Zuzahlungen

DocMorris mit Testkauf überführt?

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Berlin -

Die Krankenkassen lehnen es ab, DocMorris und die Europa Apotheek Venlo (EAV) wegen mutmaßlicher Verstöße gegen den Rahmenvertrag von der Versorgung auszuschließen. Hier ist eigentlich die Einhaltung der Preisbindung gefordert. Doch laut Stellungnahme des GKV-Spitzenverbands wirkt sich das EuGH-Urteil zu Rx-Boni auch auf den Rahmenvertrag aus. Eine Gruppe von Apothekern fordert dennoch Sanktionen gegen DocMorris und hat dem Kassenverband nun neue Beweise vorgelegt.

Mitte November hatten neun Apotheker erstmals den Ausschluss der beiden niederländischen Versender von der Versorgung von Kassenpatienten für zwei Jahre gefordert. Die Kanzlei Hönig und Partner aus Leipzig hatte in ihrem Auftrag ein Gutachten erstellt und Verstöße gegen Vorgaben des Rahmenvertrags moniert. Es geht um die jeweiligen Bonus-Modelle von DocMorris und der Europa Apotheek.

Zwar hatte der EuGH ausländische Versender von der Preisbindung freigestellt, die Bonusmodelle seien aber dennoch „als gröbliche und wegen ihres fortdauernden Einsatzes auch als wiederholte Verstöße gegen Rahmenvertrag zu sehen“, schrieb Hönig und Partner. Ausländische Versandapotheken stünden nach dem EuGH-Urteil vor der Wahl: Einzelvertrag ohne Herstellerrabatterstattung oder Rahmenvertrag mit Preisbindung. Eine „Rosinenpickerei“ sei ausgeschlossen. Mit dem Beitritt zum Rahmenvertrag hätten sich die Versender verpflichtet, die AMPreisV einzuhalten.

Der GKV-Spitzenverband ist nach einer internen Prüfung dagegen zu dem Ergebnis gekommen, dass weder gegen DocMorris noch die EAV Sanktionen nach dem Rahmenvertrag zu ergreifen sind. Denn nach dem EuGH-Urteil sei auch der Rahmenvertrag „europarechtskonform dahingehend auszulegen, dass im EU-Ausland ansässige Apotheken im grenzüberschreitenden Versandhandel Boni gewähren dürfen“.

Dem EuGH zufolge werde damit Wettbewerbsgleichheit hergestellt, zitiert der GKV-Spitzenverband die Begründung der Luxemburger Richter. „Diese nach dem EuGH erforderliche Wettbewerbsgleichheit kann dann nicht durch vertragliche Sanktionen wieder gestört werden“, so der Kassenverband. Die Vertragspartner seien an EU-Recht und die EuGH-Rechtsprechung gebunden.

Der GKV-Spitzenverband verlässt sich auf die Aussagen der Versandapotheken: „Die Zuzahlungen […] werden nach den Angaben von DocMorris bei den Versicherten eingezogen und mit den Krankenkassen verrechnet.“ Auch die EAV verzichte nach eigenen Angaben nicht auf den Einzug der Zuzahlungen gemäß dem Sozialgesetzbuch (SGB V).

Die Rechtsabteilung des Kassenverbands sieht daher keinen Grund für Sanktionen: „Unserer Kenntnis nach gestalten DocMorris und die EAV ihren Vertrieb – bis auf die Bonigewährung – auch nach dem EuGH-Urteil weiterhin unter Anwendung der deutschen Preisvorschriften und verstoßen auch im Übrigen nicht gegen den Rahmenvertrag.“ Dieser sei europarechtskonform auszulegen, wie auch das Bundessozialgericht schon bestätigt habe. „Von daher kann die Gewährung von Boni nicht sanktioniert werden“, so das Fazit des GKV-Spitzenverbands.

Mit dieser Erklärung wollten sich die von Hönig und Partner vertretenen Apotheker aber nicht abspeisen lassen. Denn wenn DocMorris gegenüber den Kassen behaupte, die Zuzahlung ordnungsgemäß einzuziehen, dann sei dies „nachweislich falsch“. DocMorris verstoße nicht nur gegen die Verpflichtungen des Rahmenvertrags, sondern täusche die Krankenkassen auch vorsätzlich über die Einziehung der Zuzahlung, heißt es in einen neuen Schreiben an den GKV-Spitzenverband.

Ein Testkauf bei DocMorris soll dies belegen: Ein zuzahlungspflichtiger GKV-Versicherter erhalte eine Rechnung, einen Zuzahlungsnachweis und eine Übersicht über das Kundenkonto. Auf der Rechnung sei die Zuzahlung vermerkt sowie der Hinweis: „Die offene Forderung ist mit Erhalt der Rechnung fällig.“ Weil das Blatt mit Rechnungsnummer und -datum versehen sei sowie als „Seite 1/1“ gekennzeichnet ist, entstehe der Eindruck, der Patient habe nur die Rechnung erhalten, schreibt Rechtsanwalt Fabian Virkus von Hönig und Partner.

Mit dem Nachweis werde lediglich die Zahlung bestätigt. Einen Hinweis, dass die Zuzahlung nicht vollständig eingezogen werde, gebe es nicht. In der Übersicht zum Kundenkonto – ebenfalls auf einer Einzelseite – würden die Boni als Guthaben gelistet und mit der Forderung verrechnet, selbst wenn diese nur aus der Zuzahlung bestehe.

Im Kundenkonto werde die Rechnungsnummer wiederum nicht genannt, belegt Virkus. Damit werde verschleiert, dass die Zuzahlung nicht oder nicht vollständig eingezogen werde, so der Vorwurf. Der Krankenkasse sei es so unmöglich, ihrem Versicherten nachzuweisen, dass die Zuzahlung nicht voll bezahlt wurde. „So werden dem Patienten auch im Falle der Aufdeckung der Zuzahlungsverkürzungen die heraus resultierenden Vorteile gesichert“, schreibt Hönig und Partner.

Die Kanzlei zitiert ein Urteil des Landgerichts (LG) Ravensburg, wonach DocMorris die Zuzahlung nicht vollständig einziehe und diesbezüglich falsch abrechne. „Vor diesem Hintergrund überrascht es, dass Sie die Behauptungen der DocMorris N.V. beanstandungslos übernommen haben“, heißt es im Schreiben an den GKV-Spitzenverband.

Anwalt Virkus zitiert anschließend noch eine Entscheidung des LG Stuttgart. In diesem Verfahren ging es um die Freiumschläge von DocMorris. Aus Sicht der Richter hätte die Versandapotheke in diesem Zusammenhang eine Telefonnummer des Kunden für etwaige Rückfragen abfragen müssen. Dies sei aber nicht geschehen. Das Versandhandelskonzept, so Hönig und Partner, gefährde damit die Arzneimittelsicherheit.

Deshalb und wegen der aufgezeigten Täuschung bei der Zuzahlung fordern die Apotheker den GKV-Spitzenverband auf, DocMorris von der Versorgung auszuschließen. Eine Frist ist bis zum Monatsende gesetzt. Ob sich die Kassen nach ihrer letzten Stellungnahme nun überzeugen lassen, bleibt abzuwarten.

Laut Hönig und Partner unterstützen mittlerweile rund 180 Apotheker mit rund 250 Apotheken die Initiative, außerdem die Kooperationen Migasa und die Guten-Tag-Apotheken von Elac Elysée sowie die Beratungsfirma Bade Consulting. Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas von der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen habe die Sache zudem unterstützt, indem er wichtige Urteile gegen DocMorris erwirkt habe, so Virkus. Jetzt warte man auf Antwort vom GKV-Spitzenverband.

DocMorris hatte in der Vergangenheit argumentiert, der Bonus sei getrennt von der Zuzahlung zu betrachten. Wie Hönig und Partner vertritt dagegen auch Rechtsanwalt und Steuerberater Dr. Joachim Wüst von der Kölner Kanzlei PNHR Dr. Pelka und Sozien die Ansicht, dass Versandapotheken, die Rx-Boni nicht ausweisen, wegen Beihilfe zum Versicherungsbetrug belangt werden könnten. „Und das wäre ein Fall für den Staatsanwalt.“ Die Kassenchefs könnten sie wegen vorsätzlicher Untreue zur Rechenschaft gezogen werden. „Der richtige Weg in diesem Fall wäre die Anzeige. Die Apotheker haben die Chance, richtig Druck in den Kessel zu bringen.”

Auch an der zweiten Front stehen die niederländischen Versender unter Druck. Kohlpharma sieht nicht ein, DocMorris den Herstellerrabatt zu erstatten, solange nicht alle Bestimmungen aus dem Rahmenvertrag eingehalten werden. Der Importeur hat die Versandapotheke verklagt, um die in den vergangenen Jahren überwiesenen Beträge zurückzubekommen.

Rückendeckung gab es vom Bundessozialgericht (BSG): DocMorris müsse sich nicht der Preisbindung unterwerfen; diesen Wettbewerbsvorteil habe der EuGH im Ausland ansässigen Apotheken zuerkannt. „Das spricht aber nicht dafür, dass ausländischen Apotheken zusätzlich zu diesen Wettbewerbsvorteilen noch die sich aus dem deutschen Arzneimittelpreisrecht ergebenden Vorteile zu gewähren sind, solange diese Apotheken das Arzneimittelpreisrecht nicht insgesamt akzeptieren“, hieß es in einem Beschluss zu einem entsprechenden Verfahren.

Vor einem Monat hatte der Steuerberater und Rechtsanwalt Dr. Bernhard Bellinger im Auftrag mehrerer Apotheker alle großen Verbände der Pharmaindustrie angeschrieben. Weil sich DocMorris nicht an die Preisbindung hält, sollen die Hersteller der Versandapotheke auch den Herstellerabschlag nicht mehr erstatten, so der Aufruf.

Wie viele Unternehmen diesem Aufruf gefolgt sind, ist nicht bekannt. Aus Sicht des GKV-Spitzenverbands fallen die Herstellerabschläge jedenfalls trotz Boni-Gewährung an – auch das geht aus der Antwort des Verbands an Hönig und Partner hervor. Auch der BKK Dachverband sieht die EU-Versender in der Pflicht, die Abschläge abzuführen, fordert aber eine Klarstellung.

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