Ab morgen: 5 Euro für Apotheken-Botendienst Lothar Klein, 21.04.2020 15:53 Uhr
Ab morgen erhalten Apotheken für ihren Botendienst ein Honorar von fünf Euro. Im Bundesanzeiger wurde soeben die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erlassene SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung veröffentlicht. Damit tritt diese morgen in Kraft. Die Honorierung des Botendiensts ist befristet bis längstens zum 30. September. Mit der Eil-Verordnung treten weitere Maßnahmen zur Beherrschung der Corona-Krise in Kraft.Als Reaktion auf die Versorgungsprobleme in den Apotheken verschafft Spahn den Apothekern mehr „Beinfreiheit“ beim Austausch von Arzneimitteln. Selbst von der Aut Idem-Regelung kann danach abgewichen werden.
„Zur Vermeidung nachteiliger Auswirkungen auf die Sicherstellung der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung werden in der Verordnung Ausnahmen und Ergänzungen zu den bestehenden Regelungen des SGB V, des Apothekengesetzes (ApoG), der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO), der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV), der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV), des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) und der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) vorgenommen“, heißt es im Verordnungstext. Ziel sei es, zur Aufrechterhaltung der Arzneimittelversorgung das Infektionsrisiko zu minimieren, indem die Zahl der Apotheken- und Arztkontakte durch die Versicherten reduziert würden. „Hierzu hat das Wirtschaftlichkeitsgebot in der gesetzlichen Krankenversicherung befristet hinter das Bestreben zur Verminderung des Infektionsrisikos zurücktreten.“
Durch die gesundheitliche Notlage sei es insbesondere für Ärzte sowie für Apotheken erforderlich, für bestimmte Bereiche von den Maßgaben des Betäubungsmittelrechts so abweichen zu können, dass die Versorgung der Bevölkerung mit Betäubungsmitteln zu medizinisch-therapeutischen Zwecken weiterhin sichergestellt werden könne. Dieses gelte insbesondere für Sachverhalte, in denen das geltende Recht zu nicht vertretbaren Versorgungsschwierigkeiten mit gesundheitlichen Schäden für die Patienten führen würde.
„Insbesondere wird den Apotheken in den Fällen, in denen ein verordnetes Arzneimittel in der Apotheke nicht verfügbar oder nicht lieferbar ist, über die bereits bestehenden Austauschmöglichkeiten hinaus ein erweiterter Austausch von wirkstoffgleichen Arzneimitteln sowie auch nach ärztlicher Rücksprache ein Austausch gegen ein pharmakologisch-therapeutisch vergleichbares Arzneimittel sowie der Austausch eines Arzneimittels, für das die verordnende Person den Austausch ausgeschlossen hat, erlaubt“, heißt es in der Verordnung. In diesen Fällen werde die „Retaxation gegenüber Apotheken ausgeschlossen“.
„Die vorübergehende Einführung vergüteter Botendienste für die Apotheken sowie die Einführung eines einmaligen Zuschlages tragen ebenfalls zur Minimierung des Infektionsrisikos durch reduzierte Apothekenkontakte bei“, so die Verordnung weiter. Des Weiteren werden laut Verordnung die Vorschriften zum Entlassmanagement der Krankenhäuser im Hinblick auf die Verordnung von Arzneimitteln erweitert, um auch insoweit Arzt- und Apothekenkontakte zu vermeiden. Um gezielt regionale Abweichungsmöglichkeiten von den bestehenden apothekenrechtlichen Vorschriften zuzulassen, wird in diesem Bereich die Möglichkeit des Abweichens durch die zuständigen Behörden geschaffen. Damit soll eine ausreichende Arzneimittelversorgung weiterhin sichergestellt werden.
Der Verordnungstext definiert Ausnahmen von der Arzneimittelpreisverordnung:
- Apotheken können danach bei der Abgabe von Arzneimitteln im Wege des Botendienstes je Lieferort einen Zuschlag von einmalig 5 Euro erheben.
- Apotheken können zudem „einmalig einen Betrag zur Förderung von Botendiensten in Höhe von 250 Euro zulasten der gesetzlichen Krankenkassen erheben“. Das Nähere über die Aufbringung und Verteilung sollen der Deutsche Apothekerverband (DAV) und der GKV-Spitzenverband aushandeln.
Durch die vorübergehende Einführung eines Zuschlages, der je Lieferort unabhängig von der Anzahl der ausgelieferten Arzneimittel 5 Euro betrage, sollten Apotheken unterstützend für den erbrachten Botendienst vergütet werden. Durch die vorübergehende Einführung des Zuschlags solle das Infektionsrisiko für Versicherte, das beim Aufsuchen einer Apotheke bestehe, verringert werden. Patienten, deren Arzneimittel beim ersten Besuch in der Apotheke nicht vorrätig gewesen sei, könnten dieses nach Hause geliefert bekommen und vermieden einen erneuten Apothekenbesuch. Zudem könnten Patienten, die zu einer Risikogruppe gehörten, durch eine Versorgung mit Arzneimitteln im Wege des Botendienstes vor einer Infektion geschützt werden, heißt es in der Begründung.
Durch den einmaligen Betrag in Höhe von 250 Euro sollten Apotheken bei der Anschaffung von beispielsweise Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel unterstützt werden, die notwendig sei, um Botendienste auch weiterhin anzubieten. Um sicherzustellen, dass jede Apotheke den Zuschlag erhalte, hätten die Vertragspartner das Nähere zur Aufbringung der Mittel und zu deren Verteilung zu vereinbaren, so die Begründung weiter. Die Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft und ist befristet bis zum Ende der epidemischen Lage, längstens bis zum 31. März 2021.
Normalerweise dürfen im Rahmen des Entlassmanagements Arznei- und Verbandmittel (§ 31 SGB V) für einen Zeitraum von bis zu sieben Tagen verordnet werden. Dieser Bedarf wurde erhöht: Es ist es gestattet, diese Produkte für die Versorgung in einem Zeitraum von bis zu 14 Tagen zu verordnen. „Bei der Abgabe von Teilmengen aus einer Arzneimittelpackung können Apotheken bei der ersten Abgabe die in § 3 Absatz 1 Satz 1 genannten Zuschläge erheben. Bei der Abgabe weiterer Teilmengen aus derselben Packung können Apotheken abweichend von den Zuschlägen in § 3 Absatz 1 Satz 1 jeweils nur einen Zuschlag von 8,35 Euro erheben“, lautet eine andere Regelung.
Erleichtert wird auch der Austausch von nicht lieferfähigen Arzneien: Abweichend dürfen Apotheken, wenn das auf der Grundlage der Verordnung abzugebende Arzneimittel in der Apotheke nicht vorrätig ist, an den Versicherten ein in der Apotheke vorrätiges wirkstoffgleiches Arzneimittel abgeben. Ist kein wirkstoffgleiches Arzneimittel in der Apotheke vorrätig und ist das abzugebende Arzneimittel auch nicht lieferbar, darf ein lieferbares wirkstoffgleiches Arzneimittel abgegeben werden. Sofern weder das auf der Grundlage der Verordnung abzugebende noch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel vorrätig oder lieferbar ist, dürfen Apotheken nach Rücksprache mit dem verordnenden Arzt ein pharmakologisch-therapeutisch vergleichbares Arzneimittel an den Versicherten abgeben: Dies ist auf dem Arzneiverordnungsblatt zu dokumentieren. Das gilt auch für den Fall, dass der verordnende Arzt den Austausch des Arzneimittels ausgeschlossen hat. Apotheken dürfen ohne Rücksprache mit dem verordnenden Arzt von der ärztlichen Verordnung im Hinblick auf Folgendes abweichen, sofern dadurch die verordnete Gesamtmenge des Wirkstoffs nicht überschritten wird: die Packungsgröße, auch mit einer Überschreitung der nach der Packungsgrößenverordnung definierten Messzahl, die Packungsanzahl, die Entnahme von Teilmengen aus Fertigarzneimittelpackungen, soweit die abzugebende Packungsgröße nicht lieferbar ist, und die Wirkstärke, sofern keine pharmazeutischen Bedenken bestehen. In alle diesen Fällen ist eine Beanstandung und Retaxation ausgeschlossen.