Nächster Rückschlag für die Apotheker: Die circa 300 Zyto-Apotheker erhalten ab November 2017 rückwirkend deutlich weniger Honorar. Um knapp 200 Millionen Euro wird das Honorar für die parenterale Herstellung durch den Schiedsspruch zur Hilfstaxe gekürzt. Noch liegen die Details des Schiedsspruchs nicht vor. Der Deutsche Apothekerverband (DAV) sieht die flächendeckende Zyto-Versorgung in Gefahr und hat bereits Widerstand angekündigt.
„Der Deutsche Apothekerverband (DAV) kann die am 19. Januar 2018 von der Schiedsstelle nach § 129 Abs. 8 SGB V gefällte Entscheidung zur sogenannten Hilfstaxe nicht mittragen“, kommentiert der DAV das Ergebnis. Die Umsetzung des durch die Zustimmung der Krankenkassenvertreter und der unparteiischen Schiedsstellenmitglieder gefassten Mehrheitsbeschlusses gefährde die flächendeckende Versorgung der Patienten mit onkologischen parenteralen Zubereitungen (Zytostatika).
Laut DAV hat die Ablehnung des Schiedsspruches mehrere Gründe: Erstens seien die pauschalen Abschlagssätze vom Einkaufspreis bei der Abrechnung mit den Krankenkassen zu hoch für die Apotheken, und die Regelung für den Fall, dass der Apotheker den vereinbarten Abschlag im Einkauf nicht realisieren kann, sei nicht ausgereift. „Die daraus resultierenden finanziellen Risiken sind nicht abschätzbar“, so der DAV. Zweitens sei der Antrag des DAV zur Erhöhung des Arbeitspreises abgelehnt worden und „drittens gelten die Regelungen des Schiedsspruches rückwirkend ab 1. November 2017“. Dadurch werde in bereits abgerechnete Fälle eingegriffen.
„Wir lehnen das Ergebnis des Schiedsverfahrens ganz klar ab“, sagt DAV-Vorsitzender Fritz Becker: „Die Krankenkassen haben gesetzlich die Möglichkeit bekommen, Rabattverträge mit den Herstellern von Wirkstoffen für Krebsrezepturen abzuschließen. Wir fordern die Kassen auf, am Markt vorhandene Einsparpotentiale auf diesem Wege zu generieren und nicht die bundesweit etwa 300 Schwerpunktapotheken mit speziellem Reinraumlabor über zu hohe Abschläge und nicht ausreichend flankierende Regelungen einem unkalkulierbaren finanziellen Risiko auszusetzen.“
Insgesamt, so Becker, gehe das Schiedsergebnis auch systematisch in eine falsche Richtung: „Wir wollten eine Vergütungsvereinbarung, die die Arbeitsleistung der Apotheken anerkennt und von der alten Praxis wegführt, dass Apotheken ihre Wirtschaftlichkeit über Einkaufskonditionen sichern müssen. Leider ziehen die Kassen hier nicht mit." Der DAV wird die Sachlage jetzt bewerten und über das weitere Vorgehen entscheiden, so Becker. Auch eine Klage dagegen ist nicht ausgeschlossen.
Die Neuverhandlung der Hilfstaxe („Vertrag über die Preisbildung für Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen laut §§ 4 und 5 der Arzneimittelpreisverordnung“) war nötig geworden, nachdem das im Jahr 2017 in Kraft getretene Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) apothekenexklusive Zytostatika-Ausschreibungen der Kassen verboten, dafür aber Rabattverträge zwischen Kassen und Herstellern neu eingeführt hatte. Seit dem Sommer streiten DAV und GKV-Spitzenverband über die Festsetzung der Hilfstaxe. Dazu hatte der Gesetzgeber beide Seiten mit dem Verbot der Zyto-Ausschreibungen verpflichtet.
Die Schiedsstelle unter Leitung von Dr. Rainer Hess hatte ihre Arbeit aufgenommen, nachdem DAV und GKV-Spitzenverband das Scheitern ihrer Verhandlungen erklärt hatten. Schon da zeichnete sich eine längere Kompromisssuche ab. Die Materie ist kompliziert. Von Schiedsstellenchef Hess ist bekannt, dass er zunächst versucht, einen Kompromiss zu vereinbaren. Bei den letzten Verhandlungen über den Retax-Deal gab es sogar vier Anläufe. Die Gespräche zogen sich über Monate hin. Im Fall der Hilfstaxe sah das Gesetz zudem keine Frist für den Schiedsspruch vor.
Ende August waren die Verhandlungen zwischen DAV und GKV-Spitzenverband über die Hilfstaxe gescheitert. Mit dem Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG) hatte die Bundesregierung Ausschreibungen für die Zyto-Versorgung verboten. Stattdessen können die Kassen auf der einen Seite mit den Herstellern der Wirkstoffe Rabattverträge abschließen. Auf der anderen Seite wurden DAV und Kassen vom Gesetzgeber beauftragt, die Hilfstaxe neu zu verhandeln.
Die bisherige Hilfstaxe bildet im Prinzip den Einkaufspreis der Wirkstoffe und den „Arbeitspreis“ für die Dienstleistung des Apothekers ab. Bei generikafähigen Wirkstoffen wird der Preis des zweitgünstigsten Einkaufspreises als Berechnungsgrundlage gewählt. Darauf gibt es unterschiedliche Rabatte und Abschläge. Der Arbeitspreis für die Apotheker schwankt je nach Art der Zubereitung zwischen 39 und 81 Euro. Seitenlang geregelt wird in der Hilfstaxe der Umgang mit den Verwürfen, deren Abrechnung mit den Rabattverträgen ausgeschlossen wurde. Das alles lag auf dem Verhandlungstisch und muss neu geregelt werden.
Keine Rolle gespielt hat in den Verhandlungen der Schiedsstelle das kurz vor Weihnachten veröffentlichte Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) zum Apothekenhonorar. Darin empfahlen die Gutachter auch eine Kürzung der Honorare für die Zytostatikaherstellung: „Im Bereich der parenteralen Zuschläge rechtfertigen die Angaben der Zyto-Apotheken zu ihren zeitlichen Aufwänden auch in Kombination mit der Berücksichtigung der in diesen Apotheken um 40 Prozentpunkte erhöhten Kostenstruktur nicht die bisherigen Zuschläge“, heißt es dort.
Die sehr hohen Betriebsergebnisse der Zyto-Apotheken zeigten ebenfalls im „Sinne des Wirtschaftlichkeitsgebots unverhältnismäßig hohe Zuschläge für parenterale Lösungen“. „Es wird empfohlen, die kostendeckend berechneten Zuschläge anzuwenden“, so die 2hm-Gutachter. Statt 33 bis 49 Euro sollen Zyto-Apotheken nur noch 22 bis 32 Euro abrechnen dürfen.
Deutlich zu viel Honorar erhalten aus Sicht der Gutachter daher vor allem Zytostatika herstellende Apotheken. Statt kostendeckende 177,3 Millionen Euro erhielten die 300 Zyto-Apotheken 410,4 Millionen Euro: „Die kostendeckende Vergütung ist weniger als die Hälfte der bisherigen Zuschläge.“ Der jährliche Gewinn der Zyto-Apotheke liege trotz hoher Kostenstruktur in der Regel bei „0,5 bis 1,8 Millionen Euro. 25 Prozent der Zyto-Apotheker verdienen mehr, im Extrem bis zu sieben Millionen Euro im Jahr 2015.“
Bereits im Herbst 2016 hatte der DAV den Kassen einen Rabatt von 150 Millionen Euro im Rahmen der Hilfstaxe angeboten. Darauf hatten sich dieKassen aber nicht eingelassen. Nach Einschätzung von Verhandlungsteilnehmern liegt finanzielle Ergebnis des Schiedsspruchs über dem Rabattangebot des DAV und vermutlich knapp unterhalb von 200 Millionen. Wegen der komplizierten Materie kann das exakte Honorar erst in Kürze abgeschätzt werden.
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