Zuzahlungen: Apothekerin rennt Geld hinterher Sandra Piontek, 05.10.2023 10:14 Uhr
Das Inkasso für die Krankenkassen übernehmen Apotheken seit Jahren, ohne dafür in irgendeiner Weise entschädigt zu werden. Laut Abda wurden alleine im vergangenen Jahr 2,363 Milliarden Euro an Zuzahlungen eingezogen und über die Apothekenrechenzentren weitergeleitet – kostenfrei. „Keine andere Inkassofirma arbeitet ohne Bezahlung. Die Kassen nutzen einfach ihre Macht aus, unter partnerschaftlicher Zusammenarbeit stelle ich mir etwas anderes vor“, ärgert sich eine Inhaberin aus Rheinland-Pfalz.
Die Inhaberin beliefert etliche Heimbewohner. Darunter sind auch Versicherte der AOK Baden-Württemberg. Es gebe bei dieser Kasse immer wieder große Probleme bezüglich Zuzahlungen, die nicht vom Patienten selbst bezahlt wurden – trotz Mahnungen: „Wenn ich den Versicherten angemahnt habe, die Zuzahlung aber trotzdem nicht geleistet wurde, ist eigentlich die Kasse des Versicherten dafür zuständig, mir die offene Zahlung zu erstatten“, so die Inhaberin. Dabei können nicht geleistete Zuzahlungen verschieden Gründe haben: „Manche Patienten versterben oder sind doch zuzahlungsbefreit gewesen zum Zeitpunkt der Rezeptbelieferung“, so die Inhaberin.
Ständiges Hinterher-Gerenne
Erfolgt seitens der Patient:innen keine Zahlung, so versucht die Apothekerin dies gegenüber der Kasse geltend zu machen. „Es ist mitunter schwierig. Man muss ständig hinterher sein, und jede Kasse hat ein anderes Verfahren.“ Besonders die AOK BW mache ihr das Leben schwer: „Ich soll die Rezepte erst bedrucken, wenn die Zahlung erfolgt ist. Das ist schlichtweg katastrophal. Wir haben etliche Heimbewohner:innen, die wir versorgen, und demnach auch etliche Rezepte. Ich kann diese nicht ewig in irgendeinem Kästchen liegenlassen“, ärgert sich die Inhaberin. Das Hin und Her mit der AOK BW ziehe sich schon einige Zeit: „Ich habe bestimmt schon zehn Mal geschrieben und mein Geld gefordert. Einmal hatte ich Glück und etwa 800 Euro zurückbekommen. Aber das kann nicht jeden Monat so gehen“, so die Inhaberin.
Besonders geärgert habe sie sich, als die Kasse behauptet habe, es würde eine Festlegung zu diesem Verfahren geben: „Ich wollte gern, dass sie mir das Schriftstück dazu schicken, aber es wurde frech behauptet, es wäre aus Datenschutzgründen nicht möglich. Ich bin der Meinung, die haben sich das nur ausgedacht, es gibt gar kein solches Dokument.“ Um sich Hilfe zu holen, rief sie schließlich beim zuständigen Landesapothekerverband an. „Ich habe darum gebeten, dass das Problem mit der AOK BW geklärt wird.“ Man habe sich mit der Kasse in Verbindung gesetzt und werde den Sachverhalt bearbeiten, hieß es.
Reine Schikane
Es gehe mit solchen Verfahren viel Geld für die Apotheken verloren: „Für mich ist das reine Schikane. Die Kassen nutzen hier klar ihre Macht aus. Bei einzelnen Rechnungen fällt eine nicht geleistete Zuzahlung über 5 Euro vielleicht nicht so ins Gewicht, aber nehme ich das pro Monat auf sämtliche Patient:innen mal zusammen, fehlt mir viel Geld“, so die Apothekerin. Kosten entstehen auch für die Mahnungen: „Jede einzelne Mahnung kostet mich Briefporto und zusätzlich Zeit. Ich fasse jeden Vorgang somit mindestens zweimal an.“
Noch dazu sei es gar nicht möglich, die Rezepte über einen längeren Zeitraum liegen zu lassen: „Sie müssen gemäß Arzneilieferungsvertrag zwischen dem Apothekerverband Rheinland-Pfalz und der AOK BW die Rezepte bis zum Ende des auf die Abgabe folgenden Monats abrechnen“, hieß es in einem Schreiben der Kasse an die Apothekerin. Sie habe demnach im Schnitt sechs Wochen Zeit. „Darüber hinaus gewährt der Arzneilieferungsvertrag einen weiteren Monat Zeit, bevor irgendeine Vertragsmaßnahme in Frage kommt. Sie haben also zwei bis drei Monate Zeit für die Abrechnung des Rezepts“, heißt es weiter.
In diesem Zeitraum lasse sich laut AOK BW die Zuzahlungsfrage durch geeignete organisatorische Maßnahmen abwickeln: „Falls der Patient oder die Patientin die Zuzahlung verweigert, notieren Sie dieses auf dem Rezept und geben es mit der aufgedruckten Zuzahlung 0 Euro zur Abrechnung. Sie erhalten dann keine Retaxation, weil unter diesen Voraussetzungen § 43c SGB V greift, wonach die Verpflichtung zur Einziehung der Zuzahlung an die Krankenkasse übergeht“, so die Kasse. Reiche die Apothekerin solche Rezepte jedoch zu spät beim Rechenzentrum ein, erfolge auch die Abrechnung des Rezeptes nicht.
Kasse hält still
Konkret äußern möchte sich die Kasse jedoch nicht: „Der vorliegende Sachverhalt und die Beschwerde der rheinland-pfälzischen Apothekerin ist uns bekannt. Wir stehen über mehrere Kanäle in einem Austausch mit der betreffenden Apotheke und arbeiten bereits intensiv an einer Klärung des Sachverhalts. Die von Ihnen dargestellte Situation einer einzelnen Apotheke werden wir daher in der Zwischenzeit nicht öffentlich kommentieren“, so ein Sprecher der AOK BW.