500 Jahre Stadt-Apotheke Zittau

„Früher waren Apotheker noch angesehener als heute“

, Uhr aktualisiert am 01.08.2019 11:55 Uhr
Berlin -

Die historische Altstadt, eine Fahrt mit der Schmalspurbahn oder ein Ausflug ins kleinste Mittelgebirge Deutschlands: Das sächsische Zittau, gelegen am Dreiländereck zu Polen und Tschechien hat für Touristen einiges zu bieten. Ein wenig mehr Besucher als sonst finden aktuell ihren Weg in die Stadtapotheke am Markt. Denn diese feiert gerade ihr 500-jähriges Bestehen. Auch das Städtische Museum macht mit und widmet der Apotheke noch bis Ende August eine Sonderausstellung.

Seit 2012 arbeitet Nicole Weber als Angestellte in der Stadtapotheke Zittau. Als sie damals anfing, wusste sie nicht, an welch historischem Ort sie da ihren Dienst angetreten hatte. Mittlerweile jedoch ist sie dank Inhaber Stefan Gänsler bestens informiert. Denn er kümmert sich mit seinen Kollegen und in Zusammenarbeit mit dem Städtischen Museum darum, dass der 500. Geburtstag der Apotheke würdig begangen wird. „Die Kunden sind sehr froh, dass gefeiert wird. Sie waren fast aufgeregter als wir“, scherzt Weber.

Regelmäßig werden Schulklassen durch die Räumlichkeiten der Stadtapotheke geführt, noch häufiger schauen Touristen rein und sehen sich die Offizin an. Oft kommen die Apotheker mit ihren Kunden zudem über frühere Zeiten ins Gespräch. Die Stadtapotheke Zittau ist derzeit ein echter Treffpunkt. Seit 1519 ist sie durchgehend in Betrieb und zählt damit zu den ältesten in ganz Deutschland. Um all den Besuchern auch etwas zu bieten, haben Weber und ihre Kollegen vom 19. bis zum 23. August eine „Gesundheitswoche“ geplant. Für Groß und Klein wird es dann zahlreiche Aktionen, Gewinnspiele und Vorträge geben.

Wer nicht solange warten möchte, kann bis dahin die Sonderausstellung „Von Kolanüssen und Spanischen Fliegen. 500 Jahre Stadtapotheke Zittau“ im Städtischen Museum besuchen. Dort zu sehen sind zahlreiche Exponate aus dem Apothekenalltag der vergangenen fünf Jahrhunderte. Besonderes Highlight ist ein historischer Bronzemörser, der als der größte seiner Zeit gilt. Neben einigen Stücken, die schon in der Dauerausstellung des Städtischen Museums zu bewundern waren, sind auch viele bisher noch nie gesehene Exponate für die Besucher öffentlich gemacht worden.

Dr. Peter Knüvener, Direktor der Städtischen Museen Zittau, freut sich über die Resonanz der seit dem 14. Juni laufenden Sonderausstellung: „Die Geschichte der Apotheke stößt auf großes Interesse. Das ist auch für uns eine kleine Überraschung, aber natürlich auch eine schöne.“ Schließlich habe eine Apotheke nicht mehr die Prominenz vergangener Tage. „Früher waren Apotheker noch angesehener als heute, oftmals waren sie sogar Stadträte.“, erklärt Knüvener.

Umso schöner sei es, dass die Historie der Stadtapotheke immer noch wahrgenommen werde, wenngleich das Erscheinungsbild zu DDR-Zeiten und auch nach der Wende recht rücksichtslos modernisiert wurde. So gibt es mittlerweile in den jahrhundertealten Räumlichkeiten einen Fahrstuhl, die Vorschriften wollen es so. Sollte Eigentümer Stefan Gänsler einmal zum Verkauf der Apotheke entschließen, müsste sein Nachfolger laut Betriebsordnung die Rundbögen über der Rezeptur beseitigen.

Doch das sei noch weit weg, sagt die Apothekenmitarbeiterin Weber. Den Umständen entsprechend laufe das Geschäft sehr gut. Zwar sei es gerade für die älteren Kunden schwierig, dass im Zuge des Marktumbaus keine Parkplätze mehr vor der Haustür gibt. Doch die aktuelle Kundenfrequenz mache sie optimistisch, dass die Stadtapotheke auch noch ihren 600. Geburtstag feiern kann, lacht Weber.

Dabei soll auch die internationale Ausrichtung des Betriebs helfen. In der Apotheke arbeiten Angestellte aus Polen und Tschechien, was Kunden aus den beiden nahegelegenen Nachbarstaaten besonders schätzen. Auch jenseits der Bundesgrenzen gibt es Interesse für das Apothekenjubiläum und die Ausstellung im Städtischen Museum.

Dennoch hat die Lage Zittaus nicht nur Vorteile: Viele Medikamente sind in Polen und Tschechien günstiger erhältlich, nicht selten entscheiden sich die Zittauer, ihre Arzneimittel dort zu kaufen. Auch deshalb wünscht sich Weber mehr Unterstützung von der Stadt: „Es wäre schön, wenn die Innenstadt wieder mehr belebt würde, anstatt Einkaufs- und Ärztezentren nach außerhalb zu verlegen.“

Und natürlich brauche es künftig wieder das Engagement der Bürger zu sagen: „Hey, ich gehe mal in die Stadt.“ Damit auch der 600. Geburtstag der Stadtapotheke noch gebührend gefeiert werden kann.

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