Apotheker sind vermutlich die einzigen „eingetragenen Kaufleute“, die ihre Einkaufskonditionen offenlegen müssen: Der GKV-Spitzenverband darf seit 2011 die Preise für Fertigarzneimittel in parenteralen Zubereitungen bei Apotheken abfragen. Dabei sind allerdings Apotheken im Vorteil, die die Lösungen gar nicht selbst herstellen, sondern den Geschäftsbereich ausgegründet haben oder die Leistung bei einem Herstellbetrieb einkaufen. Denn auf dessen Rabatte haben die Kassen keinen Zugriff, entschied jetzt das Sozialgericht Reutlingen (SG).
Preise für Fertigarzneimittel in Sterilrezepturen unterliegen seit 2009 nicht mehr dem einheitlichen Abgabepreis. Die Apotheken dürfen mit den Herstellern Rabatte aushandeln, die Krankenkassen vereinbaren in der Hilfstaxe mit dem Deutschen Apothekerverband (DAV) Abschläge. Der Gesetzgeber hat die Kassen für die Verhandlungen munitioniert: Mit dem AMNOG hat der GKV-Spitzenverband 2011 das Recht erhalten, bei Apotheken und Herstellern die Einkaufskonditionen abzufragen.
Im Spätsommer 2011 wurden erstmals Apotheken aufgefordert, mit Rechnungen und Lieferscheinen „aussagekräftige Nachweise“ zu erbringen, zu welchen Preisen sie im ersten Halbjahr einkauft hatten. Dabei sollten sie auch umsatzbezogene Rabatte, Rückvergütungen oder sonstige Vorteile von Herstellern oder Großhändlern preisgeben.
Auch eine Apothekerin aus Baden-Württemberg wurde im August 2011 aufgefordert, für bestimmte Wirkstoffe die bezogenen Mengen, die Bezugsquellen sowie die tatsächlich vereinbarten Einkaufspreise für das gesamte erste Halbjahr anzugeben. Die Apothekerin teilte mit, dass sie ihre Sterilrezepturen bei einem Herstellerbetrieb beziehe und dieser ihr nur die Gesamtleistung in Rechnung stelle.
Der GKV-Spitzenverband ließ dies nicht gelten: Dann müsse die Apothekerin die Einkaufskonditionen eben beim Lohnhersteller einholen, hieß es. Per Bescheid sollte der Auskunftsanspruch nun für das letzte Quartal 2011 durchgesetzt werden. Die Apothekerin reichte im Oktober 2012 Klage beim (SG) ein. Sie könne von dem wirtschaftlich vollkommen unabhängigen Herstellbetrieb gar keine Offenlegung seiner Einkaufspreise verlangen. Für die Abrechnung gebe es die Hilfstaxe.
Die Apothekerin hatte allgemein gezweifelt, dass der Kassenverband zum Erlass eines Verwaltungsaktes befugt sei. Schließlich bestehe kein Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen beiden. Das sah das SG allerdings anders. Im konkreten Einzelfall – und auf den kommt es immer an – hatte der GKV-Spitzenverband demnach das Recht, den Bescheid zu erlassen – trotz Gleichordnungsverhältnis.
Auch wenn der GKV-Spitzenverband laut Gericht in formeller Hinsicht „mit dem für das Subordinationsverhältnis typischen Mittel von 'Befehl und Gehorsam'“ handeln durfte, hatte er keinen Anspruch auf die geforderten Daten. Dieser richte sich „lediglich gegen Apotheken und pharmazeutische Unternehmer, nicht hingegen Lohnhersteller oder Pharma-Großhändler“, so das SG.
Nach dem Wortlaut des Sozialgesetzbuches könne „nur die von der Apotheke selbst tatsächlich vereinbarten Einkaufspreise gemeint sein“, heißt es im Urteil. Hätte der Gesetzgeber auch zwischengeschaltete Lohnhersteller mit dem Anspruch erfassen wollen, hätte er eine entsprechende Klarstellung formulieren müssen. Während des Gesetzgebungsverfahrens sei durchaus bekannt gewesen, dass nicht alle Apotheken die Lösungen selbst herstellen.
Die Regelung im Sozialgesetzbuch verfolgt laut dem SG den Zweck, dass die Krankenkassen mit dem Deutschen Apothekerverband (DAV) „auf Augenhöhe“ über die Hilfstaxe verhandeln kann. Dazu müsse sich der GKV-Spitzenverband einen umfassenden Überblick verschaffen. Es sei für die Kassen zwar zweifellos sinnvoll, „zur Gewinnung dieses Überblicks über Marktsituation und Marktentwicklung auch Kenntnis von den tatsächlich vereinbarten Einkaufspreisen von Lohnherstellern für Fertigarzneimittel zu erhalten“, gab das SG zu. Allein, das Gesetz gebe dies nicht her.
Die Lohnhersteller verhandeln ihre Einkaufspreise direkt mit den Herstellern und bietet den Apotheken einen Gesamtpreis der parenteralen Zubereitung. „Es entspricht hierbei den üblichen Gepflogenheiten im Wirtschaftsleben, dass die Kalkulationsgrundlage des Herstellers dem Kunden gegenüber nicht offenbart wird“, so die Richter. Dabei handele es sich um ein geschütztes Betriebs- und Geschäftsgeheimnis. Dass der Herstellbetrieb vom Ehemann der Apothekerin geführt wird, spielte aus Sicht der Richter keine Rolle.
Der GKV-Spitzenverband wollte sich noch auf ein Schreiben aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) aus dem Juli 2009 stützen, wonach eine Apotheke die Einkaufspreise der Fertigarzneimittel in der Zubereitung kennen müsse. Aber das ließ das SG nicht gelten: „Bei diesem Schreiben handelt es sich lediglich um eine Meinungsäußerung, der keine rechtsverbindliche Wirkung zukommt.“
Für die Abrechnung gegenüber den Krankenkassen muss die Apotheke laut Gericht nur wissen, welche Fertigarzneimittel in der jeweiligen parenteralen Zubereitung enthalten sind. Eine Kenntnis der tatsächlich vereinbarten Einkaufspreise der Fertigarzneimittel sei weder früher noch heute erforderlich.
Das Interesse der Kassen an den Zyto-Rabatten hat sich offenbar sowieso gelegt. Nach der anfänglichen Aufregung und protestierenden Zyto-Apothekern hat man von etwaigen Abfragen nur noch wenig gehört. Vermutlich sind die Kassen darauf nicht mehr angewiesen – sie besorgen sich ihre Einblicke in den Markt heute auf andere Weise: Zyto-Ausschreibungen der AOK in Berlin und Hessen geben den Kassen einen Eindruck, was möglich ist. Das sind zwar mit Blick auf die Hilfstaxe keine realistischen Zahlen, aber das dürfte die Kassen in den Verhandlungen nicht weiter stören.
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