellen die Leute im Zwei-Minuten-Takt ein, damit sich keine Schlangen oder Menschenansammlungen bilden“, sagt Schittenhelm. Von Ankunft bis Verlassen des Testzentrums dauere das Prozedere gerade einmal knappe fünf Minuten. Dass alles reibungslos und schnell klappt, soll die digitale Organisation der Abläufe sicherstellen: Bei der Anmeldung für einen Termin wird ein QR-Code erstellt, den der Patient ausdrucken oder auf dem Smartphone speichern kann. Vor Ort erhält er dann einen Flyer und die zu unterschreibende Datenschutzeinwilligung – denn im Falle eines positiven Ergebisses werden die Daten ans Gesundheitsamt weitergemeldet. Nach Durchführung des Tests verlässt der Patient das Zentrum direkt und erhält dann eine Viertelstunde später sein Ergebnis über die Doctorbox-App. Und Schittenhelm denkt bereits einen Schritt weiter: Er überlege gerade, auch ein mobiles Testteam für Pflegeheime auf die Beine zu stellen.
Neben dem Test auf Überweisung bietet Schittenhelm in seinem Zentrum auch welche für Selbstzahler an: 29 Euro kostet der Test dann. „Wir versuchen, den Test möglichst günstig anzubieten“, sagt er. Nach allen Kalkulationen sei er sicher, dass sich das Zentrum unter den gegebenen Bedingungen wirtschaftlich betreiben lässt. Dabei nicht ganz unwichtig: Er muss kaum eigenes Personal abstellen. Das Team der Alamannen-Apotheke koordiniert die Organisation und hat ein Qualitätsmanagement für das Zentrum entwickelt. Vor Ort wird aber nur ein Approbierter aus Schittenhelms Betrieb sein. Die Abstriche werden stattdessen von ehrenamtlichen DRK-Rettungsassistenten durchgeführt. „Unser Ortsverein hier hat 50 Bereitschaftsdienstleister und die haben richtig Lust darauf. Sie hatten ja das ganze Jahr keine Einsätze, weil wegen der Pandemie alle öffentlichen Veranstaltungen abgesagt wurden“.
Am 21. Dezember geht es los – und zwar gleich richtig: Eigentlich soll das Testzentrum während der sechs Monate, die es in Betrieb ist, täglich von 17 bis 19 Uhr geöffnet sein. In der Zeit vor Weihnachten wollen Schittenhelm und seine Mitstreiter aber richtig ranklotzen und halten das Zentrum von 9 bis 19 Uhr offen. „Damit wollen wir einen Beitrag dazu leisten, dass die Menschen ein frohes Weihnachtsfest feiern können“, sagt er.