Mit Light-Filialen will Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den Apothekenmarkt reformieren, ein Vorbild sind die sogenannten Zweigapotheken. Davon gibt es derzeit noch elf Stück in Deutschland – allesamt Relikte aus längst vergangenen Zeiten oder Sonderfälle, die wohl kaum als Blaupause für eine Modernisierung des Gesundheitswesens taugen.
Geografisch verteilen sich die Zweigapotheken wie folgt:
Der eigentliche Zweck, mit Zweigapotheken einen „Notstand in der Arzneimittelversorgung“ zu verhindern, scheint dabei nicht im Vordergrund zu stehen. Denn bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass sich die verbliebenen Standorte einteilen lassen in:
Zu DDR-Zeiten gab es sogenannte Ausgabestellen, die durch Pharmazieingenieure geführt werden durften. Im Einigungsvertrag wurde für diese Konstellationen sogar eine Übergangsregelung vereinbart mit dem Ziel, die Standorte perspektivisch mindestens in Zweigapotheken umzuwandeln.
In den meisten Bundesländern sind die Zweigapotheken mittlerweile Geschichte: Die Genehmigung, die alle fünf Jahre neu beantragt werden muss, wurde ab der Zulassung von Filialen im Jahr 2004 beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern nicht mehr verlängert, in Thüringen etwa gingen die letzten vier Zweigapotheken 2007 vom Netz.
Auch in Sachsen-Anhalt gab etwa die Burg-Apotheke aus Querfurt vor einigen Jahren ihre Niederlassung in Osterhausen auf. Die Einhorn-Apotheke in Goldbeck als Zweigapotheke der Adler-Apotheke in Arneburg musste vor etwa drei Jahren geschlossen werden. Inhaber Stephan Schwieterka konnte keine Approbierte mehr finden, die den Posten übernehmen wollte.
Eine letzte Zweigapotheke gibt es in Sachsen-Anhalt noch: In Stendal betreibt Inhaber Sebastian Jankow die Apotheke am Stadtsee, im 27 Kilometer entfernten Ortsteil Uchtspringe führt er die Rosen-Apotheke. Das Besondere: Aus der Zweigapotheke heraus werden sogar ein Heim und das Fachklinikum Uchtspringe Salus hinsichtlich Substitution versorgt.
Nur in Brandenburg gibt es noch vier Zweigapotheken; sie genießen sozusagen einen unausgesprochenen Bestandsschutz. Auch hier reicht die Geschichte teilweise zurück bis zu den Notapotheken, die nach dem Krieg eröffnet wurden. Kammer und Behörde sehen sich hier mit erheblichen Herausforderungen bei der Versorgung im ländlichen Raum konfrontiert; vor vier Jahren wurde nach der Schließung der letzten Apotheke in Niemegk sogar über die Einrichtung einer kommunalen Not-Apotheke diskutiert.
Um solche Lösungen zu vermeiden, wurden die Genehmigungen auch immer wieder durch das Landesamt für Gesundheit verlängert. Während einige Betriebe aufgrund der Historie wohl sogar eine Rezeptur aufweisen, sind die Verkaufsräume mitunter sehr klein. Und während gewisse Kompromisse gemacht werden, gelten bei den Öffnungszeiten die Vorgaben nach Allgemeinverfügung. Wohl auch aus diesem Grund musste eine fünfte Zweigapotheke Ende vergangenen Jahres geschlossen werden: Der Inhaber brauchte das Personal für seine beiden anderen Apotheken.
Zurzeit gibt es im Bundesgebiet zwei Zweigapotheken als Flughafenapotheken. Inhaber Elmar Arnold betreibt die Apotheke am internationalen Flughafen Frankfurt am Main, Dr. Stephan Schreiner die in Düsseldorf. Beide Apotheken zählen zur Metropolitan Group, die seit 1992 an deutschen Flughäfen die Versorgung sichert.
Die Apotheken haben täglich geöffnet und versorgen eine Vielzahl von Menschen. Im Sinne einer Notversorgung ist die Flughafenapotheke ein Sonderfall für sich, der beim Inkrafttreten des Konzepts Zweigapotheke zwar nicht bedacht wurde. Im Fall der Zweigapotheke in Frankfurt am Main stellte die spezifische Apothekenform aber den einzigen Weg dar, die Arzneimittelversorgung für Millionen von Menschen zu sichern. Der Flughafen wurde in den 1970er Jahren gebaut, die Retail-Fläche ist begrenzt und somit die für Apotheken geforderten Mindestfläche von 110 Quadratmeter nicht zu erfüllen. Insofern ist die Apotheke – was den Frankfurter Flughafen angeht – auf das Konzept der Zweigapotheke angewiesen.
In Schleswig-Holstein und Niedersachsen finden sich die beiden existierenden Zweigapotheken auf Inseln: Auf Baltrum gibt es die einzige saisonale Apotheke in Deutschland mit Öffnungszeiten von März bis November. Jeden Tag hat die Apotheke dann offen: mindestens eine Stunde an Sonn- und Feiertagen, montags bis samstags zweieinhalb Stunden am Vormittag und bis auf Mittwoch auch noch mal zwei Stunden am Nachmittag. Doch auch sonst ist immer eine Apothekerin zu erreichen: Die Verwalterin, die der Liebe wegen auf die Insel gezogen ist, kümmert sich um alles, was anfällt. Außerhalb der Saison ist sie mindestens telefonisch zu erreichen und betreut die Rezeptsammelstelle der Insel.
Die Apotheke gehört zu der Apotheke Dornum auf dem Festland von Silke Hellberg. Zum Jahreswechsel 2015/16 ging der frühere Inhaber Dr. Ulrich Räth in Rente und war froh, nach monatelanger Suche eine Nachfolgerin für die Insel-Apotheke gefunden zu haben.
Eine weitere Zweigapotheke befindet sich ebenfalls auf einer Nordseeinsel: Auf Pellworm betreibt Apotheker Gerd Paulsen die Insel-Apotheke. Diese gehört zur Schwan-Apotheke in Husum und zwei Verwalterinnen kümmern sich dort um alles. Eigentlich war dort Apothekerin Ulrike Schulze als Verwalterin eingesetzt, als Elternzeitvertretung wurde dann Apothekerin Heike Lücking engagiert. Inzwischen teilen sich die beiden Apothekerinnen die Stelle zu einem und zwei Dritteln. Lücking ist für den Vertretungsjob extra auf die Insel gezogen – und geblieben, weil es so schön ist. Auch die Notdienste der Apotheke müssen die Apothekerinnen gemeinsam abdecken.
Nur eine einzige Zweigapotheke gehört damit nicht in die Kategorie der Sonderfälle: In Niedersachsen kann sich seit 1980 die Amt-Apotheke in Ottenstein, nahe Bad Pyrmont, halten. Dass sich der Ableger der Burg-Apotheke im zehn Kilometer entfernten Polle in der kleinen Gemeinde mit etwa 1200 Einwohner:innen überhaupt halten kann, liegt vor allem am Arzt gegenüber – und an einem anonymen Spender, der die gesundheitliche Versorgung im Ort gesichert haben wollte.
*Anmerkung der Redaktion: In früheren Versionen des Beitrags hieß es, dass Hr. Arnold beide Zweigapotheken leitet. Darüber hinaus sei im Fall der Zweigapotheken in Flughäfen besonders, dass in beiden Fällen das Prinzip der räumlichen Nähe zwischen Haupt- und Filialapotheke nicht eingehalten werde. Tatsächlich wird die Zweigapotheke in Düsseldorf von Hr. Dr. Schreiner geleitet und die räumliche Nähe wird eingehalten. Die Zweigapotheken befinden sich in nur kurzer Laufentfernung von der jeweiligen Hauptapotheke. Wir bitten, diese Fehler zu entschuldigen.
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