Wie sollten Behörden und Öffentlichkeit mit der Coronavirus-Epidemie umgehen? Beschwichtigen oder zur Vorsicht auffordern? Wer durch seine geographische Lage täglich auf unsere Nachbarn in anderen Ländern schauen kann, hat einen anderen Blick auf die Auswirkungen des gesellschaftlichen Klimas in der aktuellen Situation – wie Birger Bär, Inhaber der Engel-Apotheke in Lörrach und der Trämli-Apotheke in Weil am Rhein, beide direkt an der Schweizer Grenze. Er sieht hüben wie drüben Hysterie in unterschiedlichem Maß und fordert, die Epidemie auch als Chance zu betrachten.
Eine „besondere Lage“ ist es – die hat nämlich der Bundesrat, das Schweizer Pendant zur Bundesregierung, wegen des grassierenden Virus Sars-CoV-2 ausgerufen. Um eine Eindämmung zu erreichen, greift die Eidgenossenschaft zu drastischeren Maßnahmen als die Bundesrepublik: So wurden beispielsweise Veranstaltungen mit mehr 1000 Teilnehmern verboten. Aus Birgers Perspektive ist das besonders absurd, schließlich kann man von seiner Apotheke aus über die Grenze laufen – die ohnehin kaum wahrnehmbar ist. „Da wurde zum Beispiel im Februar die Baseler Fastnacht abgeblasen, während drei Kilometer weiter die Bauernfastnacht stattgefunden hat“, erzählt er.
Gespräche mit Schweizer Kollegen haben ihm eine Idee vermittelt, warum zu drastischen Maßnahmen gegriffen wird. „Es gibt dort keinen so ausgefeilten Pandiemaplan, deshalb haben sie sich nicht weiter zu behelfen gewusst als direkt den Stecker zu ziehen. Meines Erachtens sind sie damit übers Ziel hinausgeschossen.“ Der direkte Austausch mit Kunden aus der Schweiz bestärke ihn in dieser Annahme. Es seien bei ihm vor allem Schweizer, die in letzter Zeit nach Desinfektionsmitteln und Atemmasken fragen. Das liege nicht nur daran, dass die Liefersituation dort genauso problematisch ist wie hier. „Ich habe das Gefühl, dass die Menschen in der Schweiz noch verunsicherter sind als hierzulande.“
Das sei jedoch nicht nur auf einen diffusen Mentalitätsunterschied zurückzuführen, sondern vor allem auf die Informationspolitik des Staates. „Der Schweizer Bundesrat hat ganze Arbeit geleistet bei der Verunsicherung der Bevölkerung“, sagt Bär und meint damit vor allem eine inkonsistente Strategie. „Er hat die Bedeutung des Virus durch die Veranstaltungsverbote hochgeschraubt, hat das im gleichen Atemzug aber wieder eingeschränkt als er den Menschen gesagt hat, dass sie trotzdem weiter in Großraumbüros arbeiten können.“
Das bedeutet allerdings nicht, dass Bär den hiesigen Umgang mit dem Virus gutheißen würde. Auch hierzulande sieht er eine unbegründete Hysterie am Werk. „Und die Politik hat ihren Teil dazu beigetragen, indem sie den Erreger als bedrohlicher dargestellt hat als er ist, oftmals mit suggestiven Äußerungen, die Ängste und Verunsicherung wecken.“ Bei den Patienten, die tatsächlich einen schweren Krankheitsverlauf erleiden, müsse man genau einschätzen woran das liegt: meist nämlich an Vorerkrankungen. Diese Patienten wären auch von einer normalen Grippe schwer betroffen. „Für die Gesundheit ist es wie hunderte andere Viren, die auch zu bronchialen Infekten führen. Die meisten Krankheitsverläufe sind mild, Todesfälle gibt es nicht, das müsste man stärker herausstellen – das ist kein Ebolavirus. Das sind aber alles Dinge, die etwas komplexer zu formulieren sind.“
Im Vordergrund der Kommunikation müssten deshalb eher die konkreten Handlungsanweisungen stehen. „Die müssten auf Seite 1 der Bild stehen!“ In seinem eigenen Betrieb versuche er deshalb, sich nach diesen Grundsätzen zu richten. „Wir gehen ganz gelassen damit um, weisen immer wieder auf die Handlungsanweisungen hin und erklären den Leuten, dass es nicht so bedrohlich ist. Wir versuchen beruhigend, aber wachsam auf die Kunden einzugehen und sagen ihnen, dass das bald wieder vorbei ist.“ Bei vielen verunsicherten Kunden würde es etwas bewegen, „das ist ein Denkprozess, der da angestoßen wird“. Doch nicht nur nach außen, auch nach innen müsse das kommuniziert werden. Er habe auch eine Mitarbeiterin, die sehr ängstlich ist und sich Sorgen um ihren Partner macht – „das respektiere ich natürlich“.
Statt sich auf die Ängste zu konzentrieren, solle man deshalb schauen, positive Schlüsse aus der aktuellen Situation zu konzentrieren. Die verdeutliche nämlich unabhängig von Covis-19 die Bedeutung des Impfschutzes für die Bevölkerung. Eigentlich müsse die aktuelle Situation ein hervorragendes Argument für Jens Spahns Kurs in Richtung verpflichtender Impfungen sein. „Da sollte uns das Ganze jetzt hinleiten. Jetzt haben wir uns wahnsinnig erschrocken, aber in gewissen Bereichen gibt es schon diesen Schutz und diese Hilfe. Nehmt es wahr und nutzt diese Chance!“
APOTHEKE ADHOC Debatte