Die Covid-Therapie mit Antikörpern ist aktuell als individueller Therapieversuch eingestuft. Zulassungen existieren nicht. Dennoch können Präparate wie Tocilizumab (Roactemra, Roche) oder Bamlanivimab und Etesevimab (Lilly) bei Corona gegeben werden. Die juristischen Barrieren seien durchbrochen, so Roche. Wichtig sei, dass die Patient:innen frühzeitig über die Behandlungsoption informiert werden.
Bei den Antikörpern handelt es sich um spezifisch gegen Sars-CoV-2 wirkende monoklonale Antikörper. Diese werden als Infusion verabreicht. Dabei ist der Wirkstoff Tocilizumab, enthalten im Fertigarzneimittel Roactemra, eher aus der Arthritis-Behandlung bekannt. Die einmalige Gabe reicht aus. „Die Infusion läuft über 20 bis 60 Minuten. Danach erfolgt eine einstündige Nachbeobachtungszeit“, informiert ein Konzernsprecher. Die Dosierung erfolgt dabei nach Gewicht. Unter 40 kg Körpergewicht wird mit 8 mg/kg kalkuliert. Personen unter 65 kg Körpergewicht erhalten 400 mg Tocilizumab, Personen unter 90 kg Körpergewicht 600 mg. Personen schwerer als 90 kg erhalten 800 mg des Wirkstoffes.
Doch aus Sicht des Herstellers erhalten immer noch zu wenige Patient:innen diese Therapieoption: „Häufig erhalten die Betroffenen das positive Ergebnis des PCR-Testes telefonisch oder per Mail. Da erfolgt im ersten Schritt keine Kontaktaufnahme mit dem behandelnden Arzt“, so der Sprecher von Roche. Dabei wäre es wichtig, dass die Patient:innen zeitnah Kontakt zum Hausarzt oder zur Hausärztin aufnehmen. Dort könnten sie erfahren, ob sie zu einer Risikogruppe für einen schweren Verlauf gehören. Die Gabe kann sieben bis zehn Tage nach Auftreten der Symptome erfolgen.
Folgende Faktoren gelten unter anderem als Riskio für einen schweren Verlauf:
Haben sich die Patient:innen zum Zeitpunkt des Testergebnisses auch noch relativ gesund gefühlt, so kann Covid-19 in der zweiten Phase der Infektion zu starken Beschwerden führen. Denn die Symptome entwickeln sich häufig erst mit der Zeit. Denn häufig kommt es erst in der zweiten Stufe der Erkrankung zu Entzündungen und Folgeschäden wie Organschädigungen. Die Antikörperpräparate wirken vor allem, wenn sie zu Beginn der Infektion gegeben werden. Risikopatienten profitierten am meisten.
„Daher ist es entscheidend wichtig, dass Ärzte und Apotheker Risikopatienten sehr frühzeitig identifizieren und einer Behandlung zuführen.“ Das Wirkprinzip der Präparate ist stets ähnlich: So haben Antikörper die Fähigkeit, sehr spezifisch an bestimmte Ziele zu binden. Die genannten Antikörper können an das Spike-Protein des Sars-CoV-2-Virus binden. Das Virus wird am Eindringen in die Körperzelle gehindert. Es findet keine Vermehrung statt. „Die monoklonalen Antikörper „neutralisieren“ so die Viren“, erklärt der Sprecher.
Auch wenn der Patient sich zum Zeitpunkt des Testergebnisses nicht sehr krank fühlt, sollte eine Antikörpertherapie bei Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe in Betracht gezogen werden. Nicht zuletzt, weil hierdurch auch die Krankenhäuser entlastet werden könnten. Die Therapie erfolgt ambulant. Danach kann der Patient/die Patientin wieder nach Hause gehen. Weder die normale noch die Intensivstation wird belastet. Die Gabe erfolgt intravenös.
Die Kostenübernahme des Arzneimittels erfolgt durch den Bund. So heißt es in der Verordnung zur Vergütung der Anwendung von Arzneimitteln mit monoklonalen Antikörpern (MAKV): „Vom Bund beschaffte, nicht zugelassene Arzneimittel mit monoklonalen Antikörpern werden im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten zur Anwendung bei Patientinnen und Patienten, die sich mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 infiziert haben, kostenfrei bereitgestellt, wenn die Anwendung medizinisch indiziert ist.“ Die Ärzte erhalten für die Gabe und Nachkontrolle eine festgesetzte Vergütung. Auch der Transport des Sars-CoV-2-positiven Patienten wird von der Krankenkasse übernommen.
„Abweichend von bestehenden Vergütungsregelungen wird für die Leistungen, die im Zusammenhang mit der Anwendung von Arzneimitteln mit monoklonalen Antikörpern erbracht werden, eine einheitliche pauschale Vergütung gewährt. […] Die Vergütung beträgt für jede Anwendung 450 Euro […]. Kosten für Fahrten von […] übernommen.“
Die Behandlungsoption steht allen Ärzten als „individueller Heilversuch“ offen. Theoretisch könnte jeder Arzt/jede Ärztin die Infusion durchführen. Aufgrund der Nachbeobachtungszeit und der noch ansteckenden Sars-CoV-2-Infektion erscheint die Überweisung an behandelnde Zentren als der gängige Behandlungspfad. Einige Kliniken haben hierfür spezielle Corona-Ambulanzen eröffnet. So finden sich beispielsweise am Städtischen Klinikum Dessau, an der Charité und am Schwarzwald-Baar Klinikum solche Ambulanzen. Hier sind die Teams im Ablauf eingespielt und können schnell und unkompliziert Corona-Patienten behandeln und nachbeobachten.
Auch die Antikörper-Kombination aus Casirivimab und Imdevimab kann als Therapieoption genutzt werden. Die Kombination wird in einem umfassenden Studienprogramm bei hospitalisierten und nicht hospitalisierten Covid-19-Patient:innen untersucht. Bis März 2021 wurden bereits über 25.000 Menschen in die verschiedenen Studien eingeschlossen. Die kombinierte Gabe von Casirivimab und Imdevimab reduziert bei Risikopatienten mit das Risiko für einen schweren oder tödlichen Verlauf um 70 Prozent. Auch die Dauer der Symptome wird signifikant um vier Tage reduziert.
In den USA haben die ersten Kombinationen neutralisierender Antikörper die FDA-Notfallzulassung erhalten. Diese Einstufung erlaubt den regelhaften Einsatz. Zu den per Notfallzulassung auf den Markt gebrachten Antikörper-Kombinationen gehören zum einen Casirivimab und Imdevimab (Roche/Regeneron) und Bamlanivimab und Etesevimab (Lilly). Auch einzelne Antikörper befinden sich in der Erprobungsphase, darunter ein Wirkstoffkandidat von GSK und Regdanvimab von Celltrion.
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