Kaum ein Segment der Arzneimittelversorgung hat in den vergangen Monaten eine so dynamische Veränderung durchlebt wie die individuell hergestellten Parenteralia-Rezepturen. Mit dem Ziel, die Kosten zu reduzieren und die Transparenz zu erhöhen, hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) die Preisbildungs- und Abrechnungsvorschriften im Sommer vergangenen Jahres auf komplett neue Füße gestellt.
Das Prinzip: Die Apotheken werden bei der Abrechnung in ein enges Korsett gezwängt, beim Einkauf aber an der langen Leine gelassen. Auf diese Weise sollen sie bei den Generikaherstellern Rabatte aushandeln und den Kassen zeigen, wie viel Luft noch im System ist. Ausschreibungen könnten zusätzlichen Druck bringen.
Während Krankenhausapotheken seit jeher ihre Konditionen frei mit den Herstellern verhandeln konnten, galten für Offizinapotheken mit Sterillabor im ambulanten Bereich bislang feste Einkaufspreise. Damit ist nun Schluss: Seit der AMG-Novelle sind Fertigarzneimittel, die in parenteralen Rezepturen verarbeitet werden, generell von der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) befreit. Es dürfen also wieder Barrabatte verhandelt werden. Dem Geschick der Apotheken sind keine Grenzen gesetzt.
Nicht die Apotheker, sondern die Kassen sollen aber von den Verhandlungen profitieren: Für den Fall, dass sich Kassen und Apotheker nicht auf eine Hilfstaxe einigen, muss die Apotheke nach den neuen Vorschriften deshalb ihre tatsächlich vereinbarten Einkaufspreise, höchstens jedoch den Taxe-EK, zuzüglich Fixhonorar berechnen.
Aktuell gibt es jedoch eine Vergütungsvereinbarung. Nach monatelangen Verhandlungen hatten sich die Vertragsparteien Ende vergangenen Jahres auf Abrechnungspreise und Arbeitszuschläge geeinigt. Auch hier gab es grundlegende Änderungen: Die eingesetzten Teilmengen müssen milligrammgenau abgerechnet werden; dazu kommen Zuschläge, die je nach Art der parenteralen Zubereitung zwischen 39 und 69 Euro liegen.
Einen prozentualen Zuschlag gibt es nicht mehr, dafür müssen die Apotheken den Kassen bei Generika einen Rabatt von 10 beziehungsweise 35 Prozent (Calciumfolinatlösungen) auf den zweitgünstigsten Apothekeneinkaufspreis gewähren. Den können - und sollen - sie sich bei den Herstellern wiederholen.
Die Generikafirmen befürchten eine degressive Preisspirale: Zwar bilden sich die Nachlässe nicht unmittelbar in der Taxe ab; nach wie vor kann die Industrie ihre Taxpreise selbst bestimmen. Allerdings müssen sowohl Hersteller als auch Apotheker den Kassen auf Anfrage künftig Auskunft über die tatsächlich ausgehandelten Einkaufspreise geben.
Auf diese Weise können sich die Kassen für neue Verhandlungen mit den Apothekern munitionieren: Stehen allzu hohe Nachlässe in den Büchern, könnte der Apothekenrabatt steigen. Dann müssten die Pharmazeuten erneut bei den Herstellern anklopfen, das Rad dreht sich von vorn.
Änderungen sind relativ kurzfristig möglich: Die neue Anlage 3 der Hilfstaxe kann mit einer Frist von sechs Wochen jeweils zum Quartalsende gekündigt werden, und zwar neuerdings für jede einzelne Stoffgruppe separat.
Nicht alle Kassen wollen so lange warten: Die AOK Berlin-Brandenburg hat die Belieferung onkologischer Praxen mit parenteralen Rezepturen in Berlin ausgeschrieben. Das Zuschlagskriterium ist der niedrigste Preis für das Gesamtpaket - hier überlassen die Kassen den Apotheken die Alleinverantwortung.
Auch bei Rezepturen für Privatpatienten könnten die Apotheker nach drastischen Honorarkürzungen auf Preisverhandlungen mit den Firmen drängen: Konnten bislang ein Festzuschlag von 90 Prozent auf den Apothekeneinkaufspreis plus Rezepturzuschlag von zwei bis zehn Euro abgerechnet werden, gelten nun im PKV-Bereich die neuen Vorschriften nach AMPreisV.
Weitere Einschnitte sind nicht auszuschließen, zumal auch die Privatversicherer neuerdings Vereinbarungen analog zur Hilfstaxe schließen können - mit entsprechenden Anreizen für Preisverhandlungen.
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