Neue Rekorde seit Pandemie-Beginn

20 Millionen Infektionen – wie geht es weiter?

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Berlin -

Nach zuletzt immer neuen Rekorden bei den Corona-Neuinfektionen überschreitet die offizielle Zahl der Fälle seit Pandemiebeginn nun die 20 Millionen. Wie geht es in den nächsten Tagen und Wochen weiter?

Die bundesweite Zahl der seit Beginn der Pandemie nachgewiesenen Corona-Infektionen hat die 20-Millionen-Marke überschritten. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab die Gesamtzahl am Samstagmorgen mit 20.145.054 an. Der tatsächliche Wert dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erfasst werden. Die Sieben-Tage-Inzidenz gab das RKI mit 1758,4 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche an. Die Gesundheitsämter meldeten dem RKI binnen eines Tages 252.026 neue Corona-Fälle.

„Meine Erwartung ist noch eine weitere Zunahme der täglich gemeldeten Fälle für einige Tage, vielleicht Wochen“, sagte der Bremer Epidemiologe Hajo Zeeb zur möglichen weiteren Entwicklung des Infektionsgeschehens. „Gerade, weil Omikron-Subtyp BA.2 mit den jetzigen Lockerungen natürlich weiterhin sehr gutes Verbreitungspotenzial hat.“ Durch saisonale Effekte und allmählich zunehmende Immunität sei dann mit einem Plateau und dem Absinken zu rechnen. Generell bleibe der Verlauf aber schwer vorauszusagen, so Zeeb.

Bei der Belegung der Intensivstationen zeige sich derzeit eine Stagnation bei etwas über 2000 Fällen, führte der Hamburger
Intensivmediziner Stefan Kluge aus. „Auf den Intensivstationen ist die Lage stabil.“ Die Normalstationen seien zwar recht stark gefüllt, ein Großteil der positiv getesteten Patientinnen und Patienten sei aber nicht ursächlich wegen einer Corona-Infektion aufgenommen. Der Direktor der UKE-Klinik für Intensivmedizin fasste zusammen: „Derzeit können wir sagen: Die Krankenhaus-Belastung ist zwar da, aber sie ist gut zu händeln.“ Grundsätzlich sehe man viel seltener schwere Verläufe als etwa auf dem Zenit der Delta-Welle, sagte Kluge. Er warnte aber, dass auch eine Omikron-Infektion schwer verlaufen könne.

Was die Krankenhäuser derweil jedoch bundesweit besonders stark präge, seien die Personalausfälle durch Infektionen. „So eine
Ausfallquote wie jetzt, das hört man auch aus anderen Krankenhäusern, haben wir noch nicht gehabt in der Pandemie“, sagte Kluge. Auch wenn die Boosterquote bei den Ärztinnen und Ärzten und Pflegenden etwa im UKE hoch sei und sie daher meist nur milde erkrankten, fielen sie sieben bis zehn Tage aus. Sowohl im ärztlichen als auch im pflegerischen Bereich seien die Einschnitte deutlich zu spüren.

Engpässe zeichnen sich zuletzt aber auch an anderer Stelle klar ab: So ist die Lage in den Gesundheitsämtern angesichts der
Corona-Infektionszahlen auf Rekordniveau weiter sehr angespannt. Bei den Kapazitäten für die Erfassung gebe es „keine Luft mehr nach oben“, hatte der Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Johannes Nießen, betont.

Gerade auch bei älteren Menschen gingen die Infektionszahlen zuletzt hoch, unter den weiter täglich teils über 200 oder sogar 300
gemeldeten Todesfällen seien sehr viele Ältere, mahnte Epidemiologe Zeeb. Insbesondere für diese Altersgruppe, so betonte er, bleibe ein möglichst aktueller Impfschutz extrem bedeutend.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bekräftigte zuletzt ebenfalls seine Impfappelle und warnte vor dem Infektionsrisiko für bisher nicht Geimpfte angesichts der Fallzahlen. „Derjenige, der sich sagt, ich bin jetzt zwei Jahre durch die Pandemie gekommen und hab mich nie infiziert – der muss bedenken, dass das Risiko jetzt höher ist, als es je für ihn war“, sagte der SPD-Politiker am Freitag.

Ein vieldiskutiertes Ende der Maskenpflicht beurteilen die Experten aus der Wissenschaft kritisch. Masketragen zum Selbstschutz sei und bleibe sehr wichtig, machte Zeeb klar. Auch Intensivmediziner Kluge betonte, wie effektiv die Maske schütze, und forderte, die Maskenpflicht noch nicht fallen zu lassen. Aus medizinischer Sicht würde man natürlich jetzt erst mal den Höhepunkt bei den
Infektionsraten abwarten wollen, bevor man an die Maßnahme des Masketragens herangehe.

Zeeb betonte, es bleibe die Aufgabe, die vulnerablen Menschen zu schützen und vor allem bei ihnen „den Impfstatus so hoch wie möglich zu schrauben“. Die Verlagerung auf individuell verantwortliches Handeln angesichts weitgehend fallender Corona-Auflagen könne zwar funktionieren, „aber halbwegs sicher werden wir da erst in einiger Zeit sein“, mahnte der Experte.

Der Berliner Virologe Christian Drosten sagte in den ARD-„Tagesthemen“, es sei ganz wichtig, dass die Lockerungen jetzt nicht als ein unreflektiertes Öffnen verstanden würden. „Man muss dieses Geschehen genau beobachten, das Virus ist nicht absolut
harmlos geworden.“ Drosten sagte weiter: „Jetzt für die allernächste Zeit ist es sicherlich so, dass wir diese hohen Zahlen in Deutschland erstmal behalten werden.“ Problematisch sei zudem, dass sich nun viele Ältere verstärkt infizierten.

Die höchsten Inzidenzen gebe es ferner im Schulalter. „Das heißt, das kommt im Moment aus den Schulen. Wenn aber jetzt Ferien sind, dann wird das unterbunden.“ Nach Ostern, wenn es warm sei, werde das Infektionsgeschehen abgemildert sein. „Aber es wird auch nicht komplett stoppen wie im letzten Jahr“, so Drostens Voraussage. „Also ich würde schätzen: Das schaukelt sich zum Sommer wieder hoch. Wir haben keinen infektionsfreien Sommer.“ Aber es sei eben ein Sommer. „Wenn wir da zum Beispiel in Innenräumen Maske tragen, dann kann man das Geschehen so moderieren, dass es nicht außer Kontrolle kommt.“ Drosten sagte weiter, im Winter „da muss man auch wieder härter durchgreifen, würde ich jetzt erwarten“.

Durchbruchinfektionen mit der Omikron-Variante erhöhen nach Angaben des Immunologen Carsten Watzl den Immunschutz Geimpfter erheblich. „Eine Infektion ist wie eine einzelne Impfdosis“, sagte er der Augsburger Allgemeinen. „Für Geimpfte wirkt sie wie ein Booster mit einem angepassten Impfstoff.“ Die momentan hohe Zahl an Infektionen und der damit einhergehende Immunschutz kann sich nach Ansicht des Generalsekretärs der Deutschen Gesellschaft für Immunologie im Herbst auszahlen – „wenn keine neue gefährlichere Variante kommt“. Ob eine Impfpflicht angesichts dessen überhaupt noch nötig sei, sei „die 100.000-Dollar-Frage“.

Die Zahl der in Kliniken gekommenen Corona-infizierten Patienten je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen gab das RKI am Freitag mit 7,39 an (Donnerstag: 7,28). Darunter sind auch viele Menschen mit positivem Corona-Test, die eine andere Haupterkrankung haben. Deutschlandweit wurden den neuen RKI-Angaben zufolge binnen 24 Stunden 278 Todesfälle verzeichnet. Die Zahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg damit auf 128.388.

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