Fall Bottrop

Zyto-Pfusch: Warum bemerkte niemand etwas?

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Berlin -

Als Reaktion auf den Skandal in Bottrop werden Zyto-Apotheken in Nordrhein-Westfalen (NRW) jetzt stärker kontrolliert. Als politische Reaktion verständlich, in der Sache aber unsinnig, kritisiert Zyto-Apotheker Dr. Franz Stadler aus dem bayerischen Erding. Denn die Aufsichtsbehörden hätten schon heute alle Möglichkeiten, genauer hinzusehen. Und sie hätten das auch im Fall Bottrop gehabt, kritisiert Stadler. Aus seiner Sicht wäre es besser, die Anreize für möglichen Betrug durch eine Honorarreform zu minimieren.

Dem „Pfusch-Apotheker“ Peter S. aus Bottrop wird vorgeworfen, massenhaft Sterilrezepturen mit zu wenig oder gar keinem Wirkstoff an onkologische Praxen beliefert haben. Damit wurden mutmaßlich tausende Krebspatienten geschädigt und die Krankenkassen um Millionen betrogen. Vor dem Landgericht Essen wird der Fall ab dem 13. November verhandelt.

Stadler fragt sich, warum die Aufsichtsbehörden in diesem Fall „so eklatant versagt“ hätten. „Wieso wurde bei den Kontrollen nie etwas gefunden? Ob angekündigt oder nicht dürfte bei echten Kontrollen eigentlich keine Rolle spielen. Denn man kann sich sicher für einen Tag vorbereiten, beispielsweise das Labor putzen, aber man kann nicht alle Aufzeichnungen, die zum Teil automatisch laufen, rückwirkend fälschen. Es wurde wohl eher nur sehr oberflächlich hingesehen“, moniert der Kollege aus Bayern.

Auch das Finanzamt hätte aus seiner Sicht Verdacht schöpfen können. „Zumindest in Bayern finden bei den meisten Zytostatika herstellenden Apotheken alle drei bis fünf Jahre lückenlose Betriebsprüfungen statt, die einen exorbitant nach oben abweichenden Gewinn hätten zeigen müssen. Auch hier hätte genaueres Hinsehen möglicherweise geholfen.“

Kritik übt Stadler aber auch an den von der Alten Apotheke belieferten Onkologen: Die wahrscheinlich deutlich erhöhte Zahl an Therapieversagern sowie das Fehlen von Nebenwirkungen bei den behandelten Patienten hätten aus seiner Sicht in den Praxen auffallen können. „Wie wird das Qualitätsmanagement, insbesondere die Qualitätskontrolle, in den betroffenen Praxen gelebt?“, fragt sich der Apotheker. Nicht zuletzt wundert sich Stadler auch, dass die vielen Mitarbeiter der Alten Apotheke nichts mitbekommen haben wollen – die beiden Whistleblower freilich ausgenommen.

Wenn Auffälligkeiten wie in diesem Fall nicht ernst genommen würden, seien auch Forderung nach neuen Gesetzen sinnlos. Die Kontrolle von Rückläufer seien gänzlich ungeeignet, da wohnortnahe und ad-hoc herstellende Apotheken erst nach erfolgter Freigabe der Praxis herstellten und entsprechend kaum Rückläufer hätten. Bei überregionalen Herstellern mit entsprechend Vorlauf in der Produktion stelle sich ohnehin die Frage, wie diese bisher mit Rückläufern umgegangen seien.

Außerdem sei bei der Kontrolle von Rückläufern, die vernichtet werden müssten, die Kostenfrage im Vorfeld zu klären. „Hinzu käme ein enormer Zeitdruck, da viele Wirkstoffe sehr instabil sind und auch aus diesem Grund nur mehr schwer nachweisbar sein könnten“, so Stadler. Der Apotheker hat wiederholt auf das Problem der Wirkstoffstabilität und mögliche Überschreitung der teilweise sehr kurzen Haltbarkeiten bei längerem Transport hingewiesen.

Stadler schlägt deshalb ein Komissionsmodell als Abrechnungssystem im Zyto-Bereich vor. Die herstellenden Apotheken würden die verwendeten Wirkstoffe danach nicht mehr selbst ein- und verkaufen. Sie hätten nur noch Kommissionsware an Lager, die erst nach beispielsweise sechs Monaten bezahlt oder zurückgeschickt werden müsste. Sie würden nur die verarbeiteten oder regelkonform verworfenen Wirkstoffmengen an die Kassen und an die Hersteller melden, die eine Kontrolle über die gelieferten und die abgerechneten Mengen hätten und zudem direkt miteinander abrechnen könnten.

Die Apotheken sollen nach diesem Modell von den Kassen nur noch eine Handlingspauschale erhalten. „Dieses System würde dazu führen, dass auch bei sehr teuren Wirkstoffen kein Anreiz bestünde, diese nicht zu verwenden, weil sie ja nicht mehr gewinnbringend abgerechnet werden könnten“, erklärt Stadler den Vorteil aus seiner Sicht. Er räumt aber ein, dass die Einführung eines derartigen Abrechnungssystems einige Umstellungen erfordern würde.

Immerhin wird seit dem Bekanntwerden des Zyto-Skandals auch bei der ABDA in diese Richtung gedacht. Als Konsequenz forderten die Apothekerverbände ein anderes Vergütungsmodell für Zyto-Apotheken. Künftig dürfe nur noch die Herstellung solcher Mittel vergütet werden, forderte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt im September. Geld sollten die Apotheker „nur noch für tatsächlich erbrachte Leistung“ bekommen und nicht mehr für die Wirkstoffe. Bei der Honorierung der Produktion würden „falsche Anreize gesetzt“.

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