Pacht-Streit

Wo sind die fehlenden Medikamente? APOTHEKE ADHOC, 03.05.2018 12:49 Uhr

Berlin - 

Die Marien-Apotheke in Gütersloh gibt es nicht mehr. Und doch schwelt nach wie vor ein Streit, der nun vor dem Amtsgericht verhandelt wird. Der damalige Pächter Richard S. soll am Ende des Pachtvertrages Medikamente im Gesamtwert von rund 26.000 Euro unterschlagen haben. Das Gericht muss jetzt klären, ob der Vorwurf tatsächlich zutrifft. Doch davor soll der Verbleib der vermeintlich fehlenden Arzneimittel geklärt werden.

Die Wurzeln dieses Streits reichen bis ins Jahr 2013 zurück. Damals starb Ulrich Müther, dem die Marien-Apotheke ursprünglich gehörte, unerwartet im Alter von nur 54 Jahren. Wie es in solchen Fällen üblich ist, beantragte die Familie des Apothekers eine Übergangsverwaltung, um einen Nachfolger zu finden. Das glückte auch. Richard S., ein erfahrener, älterer Apotheker aus dem über 100 Kilometer entfernten Coesfeld, übernahm Anfang 2014 die Marien-Apotheke im Pachtverhältnis.

Die Besitzerin kündigte den Vertrag nach zwei Jahren zu Ende Januar 2016 und verlangte den bei Übergabe festgestellten Warenlagerbestand im Wert von etwa 104.000 Euro zurück. Doch ein Gegenwert für diese Summe war offenbar nicht mehr vorhanden. Sogar während der Rückgabephase sollen dem Bericht der Neuen Westfälischen Zeitung weitere Medikamente aus den Beständen verschwunden sein.

War laut der zitierten Anklage nach einer ersten Inventur am 31. Januar noch ein Bestand von knapp 74.000 Euro festgestellt worden, soll er bei einer zweiten Aufnahme Mitte Februar auf rund 48.000 Euro gesunken sein. Die fehlenden Produkte soll der Pächter zwischenzeitlich entnommen haben, so der Vorwurf gegen den wegen Unterschlagung angeklagten Apotheker. Vor Gericht geht es offenbar in erster Linie um diese zwischen 31. Januar und 8. Februar verschwundenen Arzneimittel im Gesamtwert von rund 26.053,01 Euro.

Der 69-Jährige aus Coesfeld wies dies von sich. Er habe damals nach einem letzten Notdienst am 30. Januar von außen abgeschlossen, den Schlüssel durch die Notklappe geworfen, argumentierte er laut der Regionalzeitung vor Gericht. Danach habe er die Apotheke nicht mehr betreten. Er wisse auch gar nicht, was er mit Medikamenten im Wert von 26.000 Euro hätte anfangen sollen. Denn offiziell hätte er sie nicht verkaufen dürfen, wird der Pharmazeut zitiert. Grundsätzlich gilt: Mit dem Verlust der Verkaufsfläche durch die Pachtkündigung wird automatisch die Betriebserlaubnis entzogen. Der Apotheker wies auf weitere Unstimmigkeiten mit der Verpächterin seit Vertragsabschluss hin und gab an, dass er durch seine „Gutmütigkeit“ über den Tisch gezogen wurde.

Die Verpächterin berichtete ihrerseits über Probleme mit dem Angeklagten. So soll der Apotheker von Anfang an Schulden nicht beglichen und am Ende des Pachtverhältnisses ein Chaos hinterlassen haben. Beim Betreten der Apotheke im Februar 2016 habe sie gedacht, „wir fallen tot um“, zitiert sie die Neue Westfälische. Die Rede war auch von Drohungen seitens seines Wirtschaftsberaters: Die Zeitung berichtet von einer „im einschüchternden Stil eines Dorf-Paten“ verfassten Mail, die verlesen und zu den Akten genommen wurde.

Am Ende des ersten Verhandlungstages sprach die Strafrichterin von einem „Eisberggefühl“: Nach der Vernehmung der Verpächterin mit vielen neuen Details und Namen möglicher Zeugen hätte sich laut dem Bericht nur dessen Spitze gezeigt. Nun soll weiter ermittelt werden. Bis genauere Erkenntnisse vorliegen, wird der Prozess ausgesetzt.

Ohnehin bleibt abzuwarten, ob der Vorwurf der Unterschlagung überhaupt bewiesen werden kann. Zwar gehören Apotheken zu den am schärfsten überwachten Handelsunternehmen in Deutschland. In so gut wie allen Apotheken stehen inzwischen elektronische POS-Kassen, die jede angelieferte mit jeder verkauften Tablette abgleichen und damit eine permanente Inventur ermöglichen.

Auf der anderen Seite gehört der Warenbestand einzig dem Apotheker, auch wenn er die Apotheke nur pachtet. Genau genommen dürfte es also gar keinen Warenbestand geben, der nach Ablauf des Pachtvertrages zurückzugeben wäre. Welche besondere Konstellation die Ansprüche der Familie des verstorbenen Apothekers begründen könnte, dürfte also im weiteren Prozessverlauf deutlich werden.