Von Schneeberg in die Welt und zurück: Andreas Schädlich (37) zog nach dem Abitur vom Erzgebirge nach Halle an der Saale, um Pharmazie zu studieren. Danach lockte ein Job in Frankfurt am Main. Jetzt ist er wieder – samt Familie – in seiner Heimatstadt. Und glücklich.
Auch seine Eltern sind froh. Sie konnten nämlich das Familienunternehmen, zwei Apotheken, an den Sohn übergeben. „Meine Frau und ich sind beide ländlich aufgewachsen“, erzählt Schädlich. Er in Schneeberg, seine Frau Annekatrin (34) vor den Toren Hamburgs. „Dieses Gefühl wollen wir jetzt auch unseren Kindern mitgeben.“ Kennengelernt haben sich die beiden während des Pharmaziestudiums in Halle. Er promovierte in Pharmazeutischer Technologie, danach gingen sie gemeinsam nach Frankfurt, von wo aus er für Fresenius Kabi als Qualitätsmanager durch die Welt reiste.
Der Konzern hat weltweit 44 Werke. „Ich war häufig dienstlich in Manchester“, erzählt er. Flughafen, Firma, Hotel, Flughafen. Auch Chile, USA, Indien und europäische Firmenstandorte standen in seinem Terminkalender. Das war interessant, aber auch stressig. Zu Hause wartete die kleine Familie, Frau und Tochter. Und die Eltern im Erzgebirge fragten oft: „Wann kommst Du nach Hause?“ Mittlerweile sind die Schädlichs zu viert, die kleinen Töchter sind eineinhalb und drei Jahre alt. Zeit, nach Hause zu kommen.
„Wenn man frei und ungebunden ist, dann ist eine Stadt toll“, sagt Schädlich, „aber sobald sich Kinder ankündigen, ist die Großstadt nicht verlockend. Es gibt viel Stress und Smog und man sehnt sich nach dem Leben auf dem Land.“ Zurück zu den Wurzeln. Schön ist‘s im Erzgebirge und die Kinder sollten da aufwachsen, wo auch der Vater eine herrliche Kindheit hatte. Die Bedingungen stimmten: „Die Apotheken meiner Eltern sind etablierte Betriebe, die sich über die Jahre einen guten Namen gemacht haben. Und es war eigentlich immer klar, dass ich eines Tages die Apotheken übernehmen würde.“ Aber eines Tages ist ein ziemlich vager Begriff, wenn man jung ist und ein bisschen etwas von der Welt sehen möchte.
Deshalb zog es den jungen Pharmazeuten erst mal nach Frankfurt. Dort waren die beruflichen Möglichkeiten optimal und die Schwiegereltern leben dort. Mit der Geburt der ersten Tochter kamen erstmals Gedanken an die Heimat. Frankfurt ist schön, aber ein Haus statt einer Wohnung war der Traum. „Wir hatten zu dritt eine 70-Quadratmeter-Wohnung, die wäre zu viert zu eng gewesen.“ Das eigene Haus war aus finanziellen Gründen unerfüllbar.
In Schneeberg hingegen wartete eine verlockende Zukunft: Heimat, die Merkur-Apotheke in Schneeberg und die Löwen-Apotheke in Neustädtel, bezahlbare Mieten und die Kinder hätten die Großeltern – die nun Zeit haben, weil sie in Rente sind – in der Nähe. Es gibt gute Kitas und Schulen und eines Tages werden die Kinder vielleicht ins Gottfried-Johann-Herder-Gymnasium gehen, dieselbe Schule, in der einst der Vater die Schulbank drückte. „Mein Vater wird 67, da stellt sich die Frage, wie es weitergeht.“ Thomas Schädlich hatte sich 1990 selbstständig gemacht, seine Frau arbeitete als Pharmazieingenieurin im Unternehmen mit.
Hier die Bankenstadt mit 730.000 Einwohnern, da die Barockstadt im Erzgebirge mit 15.000 Einwohnern (zu DDR-Zeiten waren es 22.000). Nach Jena sind es 20 Minuten mit dem Auto. Der Umzug fiel der Familie leicht. Schädlich führt seit Juli 2016 die elterlichen Apotheken und vertritt einmal in der Woche einen Kollegen in einem Pharmaunternehmen in Jena. Qualitätskontrolle. „Das ist eine gute Abwechslung“, sagt er. Auf seine 15 Mitarbeiter kann er sich verlassen, auch Ehefra Annekatrin arbeitet in den Apotheken.
Die Vorteile Schneebergs sind neben einer abgesicherten Zukunft die schöne Natur vor der Haustür und die niedrigeren Lebenshaltungskosten. „Hier herrscht ein völlig anderes Preisgefüge als in Frankfurt. Für unser Haus mit 120 Quadratmetern Wohnfläche bezahlen wir genauso viel Miete wie in Frankfurt für die 70-Quadratmeter-Wohnung. Und in Frankfurt hatten wir keine Wiese vor der Haustür. Hier können die Kinder in den Garten, das ist für uns Lebensqualität. In Schneeberg stimmt die Infrastruktur und sie ist bezahlbar. Sobald man Kinder hat, verändert sich einiges im Leben und es erdet auch. Frankfurt war eine schöne Zeit, wir haben viel erlebt, mochten die Wochenmärkte. Und wir vermissen die Weinstraße im Taunus.“
Die beiden Schädlichs gehören zu jenen Bürgern der neuen Bundesländer, die nach der Wende ihre Heimat verließen und jetzt wieder zurückkehren. „Man nennt die Menschen in meinem Alter in den neuen Bundesländern die ‚verlorene Generation‘“, sagt Schädlich. „Viele haben in den Jahren 2000 bis 2010 ihre Heimat verlassen, weil es keine großen beruflichen Möglichkeiten gab. Und viele sind dort, wo sie gelandet sind, zu eingebunden und wollen nicht mehr zurückkommen.“ Auch wenn es schön ist im Erzgebirge: Wer sich seine Existenz in München oder Hamburg aufgebaut hat, bleibt gerne dort.
Zurück in die Offizin – die Faszination des Apothekerberufes beschreibt Schädlich so: „Es ist die Mischung aus verschiedenen Facetten, die den Beruf interessant macht. Man kennt sich im Ort, der Patient steht im Mittelpunkt. Man kann Altenheim- und Krankenhausversorgung machen und man muss gleichzeitig auch immer Kaufmann sein. Das habe ich schon als Kind in der Apotheke meiner Eltern mitbekommen. Es ist eine Gratwanderung. Für uns ist Kundenbindung wichtiger als schneller Profit.“ Eine Expansion plant er nicht. Seine beiden Apotheken liegen vier Kilometer auseinander. „Wir machen lieber die zwei Apotheken ordentlich.“
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