Bundesweit gilt ein einheitliches Vorgehen bei der Maskenpflicht. In den Apotheken kommt es durch die neue Regelung zu Schwierigkeiten: Die Kunden verstehen den Apotheker akustisch nicht mehr richtig, die PTA bedauert, dass die Mimik innerhalb der Beratung entfällt. Ein weiteres Problem: Chronisch kranke Menschen könnten durch das dauerhafte Tragen gesundheitliche Schäden erleiden. Psychisch kranke Menschen könnten ebenfalls Probleme mit dem Tragen einer Maske haben. Und dann gibt es noch die Personen, die sich in ihren Grundrechten angegriffen fühlen. Doch welche Sonderregelungen gibt es bei der Maskenpflicht und wie sollten Apothekeninhaber auf diese Ausnahmen reagieren? Eine Apothekerin aus Hessen muss sich jetzt genau diese Fragen stellen, da ein Bote ihrer Apotheke keine Maske trägt – weil er nicht will.
Apothekerin Melanie Karge dachte nach der Einführung der Maskenpflicht zunächst nicht daran, dass es Mitarbeiter in ihrer Apotheke geben könnte, die keinen Atemschutz tragen sollten. Erst nach ein paar Tagen wurde ihr bewusst, dass Menschen mit Lungenerkrankungen Probleme mit dem Atmen haben könnten. „Ich habe Verständnis dafür, dass jemand, der Asthma oder COPD hat, mitunter nicht durch einen Mundschutz atmen kann.“ Die Inhaberin der Lichtenberg-Apotheke in Ober-Ramstadt wollte keinen Mitarbeiter benachteiligen und organisierte Visiere. Denn auch für Personen mit einigen psychischen Erkrankungen könnte das Tragen der Maske schwierig sein.
Innerhalb des Apothekenteams wurden die Masken gut angenommen – alle Apotheker und PTA arbeiten im Handverkauf wahlweise mit chirurgischem Mundschutz oder Community-Maske. Karge war zufrieden. Umso mehr war sie überrascht, als sie mit ihrem Boten sprach, der sich weigerte, einen Mundschutz zu tragen. „Anfänglich dachte ich natürlich, dass es dem Boten aus medizinischen Gründen nicht möglich sei, eine Maske zu tragen, und bot Visiere als Alternative an. Doch auch die wurden abgelehnt.“ Vorsichtig fragte Karge nach den Gründen. Medizinisch oder psychologisch lagen keine Beeinträchtigungen vor. Der Bote sah sich in seiner Selbstbestimmung eingeschränkt und lehnte das Tragen aus politischen Beweggründen ab.
Dabei braucht Karge gerade in dieser Zeit ausreichend viele Boten. Um unnötige Patientenkontakte zu vermeiden, will sie eine Großzahl ihrer Kunden per Botendienst beliefern. „Anfang April habe ich zum Ausbau meines Botendienstes eine Stellenanzeige geschaltet. Die Resonanz auf mein Stellengesuch war so groß, dass ich binnen kurzer Zeit eine neue Botin einstellen konnte.“ Im Ort seien die Menschen sehr hilfsbereit, die Bedeutung der Apotheke sei erkannt worden: „Die Bereitschaft der Menschen zu helfen war wirklich groß!“ Aus der langen Liste von Bewerbern, die alle mit einem zeitlich befristeten Vertrag eingestellt worden wären, suchte Karge zwei Personen aus. Zu dieser Zeit herrschte noch keine Maskenpflicht im Einzelhandel und die Apothekerin war sehr zufrieden mit ihren neuen Boten.
Nach Einführung der Maskenpflicht entschied sich die Apothekerin dazu, dass auch die Boten auf ihren Touren Masken oder Visiere tragen sollen. Zwar hatte Karge den Botendienst bereits auf eine kontaktlose Variante umgestellt, dennoch wollte sie das Risiko einer möglichen Keimübertragung weiter senken. Immerhin sei sie ja nicht vor Ort und könnte nicht kontrollieren, ob die Patienten tatsächlich alle hinter verschlossenen Türen in ihren Wohnungen bleiben. Zunächst weigerte sich ein Bote, einen Mundschutz zu tragen, doch wenige Tage später wiederholte sich das Problem: „Bei mir ist es der zweite Bote, der keine Maske tragen möchte, unabhängig von medizinischen Gründen. Sie lehnen es einfach ab.“
Karge akzeptiert die Ansicht, auch wenn sie selbst diese Haltung nicht nachvollziehen kann, und zieht Konsequenzen. „Ich habe mich dazu entschlossen, die beiden betreffenden Personen vom Botendienst auszuschließen. Aktuell tragen sie Flyer aus.“ Das Gute: Aufgrund der zahlreichen Bewerber konnte der Botendienst in gleichbleibenden Umfang fortgeführt werden. „Lange musste ich nicht auf Ersatz warten. Da die anfängliche Bereitschaft so hoch war, habe ich direkt einen neuen Boten gefunden, der trägt nun auf seinen Fahrten eine Maske.“
Die Boten beziehen sich bei ihrer Verweigerung auf das Grundgesetz. Die Maskenpflicht verstoße dabei explizit gegen Artikel 2, in dem es heißt: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte Anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder Sittengesetz verstößt.“ Die Boten sehen die Pflicht, eine Maske im Gesicht zu tragen, somit als gesetzeswidrig. Häufig beziehen sich Gegner der Maskenpflicht auch auf das Vermummungsverbot in der Öffentlichkeit. Nach § 17a Abs 2 des Vermummungsgesetzes ist das Verhüllen des Gesichtes unter gewissen Umständen eine Straftat.
Andere Kritiker sehen in der Maskenpflicht keinen relevanten Mehrwert in Bezug auf die Verbreitung des Virus. Sie verweisen darauf, dass Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Mundschutzpflicht skeptisch sehen. Vielmehr vermuten sie zusätzliche Risiken durch das Tragen der Masken, da der Großteil der Menschen dies nicht korrekt tut. Kritiker warnen davor, dass die Maske ein Sicherheitsgefühl gibt, welches nicht existiert – somit wird der Gebrauch von Community-Masken & Co. abgelehnt.
In Zeiten von Corona sind Fake-News oder Aussagen mit gefährlichem Halbwissen schnell medial gestreut. Auch beim Thema Masken kam es zu ersten populären Aussagen, die nicht ausreichend belegt sind. So verbreitete sich in den sozialen Medien nach Einführung der Maskenpflicht rasch ein Bild, dass vor CO2-Ansammlungen in der Lunge warnte. Der Staat würde die Menschen durch die Maskenpflicht sedieren und dadurch kontrollieren wollen. Laut Herstellern wie 3M und Dräger ist mit solch einer Ansammlung bei zertifizierten, geprüften Atemschutzmasken nicht zu rechnen. So verweist 3M auf die entsprechenden Normen: „Die EN149 Norm setzt klare Grenzen für den Ein- und Ausatemwiderstand von Atemschutzmasken – die Norm 14683 entsprechend für chirurgische Masken.“ Anwender müssten – bei korrekter Handhabung – nicht mit einer Ansammlung von Kohlendioxid unter dem Atemschutz rechnen.
Das Tragen der Masken wird von vielen Menschen als lästig empfunden – das Atmen fällt schwer und der Hustenreiz scheint zuzunehmen. Schlechte Luft und gereizte Schleimhäute sind jedoch nicht nur unangenehm: Krankheitserreger wie Viren und Bakterien haben leichteres Spiel. Sie können sich auf trockener Schleimhaut einfacher festsetzen und sich in der Nase sowie im Mund- und Rachenraum vermehren. Deshalb betiteln Kritiker die Masken auch als regelrechte „Keimschleuder“. Ein zu langes Tragen der Masken führt unter anderem dazu, dass die Maske durchfeuchtet und aufweicht. Dieses feucht-warme Klima stellt optimale Bedingungen für Keime dar. Daher sollten die Masken regelmäßig gewechselt und nach der Benutzung getrocknet und gereinigt werden. Denn nur mit der richtigen Handhabung können sie einen Schutz darstellen. Einfache Masken wie chirurgischer Mundschutz müssen nach einmaliger Benutzung in einen geschlossenen Mülleimer entsorgt werden.
Patienten mit schweren Atemwegserkrankungen können beim Aufsetzen eines Mund-Nasenschutzes Probleme bekommen – das Atmen durch die Maske ist zum einen schwieriger und zum anderen kann der erhöhte CO2-Gehalt in der einzuatmenden Luft zu einer Verschlechterung des Grundzustandes führen. Patienten mit sehr schwerem Asthma, einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) oder Patienten die eine Sauerstoff-Langzeit-Therapie (LOT) erhalten können durch das längere Tragen eines Mundschutzes geschwächt werden. Dieser Effekt ist vor allem bei einer Verwendung von medizinischen Atemschutzmasken der Filterklassen FFP2 und FFP3 zu verzeichnen. Der zusätzliche Atemwiederstand, der durch das Ventil entsteht, stellt eine zusätzliche Hürde für die Betroffenen dar.
Chronisch Kranke, die auch einen chirurgischen Mundschutz oder eine genähte Baumwollmaske nicht verwenden wollen oder können, sollten sich nach Ansicht des Deutschen Allergie- und Asthmabundes (DAAB) mit ihrem behandelnden Arzt in Verbindung setzen. Empfindet ein Patient das Tragen als Belastung für sich und seinen Körper, so sollte darauf verzichtet werden. Der DAAB hat sich zur Klärung dieser Frage an ärztliche Fachgesellschaften und Verbände sowie das Robert-Koch-Institut (RKI) gewandt und hofft auf eine zeitnahe Empfehlung und Einschätzung.
Beim niedersächsischen Gesundheitsministerium verweist man darauf, dass keine Attestpflicht besteht. Hierdurch sollen zusätzlich anfallende Arztbesuche verhindert werden. Es existiere auch keine Liste, in der die Krankheiten aufgezählt würden, die von einer Maskenpflicht ausgenommen seien. So könnten, zumindest in Niedersachsen, nicht nur Menschen mit Lungenerkrankungen auf das Tragen von Masken verzichten, auch Personen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen seien, insofern medizinisch nötig, vom Tragen der Maske ausgeschlossen.
Im Falle einer Kontrolle müssen die Beschwerden jedoch glaubhaft nachgewiesen werden. Laut Aussagen des niedersächsischen Gesundheitsministeriums könnte hierfür beispielsweise der Schwerbehindertenausweis dienen. Allergiker könnten auch ihren Allergiepass vorlegen. Die genaue Diagnose muss gegenüber der Polizei und dem Ordnungsamt somit nicht dargelegt werden. Patienten, die kein Dokument zum Nachweis der chronischen Krankheit besitzen, können sich ein Schreiben vom behandelnden Arzt ausstellen lassen – auch hier muss die Diagnose nicht vermerkt werden. Das Ministerium verweist darauf, dass auch Personen mit psychischen Erkrankungen von der Maskenpflicht ausgenommen werden könnten.
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