Als Pharmazierat in der Corona-Krise Alexander Müller, 13.03.2020 09:51 Uhr
Michael Becker ist Inhaber der Lender-Apotheke in Sasbach, außerdem Pharmazierat beim Regierungspräsidium Freiburg. In dieser Funktion versucht er, die Kollegen in der Corona-Krise möglichst gut mit Informationen zu versorgen – auch wenn er dabei offizielle Informationen schmerzlich vermisst. Im Podcast WIRKSTOFF.A spricht er außerdem über das Gefühl, plötzlich selbst unter Corona-Verdacht zu stehen, und warum die Apotheker jetzt nicht mit der Angst der Menschen Kasse machen. Jetzt reinhören.
„Wir hatten Kontakt, ich bin kontaminiert“ – die Botschaft bekam Becker unlängst am Telefon. Da die Begegnung kurz und flüchtig war, hat er sich keine allzu große Sorgen gemacht, sich selbst angesteckt zu haben. Trotzdem informierte er das Gesundheitsamt. Auch dort hielt man eine Quarantäne in diesem Fall für übertrieben, empfahl dem Apotheker aber, auf etwaige Symptome zu achten und vielleicht etwas mehr im Backoffice zu arbeiten.
Und wie ist das, so wenn man dann allein im Büro sitzt? „Die Situation wird jeder Apotheker kennen: Wenn das Gegenüber erklärt, dass die ganze Familie Läuse hat: Im gleichen Moment fängt es an, einem am Kopf zu jucken. Und so kann man sich das vorstellen, wenn einem jemand sagt: ‚Ich bin Corona-positiv, wir hatten Kontakt‘, dass man sich plötzlich irgendwie elend fühlt.“ Aber nach dem kurzen Schreck habe er die Situation einschätzen können, zumal die Gefahr für eine gesunde Person ja auch nicht besonders groß sei. Trotzdem hat er sich Gedanken gemacht, zu wem er Kontakt hatte, berichtet er im Podcast WIRKSTOFF.A.
Ein bekannter Kollege von ihm hatte weniger Glück: Er hat sich in Italien selbst mit dem Cortonavirus angesteckt und musste mit seiner Familie in häusliche Quarantäne. Zum Glück sei die Krankheit in diesem Fall aber sehr milde verlaufen, berichtet Becker. Der Kollege habe sich auch vorbildlich verhalten und alle empfohlenen Maßnahmen ergriffen.
Was das Verhalten im Ernstfall betrifft, würde sich Becker eine bessere Kommunikation wünschen – vor allem von Seiten der Standesvertretung. Schon als es um die Herstellung von Desinfektionsmitteln ging, hat sich der Apotheker selbst schlau gemacht, welche Genehmigung er benötigt und entsprechend die Kollegen informiert. Von der Abda gab es zwei Tage später einen Hinweis – ansonsten häufig eine Linksammlung, wo man sich informieren kann.
„Wir warten alle sehnlich auf den Covid-19-Pandemieplan“, sagt Becker im Gespräch mit APOTHEKE ADHOC. Der soll immerhin in den nächsten Tagen kommen, müsse allerdings noch zwischen dem Ministerium und den Apothekerkammern abgestimmt werden.
Dass „Spiegel Online“ die Apotheken zu den Gewinnern der Corona-Krise zählt, findet Becker etwas ungerecht. „Das hat den Beigeschmack, dass wir den großen Reibach machen“, moniert er. Dabei würden in seiner Apotheke – und bei den allermeisten Kollegen – Desinfektionsmittel zu ganz normalen Preisen verkauft; „vor der Krise, in der Krise, nach der Krise“. Er appelliert an die Kollegen, fair zu bleiben: „Im Moment spielt der Preis keine Rolle, umso mehr ist es seriös und integer von uns, die Situation nicht auszunutzen, sondern wahre Größe zu zeigen.“ Bezogen auf den Spiegel sagt er: „Momentan habe ich nicht die Energie, dass ich auf irgendein Siegerpodest steigen könnte.“
Seit 2006 führt Becker die Lender-Apotheke im Südwesten der Republik. 2015 überredet ihn der Pharmazierat, seine Nachfolge vor Ort anzutreten. „Ich habe das nicht bereut, weil ich sehr viel für mich und meine Apotheke gelernt habe und eine neue Perspektive auf die Apotheke gewinnen konnte“, sagt Becker. Um die Kollegen über aktuelle Themen oder ganz allgemein Wissenswertes rund um die Revision zu informieren, hat er einen eigenen Newsletter eingerichtet. Aktuell schreibt er viel zum Thema Corona. Jetzt das ganze Gespräch nachhören.