Rx-Preisbindung

Zehn Fakten zum EuGH-Verfahren

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Berlin -

Verglichen mit dem Verfahren zum Fremdbesitzverbot für Apotheken im Jahr 2009 genießt der aktuelle „Showdown in Luxemburg“ deutlich weniger Aufmerksamkeit in der Branche. Dabei geht es am kommenden Donnerstag in Luxemburg um nicht weniger als das System der Preisbindung. Die zehn wichtigsten Fakten zum EuGH-Verfahren.

Wer streitet in Luxemburg?
Niemand, es handelt sich um ein sogenanntes Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG). Im Ausgangsverfahren hatte die Wettbewerbszentrale die Deutsche Parkinson Vereinigung (DPV) wegen einer Kooperation mit DocMorris verklagt. Als Parteien im Ausgangsverfahren werden beide Seiten in Luxemburg gehört. Die Sache ist aber längst zu einem „Stellvertreterkrieg“ geworden. Die DPV lässt sich von den DocMorris-Anwälten vertreten, für die andere Seite spricht Dr. Claudius Dechamps, der die ABDA schon im EuGH-Verfahren zum Fremdbesitzverbot vertreten hatte.

Worüber wird gestritten?
Das OLG hat dem EuGH drei Fragen vorgelegt, wie die EU-Verträge auszulegen sind. Konkret geht es um Artikel 34, der die mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verbietet (Warenverkehrsfreiheit), sowie Artikel 36, der solche Beschränkungen erlaubt, die zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt sind. Sollte der EuGH keine Beschränkung des Warenverkehrs sehen, wären Rx-Boni verboten. Stellen die Richter hingegen einen Verstoß gegen das EU-Recht fest, wäre dieser zu rechtfertigen – worauf die zweite Frage des OLG zielt. Wenn der EuGH die Beschränkungen für zulässig erklärt, soll er laut OLG noch klären, wie hoch die Anforderungen an eine solche Feststellung sein müssten.

Welche Auswirkungen könnte das Verfahren haben?
Wenn der EuGH das Verbot von Rx-Boni für eine ungerechtfertigte Einschränkung des Warenverkehrs erklärt, dürfen ausländische Versandapotheken künftig in Deutschland Rabatte auf verschreibungspflichtige Arzneimittel gewähren.

Wären Rx-Boni dann für alle Apotheken erlaubt?
Nein, denn es geht um die Warenverkehrsfreiheit innerhalb der EU. Der EuGH muss entscheiden, ob das deutsche Preisrecht auch für ausländische Versandapotheken gilt. Für deutsche Offizin- und Versandapotheken würden die Preisvorschriften weiterhin gelten. Ob der Gesetzgeber unter diesen Umständen am Preisrecht festhalten würde, steht auf einem anderen Blatt. Vermutlich würde sehr schnell eine deutsche (Versand-)Apotheke wegen Inländerdiskriminierung gegen die Ungleichbehandlung klagen. Wäre auch diese erfolgreich oder würde der Gesetzgeber die Preisbindung aufgeben, gäbe es auch auf dem Rx-Markt einen Preiswettbewerb – mit vermutlich gravierenden Auswirkungen.

Wie läuft das Verfahren ab?
Das OLG Düsseldorf hat sein Verfahren am 27. Januar 2015 ausgesetzt und den Fall am 24. März offiziell dem EuGH vorgelegt. Anschließend konnten die beteiligten Parteien ihre Stellungnahmen abgeben. Anders als in Verfahren vor deutschen Gerichten, bei denen immer wieder Schriftsätze ausgetauscht werden, hat man in Luxemburg nur einen Aufschlag. Danach entscheidet das Gericht entweder sofort oder lädt – wie in diesem Fall – zur mündlichen Verhandlung.
Eine weitere Besonderheit bei EuGH-Verfahren: Die europäischen Institutionen dürfen sich ebenfalls äußern sowie alle EU-Mitgliedstaaten. Das Gericht hat den Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 17. März 2016 festgelegt. Am Ende der Sitzung wird der Generalanwalt für gewöhnlich das Datum für die Bekanntgabe seiner Schlussanträge bekanntgeben. Auch dies geschieht dann in öffentlicher Sitzung. Bei einem dritten Termin verkündet der EuGH dann seine Entscheidung. Die Entscheidung des EuGH ist für das vorlegende Gericht bindend.

Wie ist das Meinungsbild innerhalb der EU?
Zum Verfahren gab es insgesamt sieben schriftliche Stellungnahmen – inklusive der der Parteien im Ausgangsverfahren. Die EU-Kommission steht auf der Seite von DocMorris und sieht in der Preisbindung einen Beschränkung des Binnenmarktes. Die Brüsseler Behörde hatte gegen Deutschland bereits ein Vertragsverletzungsverfahren in dieser Sache eingeleitet. Die Bundesregierung verteidigt erwartungsgemäß die deutsche Rechtslage. Unterstützt wird sie von der schwedischen Regierung und – verhaltener – von Italien. Die Niederlande sind dagegen ebenfalls für eine Aufhebung des Rx-Boni-Verbots – was auch damit zusammenhängen dürfte, dass mit DocMorris und der Europa Apotheek Venlo (EAV) gleich zwei niederländische Versender am Markt sind, die ihr Geschäft hauptsächlich in Deutschland machen. Insofern steht es vor der Verhandlung 4:3 für die Preisbindung.

War die Boni-Frage nicht längst geklärt?
Der Gemeinsame Senat der obersten Bundesgerichte hat im August 2012 entschieden, dass die Preisvorschriften auch für ausländische Versandapotheken gelten. Die Richter sahen auch das EU-Recht als nicht berührt an und verzichteten auf eine EuGH-Vorlage. Der deutsche Gesetzgeber hatte das Rx-Boni-Verbot im Jahr 2012 unter anderem damit begründet, dass einheitliche Preise der flächendeckenden Versorgung dienen. Doch laut OLG begnüge sich Gesetzgeber mit dem bloßen Hinweis auf diese Gefahren. Davon habe sich die EU-Kommission nicht überzeugen lassen und ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Daher sei die Frage auf europäische Ebene noch nicht geklärt, so das OLG.

Wieso darf das OLG Düsseldorf den EuGH anrufen?
Grundsätzlich darf jedes Gericht in einem Mitgliedstaat den EuGH anrufen, wenn die Auslegung von EU-Recht gefragt ist. Hintergrund ist eine möglichst einheitliche europäische Rechtsprechung mit Blick auf die EU-Verträge. Das OLG sah es nicht als unmöglich an, dass der EuGH anders entscheiden würde als der Gemeinsame Senat. Der Vorsitzende Richter am OLG hat in der Verhandlung selbst gesagt, dass der Zug auf nationaler Ebene abgefahren sei. Anders als der Gemeinsame Senat sieht er aber die Pflicht zur Vorlage am EuGH. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Entscheidung in einem anderen Boni-Verfahren unlängst scharf kritisiert. Gleichwohl muss die Frage nun in Luxemburg erneut geklärt werden.

Was gilt bis dahin?
Das geltende Recht in Deutschland verbietet derzeit Rx-Boni, rechtskräftige Urteile haben ebenfalls Bestand. Mehrere Gerichte haben laufende Verfahren zu Rx-Boni nicht ausgesetzt, sondern in der Sache entschieden. Zuletzt hat der BGH eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht angenommen, weil die Frage aus seiner Sicht bereits geklärt ist. In Karlsruhe rechnet man also nicht mit einer anderen Entscheidung aus Luxemburg.

Wie ist die Prognose?
Wie immer vor Gericht: Alles ist möglich. Auf Seiten von DocMorris wertet man es als positives Zeichen, dass der EuGH die erste Frage zur Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit anscheinend als geklärt ansieht, da sich die Teilnehmer an der mündlichen Verhandlung auf die zweite Frage konzentrieren sollen: eine mögliche Begründung der Rx-Preisbindung. Der Arzneimittelrechtsexperte Dr. Elmar Mand sieht gute Chancen, dies mit der flächendeckende Versorgung zu begründen. Er glaubt nicht an eine Rx-Preisfreigabe. Als Indiz wertet er, dass nur die kleine Kammer des EuGH die Sache verhandelt – weitreichende Entscheidungen seien also eher nicht zu erwarten. Der Gemeinsame Senat der oberste Gerichte hatte 2012 auf frühere Entscheidungen des EuGH verwiesen, der den Mitgliedstaaten Spielraum bei der Gestaltung des Gesundheitswesens gewährt.

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