Zyto-Margen

„100 Euro sind bei vollem Risiko nicht auskömmlich.“ Nadine Tröbitscher, 24.07.2023 11:30 Uhr

„Man kann es nicht einfach so darstellen, dass die Apotheken bei einzelnen Arzneimitteln zu viel verdienen. Das ist zu kurz gegriffen.“ Foto: Sempt-Apotheke
Berlin - 

Dass Apotheken mit der Zytostatika-Herstellung Geld verdienen, ist für Apotheker Dr. Franz Stadler nicht verwerflich. Zwar sind die Margen bei einigen onkologischen Arzneimitteln zu hoch, aber müssten Apotheken zum Einkaufspreis abrechnen, würden sich die Margenanteile nur verschieben, ist sich Stadler sicher. Was es braucht, ist eine praktikable Lösung.

Apotheker Robert Herold aus dem Vogtland sorgt derzeit für Wirbel. Er hat die hohen Zytomargen an die Öffentlichkeit gebracht. Zytoapotheken stehen am Pranger. Zu Unrecht, denn hinter dem Margenproblem steckt viel mehr.

Eine durchschnittliche Zytoapotheke macht laut Stadler rund 20 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Was sich erst einmal viel anhört, relativiert sich schnell. Denn: Die Gewinnmarge liege unter 5 Prozent. „Das finde ich nicht amoralisch“, so Stadler. Schließlich haften Apotheken für die Summe von 20 Millionen Euro. Stichworte: Bruch, Verfall, oder das Risiko, wenn ein Privatpatient verstirbt, die Nachkommen das Erbe ausschlagen und die Apotheke auf den Kosten sitzen bleibt. Nicht zu vergessen die möglicherweise nachträglich von den Kassen in Rechnung gestellten Rabatte. Bei Letzteren geht es um Preissenkungen, die auch schon mal nachträglich vorgenommen und den Apotheken zum Teil weit nach Herstellung in Rechnung gestellt werden. „Zytoapotheken tragen ein großes Risiko“, so Stadler. Gegenüber den in der Industrie üblichen Gewinnmargen werde ständig mit unterschiedlichen Maßstäben argumentiert. Hinzukommt die Investition, die getätigt werden muss, um einen Reinraum einzurichten. Rund 500.000 Euro müssen Apotheken dafür vorfinanzieren.

„Man kann es nicht einfach so darstellen, dass die Apotheken bei einzelnen Arzneimitteln zu viel verdienen. Das ist zu kurz gegriffen.“

Für Stadler greift die bisherige Margendiskussion zu kurz. Denn: „Die Zytostatikaherstellung ist eine Mischkalkulation.“ Dass Arzneimittel mit einer Marge von 1.000 Euro abgerechnet würden, komme vor, sei aber nicht die Regel. „Bei patentgeschützten Wirkstoffen verdiene man auch viel weniger bis nichts.“ Schließlich hänge es davon ab, welche Wirkstoffe von der Praxis verordnet werden.

Die hohen Margen seien dennoch das Grundproblem, so Stadler und er erklärt auch warum. „Die Margen sind zu groß, weil die Preise für patentierte Arzneimittel zu hoch sind. Fällt das Patent, beginnt zwischen den einzelnen Playern (Krankenkassen, Ärzte, Apotheken, Zwischenhändlern, Pharmazeutische Unternehmen) der Kampf um Marktanteile und mögliche Rabatte.“ Selbst wenn Apotheken zum Einkaufspreis abrechnen müssten, würde sich am Abrechnungspreis kaum etwas ändern. Die Marge würde sich nur anders verteilen, ist sich Stadler sicher.

Und die 100 Euro Arbeitspreis? Die sind laut Stadler nicht auskömmlich, wenn das Risiko der enormen Arzneimittelpreise getragen werden müsse.

Zwar ist Stadler mit Herold in puncto hoher Margen einer Meinung, dennoch müsse ein angemessener Ertrag bei den Apotheken hängen bleiben, der im Verhältnis zum Risiko steht. „Es ist notwendig, dass Zytoapotheker mehr verdienen als Nicht-Zytoapotheker. Sie tragen ein deutlich höheres Risiko.“ Gewinnerwartung und Risikobereitschaft korrelieren.

Was ist also die Lösung? Für Stadler kann das ein Kommissionsmodell sein. „Apotheker sind dann aus der Schusslinie“ – und bekommen eine saubere Herstellungspauschale. Pro Zubereitung müssten mindestens 150 Euro abgerechnet werden können – natürlich auch indexiert. Und so könnte das Modell funktionieren. Die Kassen verhandeln die Preise der Wirkstoffe direkt mit den Herstellern. Die Zytoapotheke bekommt auf Kommission das an Wirkstoffen geliefert, was für die Herstellung benötigt wird, und rechnet über die verantwortliche Kasse die verbrauchte Wirkstoffmenge ab, ohne die Kosten der Arzneimittel vorzufinanzieren. So wäre das Risiko minimiert, aber auch der notwendige Deckungsbeitrag reduziert.

Den Vorschlag der AOK, wieder Ausschreibungen durchzuführen, lehnt Stadler ab. Denn dies führe nur zu einer Konzentrierung. Wohnortnahe zubereitende Apotheken würden verdrängt und so die Versorgung der Patient:innen alles andere als patientenbezogen und qualitativ hochwertig. „Ausschreibungen werden nicht funktionieren“, stellt Stadler klar und verweist auf das Beispiel der Generika. Zudem würden durch verschiedene verbindliche Ausschreibungsgewinner, der organisatorische Ablauf in den einzelnen Arztpraxen stark verkompliziert und letztlich auch mehr unvermeidliche Verwürfe produziert. Der Apotheker hat zum Thema Verwürfe über ein Jahrzehnt mit der AOK Bayern einen Prozess geführt und gewonnen.