Anfälliger für Covid-19

ACE2-Rezeptor lässt Männer häufiger erkranken

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Berlin -

Beim Betrachten der Sars-CoV-2 -Erkrankungszahlen fällt auf, dass Männer häufiger an Covid-19 erkranken als Frauen. Forscher wollen nun den Grund dafür gefunden haben: Schuld soll eine höhere Konzentration des löslichen ACE2-Rezeptors sein. Die Ergebnisse wurden im European Heart Journal veröffentlicht.

Rund 60 Prozent aller Covid-19-Patienten sind Männer. Auch die tödlichen Verläufe sind bei ihnen häufiger als bei Frauen – hier liegt der Anteil sogar bei etwa 70 Prozent. Forscher des University Medical Center Groningen haben nun Hinweise gefunden, die erklären könnten, warum Männer häufiger betroffen sind.

Dazu werteten die Forscher Daten der „BIOSTAT-CHF-Studie“ aus. Der Name der Studie steht für die Kurzform von „BIOlogy Study to TAilored Treatment in Chronic Heart Failure“. Im Zuge dieser Untersuchung wurde unter anderem die Konzentration des löslichen ACE2-Rezeptors bei den Teilnehmern ermittelt – ursprünglich, um einen Zusammenhang zum Auftreten einer chronischen Herzinsuffizienz herzustellen. Nun diente sie jedoch dazu, den Bezug zwischen ACE2-Rezeptoren und Covid-19 zu ermitteln.

ACE2-Rezeptoren als Eintrittspforte

Der ACE2-Rezeptor ist mittlerweile schon häufiger mit dem aktuellen Coronavirus in Verbindung gebracht worden. Klar ist auch, dass er sich nicht nur im Blut, sondern auch in der Membran verschiedener Körperzellen befindet. Für Sars-CoV-2 dient dieser Rezeptor als Eintrittspforte in den Körper. Der Zelleintritt hängt somit vom Vorhandensein der Proteine ACE2 und TMPRSS2 ab: Das Virus nutzt den ACE2-Rezeptor für den Eintritt in die Zelle und die Serinprotease TMPRSS2 für das Priming des S-Proteins. Bei dem S-Protein handelt es sich um das sogenannte Peplomer des Virus – eine nach außen ragende Proteinstruktur in der Virushülle.

Männer weisen höhere Konzentrationen auf

Die Forscher konnten mithilfe der Analyse von zwei Kohorten zeigen, dass die Konzentration des löslichen ACE2-Rezeptors bei Männern höher ist als bei Frauen: Sowohl in der ersten Indexkohorte mit knapp 1500 Männern und rund 500 Frauen wie auch in einer zweiten mit 1200 Männern und knapp 600 Frauen war dies der Fall. Der genaue Grund für die höhere Konzentration ist jedoch unklar: Allerdings konnten die Forscher belegen, dass das Gen für ACE2 in den Hoden vermehrt aktiv ist.

Eine Behandlung mit ACE-Hemmern und Angiotensin-II-Antagonisten – den sogenannten „Sartanen“ – beeinflusste die Konzentrationen nicht. Dies könnte untermauern, dass Substanzen der genannten Arzneimittelgruppen nicht der hohen Sterblichkeit bei Patienten mit arterieller Hypertonie zugrunde liegen.

Zwar wurde in der Studie die Konzentration des ACE2-Rezeptors im Blut bestimmt, allerdings ist unklar, ob diese Werte auch Aufschluss über die Anzahl der befindlichen ACE2-Rezeptoren im Körper geben. Derzeit wird angenommen, dass es sich bei den löslichen ACE2-Rezeptoren um die Rezeptoren handelt, die sich aus den Membranen der Körperzellen gelöst haben. Da in die Untersuchungen nur Menschen mit Herzinsuffizienz eingeschlossen wurden, sind die Ergebnisse der Beobachtungsstudie jedoch mit Vorsicht zu betrachten.

ACE2-Rezeptoren im Fokus der Wissenschaft

Viele Wissenschaftler haben sich in den vergangenen Wochen mit den ACE2-Rezeptoren beschäftigt, unter anderem des Helmholtz Zentrums München. Sie stellten fest, dass nahezu alle Organe über eine gewisse Anzahl dieser Rezeptoren verfügen. Somit finden sich diese Proteine auch in Zellen des Herzens, der Blase, der Bauchspeicheldrüse und der Niere. Geringe Konzentrationen konnten auch im Auge und im Gehirn dokumentiert werden. Hohe Konzentrationen konnten in Epithelzellen nachgewiesen werden – also in der organauskleidenden Zellschicht, wie sie in der Lunge existiert.

Auch Forscher des Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin wollten herausfinden, in welchen Zellen diese beiden Eintrittsproteine vermehrt enthalten sind. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass vor allem die schleimproduzierenden Becherzellen und Flimmerzellen in der Nase hohe Konzentrationen dieser beiden Proteine aufweisen. Ob die befallenen Organe auch alle potenziell infektiös sind, ist noch nicht abschließend geklärt. So ist der Chefarzt der Klinik für Augenheilkunde im St.-Johannes-Hospital Dortmund, Professor Dr. Markus Kohlhaas, der Auffassung, dass das Coronavirus in bestimmten Fällen auch über die Augen übertragbar ist. Das Risiko einer Übertragung über die Tränen sei dann gegeben, wenn der Corona-Patient beispielsweise eine Bindehautentzündung entwickelt.

Endotheliitis führt zu Multiorganversagen

Außerdem konnte in Blutgefäßen Sars-CoV-2 nachgewiesen werden: So veröffentlichten der Kardiologe Professor Dr. Frank Ruschitzka und seine Kollegen vom Universitätsklinikum Zürich Mitte April ein Dokument im Fachjournal „The Lancet“, in dem sie beschrieben, wie Viruspartikel im Gefäßendothel gefunden wurden. Der Angriff des Endothels erklärt den Wissenschaftlern zufolge das entstehende Multiorganversagen bei Patienten mit Covid-19. Durch Vorerkrankungen ist das Gewebe meist schon geschädigt: Bluthochdruck, Diabetes, Herzinsuffizienz oder koronare Herzkrankheit bieten Sars-CoV-2 ideale Voraussetzungen für einen aggressiven und häufig sogar tödlichen Verlauf.

 

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