DAK-Protest findet Nachahmer APOTHEKE ADHOC, 15.01.2016 11:40 Uhr
Apotheker Johannes Wilmers aus Nordrhein-Westfalen hat sich getraut und der DAK Gesundheit Konter gegeben: Wies ein Rezept einen Formfehler auf und drohte somit eine Retaxation, bat er den Patienten, das Arzneimittel zunächst selbst zu bezahlen und sich das Geld von der Kasse zurückzuholen. Bei der DAK sorgte das für unerwünschte Mehrarbeit. Mit der Aktion hat Wilmers offenbar einen Nerv getroffen – das legen zumindest die Ergebnisse einer Umfrage von APOTHEKE ADHOC nahe.
Wilmers hatte eine Ausnahmeregelung ausgenutzt: Ein Patient kann trotz Rabattverträgen auf einem bestimmten Arzneimittel bestehen. Er bezahlt das Präparat in der Apotheke und kann sich das Geld von seiner Krankenkasse erstatten lassen. Das Verfahren kommt normalerweise nicht oft zum Einsatz, da es aufwendig ist und der Patient üblicherweise draufzahlt.
Doch Wilmers, Filialleiter der Bären-Apotheke in Meschede, überzeugte einige seiner Kunden. Sobald ein Formfehler vorlag, beschrieb er ihnen das strenge Vorgehen der Kasse und klärte sie über ihre Rechte bezüglich eines Wunscharzneimittels auf. Immerhin: In drei Tagen haben etwa 20 Patienten mitgemacht. Das reichte aus, dass sich ein DAK-Mitarbeiter in der Apotheke über den Mehraufwand beschwerte.
Das Wunscharzneimittel als Antwort auf Formretaxationen – 59 Prozent der Teilnehmer an der Umfrage halten diese Aktion für „genial“. „Wenn das alle machen, gehen die Kassen in die Knie“, meinen sie. Darauf setzt auch Wilmers: „Theoretisch müsste das jede Apotheke mal machen“, findet er. Zwei Kollegen hätten sich schon bei ihm gemeldet und angekündigt, diese Variante des Protests auch einmal auszuprobieren.
Nicht ganz so überzeugt sind 31 Prozent der Teilnehmer der Umfrage. Sie halten die Aktion für schwierig umzusetzen, da zuerst einmal die Patienten überzeugt werden müssten. Tatsächlich kann es passieren, dass diese auf den Mehrkosten für das Arzneimittel und den Verwaltungsaufwand bei der Krankenkasse sitzen bleiben. Deshalb hatte Wilmers die Aktion auch nur bei kleineren Beträgen um die zehn Euro vorgeschlagen. „Bei teureren Präparaten habe ich weiterhin Rücksprache mit dem Arzt gehalten.“
Weniger als jeder Zehnte sieht Wilmers Vorgehen kritisch: 8 Prozent warnen, dass die Maßnahme gefährlich sei – immerhin könne der Bumerang zurückkommen. Und 1 Prozent hält die Protestaktion sogar für unanständig: Immerhin retaxierten die Krankenkassen ja nicht ohne Grund, meinen sie. An der Umfrage nahmen am 7. und 8. Januar insgesamt 471 Leserinnen und Leser von APOTHEKE ADHOC teil.
Von Wilmers Aktion waren mehrere Kassen betroffen, vor allem jedoch die DAK. Deren Vorgehen bei Formfehlern ärgerte den Apotheker am meisten. „Bei den Formretaxationen geht es meist um Kleinigkeiten – das ist dann ein Jahr her, kostet Zeit und Nerven und schlimmstenfalls erkennt die Kasse den Einspruch nicht einmal an.“ Die DAK war daher das Hauptziel seiner Aktion.
Die DAK war zuletzt mit mehreren Rechnungskürzungen aufgefallen: Ein Apotheker aus Köln war retaxiert worden, weil er bei Nichtverfügbarkeit des Reimports von Copaxone nicht das Original abgegeben hatte. Dem Apotheker zufolge waren beide Präparate nicht lieferbar. Doch selbst die Bestätigungen von Großhandel und Hersteller nützten bislang nichts.
Apotheker Dietmar Frensemeyer wurde wegen der Sofort-Abgabe eines nicht-rabattierten Antibiotikums retaxiert – trotz Sonder-PZN. Der DAK fehlte die Begründung. Inzwischen ruderte die Kasse zurück und erklärte, ihr sei ein Fehler unterlaufen. Antibiotika mit einem Sonderkennzeichen bezüglich Akutversorgung würden nicht beanstandet.
Im Sommer sorgte die DAK für Aufsehen, weil sie Apotheker retaxierte, die ihre pharmazeutischen Bedenken angeblich nicht ausreichend begründeten.Die Kasse pochte auf separate Hinweise zusätzlich zur Sonder-PZN. Anfang Dezember lenkte sie ein: Es würden keine Rezepte mehr retaxiert, bei denen der Apotheker pharmazeutische Bedenken geltend gemacht habe, sofern dafür eine Begründung vorliege. Im Zweifelsfall genüge der allgemeine Hinweis auf pharmazeutische Bedenken, die Sonder-PZN allein sei aber nicht ausreichend.