Weil sich am Horizont die dunklen Schatten neuer Lieferengpässe abzeichnen, hat sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für ein beherztes Vorgehen entschieden. In Berlin wurden erste Eckpunkte für ein Eckpunkteppaier vorgestellt.
„In dieser Erkältungs- und Grippesaison sollen besorgte Eltern nicht erneut vor leeren Apothekenregalen stehen“, sagt Lauterbach. Das sei man insbesondere den Kindern, denen man in der Pandemie viel zugemutet habe, schuldig. Man habe es mit der Ökonomisierung zu weit getrieben – und jetzt eben Lieferengpässe, die man nicht länger dulden könne. Moment mal? War das die Rede aus dem letzten Jahr? Egal. Stimmte ja irgendwie immer noch.
Lauterbach kündigt ein beherztes und energisches Vorgehen an, ein ganzes Maßnahmenpaket soll mit dem „Arzneimittel-Lieferengpassweiterbekämpfungs- und Versorgungsweiterverbesserungsgesetz (kurz: ALWBVWVG) auf den Weg und dort auf die Überholspur gebracht werden. Details verraten will er noch nicht, daran werde mit Hochdruck gearbeitet. Er nennt nur einige Ansätze für ein Eckpunktepapier, das noch in diesem Jahr präsentiert werden soll:
So, das mit den Listen war KEIN Witz. Obwohl der Beirat gerade erst mit dem ALBVVG beauftragt wurde, die am dringendsten benötigten Arzneimittel für Kinder zu benennen, hat der Minister mal eben eine eigene Auswahl zusammengestellt. Für die will er in einem Rutsch den Versorgungsnotstand erklären und Importe erlauben. Die Aktion kommt so mittel an, auch weil Lauterbach vorher mit niemanden darüber gesprochen hat. Weder mit Ärzten, Apothekern oder Herstellern noch mit seinem eigenen Beirat. Obwohl sein eigenes politisches Überleben davon abhängt, ob es wieder einen Engpass-Winter geben wird, hat Lauterbach sich lieber mit Sido getroffen. Und über Cannabis gesprochen.
Nur der Großhandelsverband Phagro steht wohl irgendwie im Adressbuch des Ministers. Ob man nicht irgendwie die Beschaffung und Lagerhaltung der auf der Dringlichkeitsliste aufgeführten Arzneimittel intensivieren könne? Und sofern „für die Realisierung dieser außerordentlich dringlichen Maßnahme“ irgendwie Aufwendungen entstünden – kein Problem, würden bezahlt. Zusätzlich zu den 3 Cent aus dem ALBVVG, versteht sich.
Wobei die 3 Cent, die ab 1. September zusätzlich fließen, in Wirklichtkeit 4 Cent sind. Jedenfalls hat die Treuhand Hannover ausgerechnet, dass die Großhändler ihren Handelsspannenausgleich großzügig nach oben angepasst haben.
Großzügig angepasst haben auch die Kassen, und zwar ihre Festbeträge. Um 97 Prozent sinkt etwa bei Lenalidomid ab Oktober der Listenpreis – nicht beim Original, sondern bei den Generika. Desvenlafaxin und Milnacipran wiederum könnten aus dem Markt verschwinden, weil für sie nicht mehr gezahlt werden soll als für Venlafaxin. Was soll’s, zwei Wirkstoffe weniger, die knapp werden könnten („Nichtmehrdringlichkeitsliste 1“).
Zurück auf die „Dringlichkeitsliste“ der Abda geschafft hat es das eigentlich mit dem ALBVVG für erledigt geglaubte Thema Retax. Beim DAV hat man jedenfalls noch einmal über den Gesetztext nachgedacht und seine Lesart geändert: Das Aut-idem-Kreuz darf ohne Gegenzeichnung des Arztes doch nicht geändert werden. Sonst: Vollabsetzung.
Was man leider beim DAV noch nicht geschafft hat, ist die Problematik der Chargenübermittlung beim E-Rezept zu lösen. Vielleicht war man einfach zu beschäftigt mit dem Daten-Hub, für dessen Entwicklung die Retaxfirma Davaso einen Millionenbetrag bekommt. Eine umfassende Analyse zum Megaprojekt von Abda und Iqvia gibt es im Podcast NMSZW.
Und in Sachen Präqualifizierung hat man es noch gar nicht an den Verhandlungstisch geschafft. Also heißt es weiter: Verkaufsraum fotografieren und beweisen, dass man die Offizin nicht zu einem Möbellager umfunktioniert hat. Vielleicht sammelt auch einfach nur irgendjemand bei der AfP Bilder von den schönsten Apotheken. Wenigstens gibt es jetzt einen einheitlichen Hilfsmittelvertrag mit den Betriebskrankenkassen.
Gute Nachricht: In Sachsen-Anhalt der Landesapothekerverband mit den Kassen Sonderregelungen für die Abgabe von Antibiotika im Rahmen des Entlassmanagements getroffen. Liegt in der Apotheke eine Stückzahlverordnung vor oder lässt sich beispielsweise aus der angegebenen Dosierung ein konkreter Versorgungszeitraum/Anwendungszeitraum ermitteln, darf die Apotheke bis zu einer Menge von maximal N2 versorgen. Schönes Wochenende!
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