Vor wenigen Wochen schloss die einzige Apotheke im abseits gelegenen Stadtteil Gesmold der niedersächsischen Kleinstadt Melle. Eine Rezeptsammelstelle hat die zuständige Apothekerkammer abgelehnt. Auf der Suche nach einer Alternative hat der Ortsrat ein eigenes „Versorgungsmodell“ entwickelt. Blöd nur, dass die Politiker sich weder mit dem betroffenen Arzt noch mit der Landesapothekerkammer beraten haben.
Bis vor Kurzem hatte Melle noch elf Apotheken. Doch in den vergangenen Monaten mussten gleich zwei Apotheken schließen. Besonders betroffen ist der Stadtteil Gesmold, der etwas außerhalb des städtischen Bereichs liegt und daher einen dörflichen Charakter hat. Dort musste die Linden-Apotheke nach 34 Jahren schließen. Apotheker Helmut Dodt hatte zwei Jahre lang vergeblich einen Nachfolger gesucht.
Nach dem Wegfall der einzigen Apotheke, versuchte der Ortsrat, eine Rezeptsammelstelle bei der Apothekerkammer Niedersachsen durchzusetzen. Doch in Hannover lehnte ab, weil die Entfernung zur nächsten Apotheke gerade einmal 3,4 Kilometer beträgt.
Gemäß den strengen Vorschriften reicht das bei Weitem nicht aus, um eine Rezeptsammelstelle zu errichten: Grundsätzlich ist eine Entfernung von sechs Kilometern eine Voraussetzung für die Bewilligung. Bei einer Entfernung zwischen vier und sechs Kilometern kommt es unter anderem darauf an, wie gut beziehungsweise schlecht eine Apotheke mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen ist.
Der Ortsrat wollte sich aber mit der entstandenen Versorgungslücke nicht abfinden und hat kurzerhand ein eigenes „Arzneimittelversorgungskonzept“ entwickelt. In der Lokalpresse wurde den Bürgern das denkbar einfache Prozedere erläutert: „Dazu müssen die Patienten ihren Arzt lediglich bitten, das Rezept an ihre Wunsch-Apotheke zu faxen oder zu mailen“, heißt es in dem Bericht der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ).
Konkret bedeutet das: Die Patienten geben in der Arztpraxis eine Apotheke im Umkreis an, der Arzt beziehungsweise das Praxispersonal faxt oder mailt das Rezept in die Apotheke, der Pharmazeut liefert das Arzneimittel an den jeweiligen Patienten per Botendienst. Bei der Gelegenheit wird auch das Original-Rezept eingesammelt.
Dieses Angebot habe der Ortsrat nach intensiven Gesprächen als „gut und praktikabel“ unterbreitet, wie Marlies Kellenbrink vom zuständigen Arbeitskreis erklärte. Blöd nur, dass die Kommunalpolitiker mit dieser Meinung allein auf weiter Flur stehen: Weder der einzige praktizierende Arzt in dem Stadtteil noch die Apothekerkammer haben von den Plänen des Ortsrates gewusst – sie erfuhren davon wie alle anderen Bürger aus der Zeitung.
Die Apothekerkammer macht dem Ortsrat nun einen Strich durch die Rechnung. „Jede Rezeptzuführung von Ärzten an Apotheken ist unzulässig. Der Vorschlag des Ortsrates ist somit nicht zulässig, auch wenn der Patient in der Arztpraxis nach seiner Wunschapotheke gefragt wird“, sagt eine Sprecherin.
Es sei zwar sehr verständlich, dass die Bevölkerung und der Ortsrat die Linden-Apotheke vermissten und nach einem Ersatz suchten. „Allerdings ist die Versorgung in der Stadt Melle nicht einmal ansatzweise gefährdet“, führt die Kammersprecherin aus. Die übrigen Apotheken in Melle seien in zumutbarer Entfernung erreichbar und könnten auch über ihren Botendienst versorgen, wenn die Patienten nicht in die Apotheke kommen könnten.
Sowohl Kellenbrink als auch Ortsbürgermeister Michael Weßler zeigten sich erstaunt, dass die vorgeschlagene Lösung so hohe Wellen geschlagen hat. Ein solches Prozedere sei schließlich nichts Neues und auch schon so im Bedarfsfall praktiziert worden, behaupten beide. Kellenbrink betont, dass es dem Ortsrat wichtig war, die Versorgung der Gesmolder Bevölkerung – vor allem aber der älteren Bürger – weiter sicherzustellen.
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