Kam der EPatient Survey im Frühjahr noch zu ernüchternden Ergebnissen, scheinen sich seitdem die Institute bei den Erfolgsmeldungen zu Telemedizin nur noch übertreffen zu wollen. Nach IQVIA und dem Branchenverband Bitkom vermeldet nun die Unternehmensberatung Pricewaterhouse Coopers (PWC) einen neuen Spitzenwert: Der am Montag veröffentlichten Umfrage „Healthcare Interactions“ zufolge ist der Anteil virtueller Beratungen seit Beginn der Covid-19-Pandemie von 8 auf 25 Prozent gestiegen. PWC rechnet zwar Telefonberatung und Videosprechstunde zusammen – das Wachstum der Telemedizin ist dennoch beachtlich: Ihr Anteil habe sich seit Beginn der Krise versechsfacht.
8 Prozent – also nicht einmal jede zehnte ärztliche Beratung führten niedergelassene und Klinikärzte laut PWC vor der Coronakrise ohne physischen Kontakt zum Patienten durch. Seit Abstandsregeln und Hygienevorschriften den Alltag bestimmen, ist der Anteil der aktuellen Umfrage zufolge auf ein Viertel gestiegen. Dominant ist dabei nach wie vor das gute alte Telefon: Danach gefragt, welche Tools oder Kanäle sie für virtuelle Termine mit Patienten nutzen, gaben 91 Prozent das Telefon an. Vor der Krise war der Wert mit 92 Prozent nur minimal höher. Enorm zugelegt hat dafür die Telemedizin: Nannten sie vor der Pandemie noch 6 Prozent als Kanal zur Patientenberatung, sind es nun 36 Prozent.
Bei anderen Tools und Kanälen hat sich hingegen kaum etwas bewegt. Der Austausch via E-Mail hat zwar von 50 auf 61 Prozent zugenommen, der Austausch via Messenger oder Patienten-Monitoring Apps hat nur unwesentlich von 12 auf 13 beziehungsweise von 5 auf 7 Prozent. Auch sonst hält sich das Interesse der Ärzte, ihre Leistungen durch digitale Tools aufzupeppen, in engen Grenzen. Danach gefragt, wie interessiert sie daran sind, innovative technologischen Tools in Diagnose und Behandlung einzusetzen, zeigten sich die Ärzte wenig euphorisch.
Die Befragten konnten eine Zahl zwischen 1 („kaum interessiert“) bis 5 („äußerst interessiert“) ankreuzen. Über das Mittelfeld schaffte es jedoch keiner der Vorschläge hinaus: Spitzenreiter sind mit einem Wert knapp über 3 Entscheidungshilfe-Tools zur Auswahl von Behandlungsmethoden, gefolgt von Patienten-Monitoring-Anwendungen mit einem Wert von knapp unter 3. Ziemlich genau bei 2,5 liegen Lösungen zu „Video-Detailing zu Medikamenten“ und auf nicht einmal zwei Punkte im Durchschnitt kommen Avatare als virtuelle Verkörperung von Ärzten, Patienten und Pharmamitarbeitern.
Mit der gleichen Methode wurden auch die Vorbehalte der Ärzte gegenüber der virtuellen Beratung abgefragt – und die sind nach wie vor hoch. Mit einem Durchschnittswert von fast 5 sehen die meisten Ärzte den fehlenden menschlichen Kontakt bei der Diagnosestellung als relevante Hürde der Telemedizin. Knapp dahinter auf dem zweiten Platz folgen die Patienten selbst als Ursache. Die Mehrheit der 100 befragten Ärzte aus Klinik und Praxis befürchtet, dass mangelnde technische Fähigkeiten der Nutzer, also der Patienten, bei der Anwendung telemedizinischer Tools deren Nutzen schmälern.
Ihre eigenen Fähigkeiten schätzen die Ärzte weitaus besser ein – sehen offensichtlich aber auch da Problempotenzial. Die technischen Fähigkeiten des medizinischen Fachpersonals werden weniger angezweifelt. Mit einem Score von knapp 2,4 von 5 liegen allerdings auch sie noch im Mittelfeld.
Ebenso wichtig sind den Ärzten ungeklärte Vergütungsfragen. Den Regeln der meisten Kassenärztlichen Vereinigungen zufolge können niedergelassene Ärzte maximal 20 Prozent ihrer Leistungen aus telemedizinischer Beratung abrechnen. Die mutmaßliche Sorge ist also, dass der Anteil der Telemedizin soweit steigen könnte, dass er die Abrechnungsschwelle übersteigt. Dabei rechnen die befragten Ärzte damit, dass er mittelfristig wieder sinkt. Auf rund 15 Prozent schätzen sie den Anteil virtueller Patiententermine in den kommenden 12 bis 18 Monaten, an der Aufteilung von Telefon, Telemedizin und anderen Kanälen wird sich demnach aber kaum etwas ändern. Dass sich auch im Großen und Ganzen viel ändert, erwartet hingegen eine Mehrheit der Ärzte: 39 Prozent der Befragten erwartet in den nächsten anderthalb Jahren eine vollständige Rückkehr zu ihrer beruflichen Situation, 58 Prozent erwarten eine eingeschränkte Rückkehr, nur 2 Prozent eine sehr eingeschränkte. 1 Prozent hingegen glauben, dass wir das „neue Normal“ schon erreicht haben. Sie erwarten, dass es gar keine Rückkehr zu einer beruflichen Normalität gibt.
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