Apothekerin Marion Flügel hat sich noch nicht entschieden, wie es mit ihren Teststellen weitergeht. Die Inhaberin der Apotheke Markt im unterfränkischen Schwarzach am Main bietet kostenlose Bürgertests an und setzt auch auf ehrenamtliche Mitarbeiter des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK). Mitten in der Betrugsdebatte stellten diese jedoch im Auftrag der Zentrale ihren Dienst ein. Da die Nachfrage am Sonntag besonders hoch ist, plant sie für das kommende Wochenende zwei Approbierte für den Notdienst ein.
Flügel ärgert sich über die Debatte über Betrugsfälle in Testzentren. „Durch die wenigen schwarzen Schafe werden etliche Anbieter bestraft, die die Tests gewissenhaft anbieten.“ Auch sie spüre die Konsequenzen bereits: Ehrenamtlich tätige Mitarbeiter des BRK hätten ihr mit sofortiger Wirkung die Mitarbeit gekündigt. „Das ist ein starker Einschnitt, ich muss in einem Testzentrum 50 Prozent einkürzen.“ Das BRK wolle nicht im Zusammenhang mit vermeintlich undurchsichtigen Dingen stehen, habe ein Mitarbeiter berichtet.
Das BRK betont dagegen, dass es sich in diesem Fall nicht um einen „Abzug der Mitarbeiter“ und dagegen um einen Einzelfall handele. Die dort tätige „ehrenamtliche Einheit“ habe im Testzentrum ohne vertragliche Grundlage gearbeitet. Dies sei sicher „aus gutem Willen“ geschehen. Im Zuge der Debatte um das Abrechnungsthema sei dies aufgefallen und habe unterbunden werden müssen – auch aus versicherungstechnischen Gründen. „Es ist nicht Aufgabe des Bayerischen Roten Kreuzes, privatwirtschaftlich organisierten Unternehmen wie Apotheken kostenfrei Ersatz- oder Unterstützungspersonal zur Verfügung zu stellen“, sagt ein BRK-Sprecher. Lediglich in Ausnahmefällen habe das das BRK während der Pandemie mit dringend benötigtem Personal ausgeholfen, um die Versorgung der Bewohner zu gewährleisten. „Eine vergleichbare Notsituation ist bei Apotheken nicht ersichtlich.“
„Sofern Mitglieder des Bayerischen Roten Kreuzes bei Apotheken aushalfen, erfolgte dies aus deren eigenem Antrieb und nicht im Wissen und Auftrag des Bayerischen Roten Kreuzes. Es bestand weder ein Auftrag noch ein Vertragsverhältnis mit dem Bayerischen Roten Kreuz, Arbeitnehmer oder Ehrenamtliche an Apotheken zu überlassen. Vielmehr dürfte es sich um (faktische) Beschäftigungsverhältnisse der Helfer bei den Apotheken gehandelt haben.“ Im Allgemeinen unterstütze das BRK gerne Apotheken und Unternehmen bei den Tests, wenn es vertraglich geregelt ist. Eine ehrenamtliche Tätigkeit bedeute nicht, dass die Helfer kostenlos aktiv sind. Sie müssten ausgebildet werden und investierten auch Zeit. „Vielleicht wirkt es bürokratisch, dass wir in diesem Fall so reagieren, es wäre aber am Ende kritischer, wenn einem Ehrenamtlichen etwas passieren würde.“ Zudem sei die Tätigkeit weiterhin möglich, wenn ein Vertrag vorliege.
Das BRK begrüßt, dass die Kontrollen der Testzentren verschärft werden sollen. Um eine lückenlose Leistungsdokumentation sicherzustellen, sei auch die datenschutzkonforme Speicherung der personenbezogenen Daten bis zum Ende 2024 notwendig. Landesgeschäftsführer Leonhard Stärk sagte zur Betrugsdebatte: „Seit Monaten leisten unsere Ehren- wie Hauptamtlichen in den Testzentren unglaublich gute und wichtige Arbeit. Dass hier nun einzelne private Betreiber durch unseriöses und betrügerisches Handeln den tagtäglichen Einsatz vieler Tausender Menschen in Verruf bringen, ist schmerzlich.“
Die Mitarbeiter waren in der Apotheke jedoch nicht ohne Schutz tätig: Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen weist darauf hin, dass Personen, die regelmäßig in einer Organisation ehrenamtlich für andere aktiv seien, kostenlos gesetzlichen Versicherungsschutz hätten. Sie müssten dafür unter anderem freiwillig und unentgeltlich tätig sein sowie die Arbeit kontinuierlich und auf organisierte Weise ausüben. Die Verbraucherzentrale verweist aber auch auf Einschränkungen und empfiehlt, den Abschluss privater Unfall- und Haftpflichtversicherungen zu prüfen. Einige Bundesländer böten freiwillig ehrenamtlich Engagierten zduem einen zusätzlichen Versicherungsschutz im Bereich Unfall und Haftpflicht an.
Wie viele Kollegen bieten Apothekerin Flügel und ihr Team seit der Beauftragung durch die Landesregierungen kostenlose Bürgertests an. Fast jeden Wochentag können sich Kunden auf Covid-19 untersuchen lassen. An ihrem letzten Notdienst am Sonntag sei die Nachfrage nach den Tests so groß gewesen, dass sie für das kommende Wochenende eine weitere Approbierte eingeplant hat. Kunden können sich am Vormittag für einen Termin anmelden.
„Es war schwierig, den Spagat zwischen Notdienst und Testen zu schaffen“, sagt Flügel. Die vielen Anfragen seien von Reiserückkehrern nach den Pfingstferien gestellt worden, die wegen der Quarantäneauflagen einen Negativ-Test benötigten. Außerdem wollten viele Eltern ihre Kinder lieber am Sonntag bei einer Teststelle testen lassen, als es in der Schule selbst zu machen, sagt sie. Für dieses Wochenende will sie deshalb vorbereitet sein.
Generell gehe die Nachfrage nach den kostenlosen Bürgertests „deutlich“ zurück. „Ich habe von vorneherein nur bis Ende Juni geplant und unter den momentanen Umständen ist es fraglich, ob ich die Tests fortsetzen werde“, so die Apothekerin. Gemeint ist die angekündigte Honorarkürzung: „Die Vergütung muss so hoch sein, dass es sich für mich lohnt. Immerhin muss ich auch Mitarbeiter dafür bezahlen verfügbar zu sein, wenn zwischen 10 und 11.30 Uhr kein Test gebucht ist.“
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