Standortstreit

Wurde die Apothekerfamilie bevorzugt?

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Berlin -

Aus einer ehemaligen Kreisklinik ist im baden-württembergischen Hechingen ein großes Ärztezentrum entstanden. Ein Glücksfall für die medizinische Versorgung der Kleinstadt. Doch rund um das Zentrum erhitzen sich die Gemüter. Es steht nicht nur der Vorwurf im Raum, dass Ärzte mit Dumping-Mietpreisen aus der Innenstadt gelockt werden. Auch bei der Apotheke gibt es Streit darüber, ob sie zwingend von der Apothekerfamilie Prowold aus dem Nachbarort betrieben werden muss. Die alteingesessenen Hechinger Apothekerinnen fühlen sich übergangen. Der Landkreis sagt: selbst schuld.

Rund 13 Millionen Euro investiert und 250 Arbeitsplätze geschaffen: Das Ärztezentrum am Fürstengarten ist inzwischen ein gutes Beispiel dafür, wie aus kleinen unrentablen Provinz-Krankenhäusern attraktive medizinische Knotenpunkte kreiert werden können. Aktuell sind dort sechs Arztpraxen, ein nephrologisches Zentrum mit 30 Betten, eine große Hebammenpraxis, einige Therapeuten, darunter Ergotherapeuten und Logopäden, sowie eine Senioren-Tagespflege angesiedelt. Teilweise sind die Räume der ehemaligen Kreisklinik durch Kreisbehörden belegt. Natürlich darf auch eine Apotheke nicht fehlen. Inhaberin Katharina Prowold hat 2014 eröffnet und wirtschaftet seitdem aus einem Container vor dem alten Krankenhaus heraus. Geleitet wird die Filiale von Prowolds Tochter Susanne.

Zuletzt wurde die Freude über den tollen Standort getrübt. Hechinger Kommunalpolitiker plagt die Sorge, dass weitere Ärzte aus der Innenstadt in das Gesundheitszentrum umsiedeln, was ein weiteres „Ausbluten der Innenstadt bedeuten“ würde. Man müsse, wird ein Kommunalpolitiker in der Hohenzollerischen Zeitung zitiert, „schon sehen, was es den Ärzten attraktiv mache, dorthin zu gehen“. Im Klartext lautet der Verdacht: Der Landkreis, der für die Nachnutzung der alten Klinik verantwortlich zeichnet, locke Ärzte mit Dumping-Mietpreisen aus der Innenstadt in das Ärztezentrum.

Hinzu kommt der Streit über die Apotheke. Für sie und weitere Praxisräume soll ein neues Gebäude auf dem Areal des Ärztezentrums errichtet werden. Allerdings hatten auch die beiden alteingesessenen Hechinger Apothekerinnen Interesse an dem Standort bekundet. Sie werfen der Landkreisverwaltung vor, sie bei der Vergabe übergangen und die Kollegin aus dem Nachbarort Bisingen bevorzugt zu haben.

Stimmt nicht, entgegnet Christoph Heneka, der als Dezernent für Finanzen und Wirtschaft maßgeblich für das Projekt verantwortlich ist. Und das könne man dank gewissenhafter Dokumentation auch beweisen: „Wir haben bereits 2007 einen Steckbrief mit geplanten Eckdaten an Ärzte und Apotheker im gesamten Landkreis verschickt und abgefragt, ob jemand Interesse hätte.“ Das Ergebnis sei ernüchternd gewesen: Kein einziger Interessent habe sich damals gemeldet.

Zu einem späteren Zeitpunkt habe man die Aktion wiederholt und unter anderem 30 Apotheker aus der Region angeschrieben und versucht, sie für den Standort am künftigen Gesundheitszentrum zu begeistern. Auch die beiden Apothekerinnen in Hechingen seien „selbstverständlich“ kontaktiert worden, nicht nur schriftlich, sondern auch in persönlichen Gesprächen, berichtet Heneka. Von ihnen seien aber klare und unmissverständliche Absagen gekommen. Man brauche in Hechingen keine weitere Apotheke.

Der zweite Akquiseversuch ist nach Angaben des Wirtschaftsdezernenten ebenfalls mäßig erfolgreich gewesen. Nur eine einzige Rückmeldung gab es demnach. Dabei handelte es sich eben um Katharina Prowold, einer Apothekerin aus dem benachbarten Bisingen. Dort betreibt sie die Sonnen-Apotheke und zwei weitere Filialen in Nachbargemeinden. „Die Apothekerin hat sich auf den Standort eingelassen, als es noch gar nicht klar war, ob er funktioniert, und sich mit einem Container als Übergangslösung einverstanden erklärt“, macht Heneka deutlich.

Nach und nach sei man auch auf ärztlicher Seite auf mehr Interesse gestoßen, berichtet er weiter. „Nach einem sehr ernüchternden und schwierigen Anfang hätten wir nie mit diesem tollen Ergebnis gerechnet“, sagt er. „Das war so nicht absehbar.“ Und der Wirtschaftsdezernent geht noch weiter: „Als noch nicht klar war, ob das Projekt erfolgreich wird, haben die Apothekerinnen es vehement abgelehnt, dort eine Filiale zu eröffnen oder dorthin umzuziehen. Nun, nachdem sich das Gesundheitszentrum zu einem tollen Standort entwickelt hat, fühlen sie sich plötzlich benachteiligt.“

Zwar gab eine der Apothekerinnen gegenüber APOTHEKE ADHOC zu, ein Schreiben der Stadt tatsächlich bekommen zu haben. „Das alles hörte sich damals allerdings eher nach Absichtserklärungen als nach konkreten Plänen an“, behauptet sie. Hinzu komme, dass die damals präsentierten Rahmenbedingungen sich erheblich von denen unterscheiden, die aktuell in Aussicht gestellt werden. So sollte die Apotheke der ursprünglichen Planung nach in den Räumen der ehemaligen 140 Quadratmeter großen Krankenhaus-Cafeteria untergebracht werden, und das, so die Pharmazeutin, zu einer Miete von 14 Euro pro Quadratmeter. Das sei schlicht zu teuer gewesen, zudem Ärzte nur sieben Euro hätten zahlen müssen. Von einem Neubau auf einem langfristig verpachteten Grundstück sei nie die Rede gewesen.

„Es sah alles danach aus, dass die Entscheidung erst in einigen Jahren fallen wird und vorher noch darüber gesprochen wird“, so die Apothekerin. Umso überraschter seien sie gewesen, als es hieß, eine Kollegin aus Bisingen eröffne auf dem Gelände eine Filiale. Es seien einfach Tatsachen geschaffen worden. „Die Art und Weise, wie das alles abgewickelt wurden, hat Gschmäckle“, meint die Pharmazeutin.

Noch ist nicht endgültig entschieden, ob Prowold den Zuschlag für den Neubau erhält. Die Entscheidung soll laut Heneka im Kreistag in einer der ersten Sitzungen des neuen Jahres fallen. Die Kreisverwaltung werde dem Gremium allerdings einen Vorschlag unterbreiten, das für den Neubau benötigtes Grundstück an Familie Prowold langfristig zu verpachten. Die Rede ist zunächst von 30 Jahren. „Ich bin optimistisch, dass der Kreistag unserer Argumentation folgen und dem Vorschlag mittragen wird“, so der Wirtschaftsdezernent.

Die Hechinger Apothekerin rechnet ebenfalls mit einem für sie negativen Ergebnis. Sie hofft allerdings, dass es den Hechinger Kreisräten zumindest gelingt, zu verhindern, dass mit dem Apothekenneubau zusätzliche Räumlichkeiten für Arztpraxen geschaffen werden. Denn auch sie sieht den Wegzug von Ärzten aus der Innenstadt kritisch.

Drei Arztpraxen hätten bereits die Innenstadt Richtung Ärztezentrum verlassen. Zwei weitere, darunter ein Hautarzt, seien auf dem Sprung. Das bedeute nichts Gutes, weder für die Apotheken noch für die Innenstadt im Allgemeinen. „Da wo Ärzte sind, sind auch Menschen“, betont die Pharmazeutin.

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