Als Alexander Hesse nach dem Studium die Apotheke seines Vaters übernahm, erlebte er eine böse Überraschung: Das Unternehmen stand kurz vor der Pleite. Andere hätten hingeworfen. Hesse startete durch, hat heute drei Apotheken mit 40 Mitarbeitern – und berät erfolgreich seine Kollegen.
„Ich hatte anfangs mit vier Gerichtsvollziehern zu tun. Als ich die Apotheke übernahm, ging es steil bergab“, erinnert er sich. Den Start ins Berufsleben stellt man sich gemeinhin erfreulicher vor. Aber aufgeben war für den damals 27-Jährigen keine Option. Zuerst musste ein kompetenter Steuerberater her. Wiederum ein Stolperstein: „Die meisten verwalten nur, beraten aber nicht.“ Also kaufte sich der bekennende Zahlenmensch ein Fachbuch und las sich in die Materie ein. Die Umsatzzahlen stiegen wieder. Die nächste Hiobs-Botschaft: Im hessischen Breidenbach, wo er seine „Perf-Apotheke“ betreibt, eröffnete eine zweite Apotheke. 2009 einigte sich Hesse mit dem Kollegen und kaufte dessen insolventen Betrieb auf. Der ehemalige Konkurrent konnte mit 47 in den Ruhestand gehen, man blieb einander kollegial verbunden. Zu Hesses Unternehmen gehört heute auch die „Sonnen-Apotheke“ in Wallau und die „Paracelsus-Apotheke“ im hessischen Wißmar.
Nach dem Überwinden all dieser Hürden entstand die Geschäftsidee: Wenn Hesse seine eigenen Apotheken sanieren konnte, warum sollte er sein Wissen nicht teilen und Geld damit verdienen? Auf der Suche nach einem Geschäftspartner fand er den Viersener Steuerberater Nelson Cremers. Mit ihm gründete er vor zehn Jahren Aposolut. Hesse sagt: „Apotheker beschäftigen sich nicht gern mit Zahlen. Deshalb haben wir Erfolg.“
Cremers sagt: „Beim Jahresabschlussgespräch mit meinen Mandanten wird immer dieselbe Frage gestellt. Sie wollen wissen wie ihre aktuelle Situation ist und was künftig passieren wird. Es ist meine Aufgabe, einen Ausblick zu geben und darauf hinzuweisen, was nicht so gut läuft.“
Häufig sind die Großhandelskonditionen ein verbesserungswürdiger Posten. „Wir haben gemerkt, dass der Kunde, der selbst in Verhandlungen geht, oft nicht weiß, wie er verhandeln muss.“ Ihm fehlten Vergleichsmöglichkeiten: „Er weiß nicht, was gute, mittlere oder schlechte Konditionen sind.“ Operieren Apotheker im Gespräch dann mit unrealistischen Zahlen, werden sie vom Großhandel nicht ernst genommen.
Die Idee ist einfach: „Der Wareneinsatz macht 74 Prozent der gesamten Kosten einer Apotheke aus“, rechnet Cremers vor. „Die zweitgrößte Position ist mit 10 Prozent das Personal.“ Apotheker fragten sich viel zu selten, ob sie eigentlich vernünftig einkaufen. „Was ich da verliere, kann ich nur mühsam wieder hereinholen“, so Cremers. Sein Fazit: „Das Gejammer in der Branche ist riesengroß. Die Potenziale sind es auch.“
Und die wollen Hesse und Cremers aktivieren. Wo war gleich nochmal der Vertrag mit den Großhandelskonditionen? Der ist unauffindbar oder sie wurden irgendwann einmal mündlich vereinbart? Funktioniert doch auch so. Nach dieser Devise handeln viele Apotheker. Ein Nachverhandeln der Großhandelskonditionen käme ihnen nicht in den Sinn. Weil so ein Gespräch immer ein wenig unangenehm ist.
„Rund 80 Prozent haben überhaupt keinen Vertrag über die Vereinbarungen. Apothekern fällt es schwer, mit dem Außendienstler über Geld zu sprechen, weil eine persönliche Bindung da ist. Wir sagen, dass es zum Kaufmannsleben gehört, über finanzielle Dinge zu sprechen. Wir empfehlen ein jährliches Gespräch mit dem Großhändler. Und wenn der Apotheker es nicht machen möchte, übernehmen wir es", so Cremers.
Den vier Experten von Aposolut ist es nicht unangenehm. Es ist ihr tägliches Brot. Und ein bisschen haben sie sich mit ihrer Geschäftsidee zum Schreckgespenst des Großhandels entwickelt. Dort weiß man mittlerweile: Wenn Aposolut anruft, wird knallhart verhandelt. Cremers sagt: „Wir wissen, wie der Markt läuft und verhandeln auf Augenhöhe. Wir stellen keine utopischen Forderungen. Der durchschnittliche Mehrertrag liegt nach Verhandlungen mit uns pro Apotheke und Jahr bei mindestens 10.000 bis 12.000 Euro im Jahr. Bei größeren Apotheken sind bis zu 30.000 Euro mehr Ertrag möglich. Wir haben ein großes Wissen, mit uns kann man schnell auf den Punkt kommen. Wir brauchen 14 Tage für die Verhandlungen, dann liegen unterschriftsreiche Verträge vor. Schon im Folgemonat greifen die neuen Konditionen.“
Die Mitarbeiter von Aposolut sind nicht die einzigen, die im Teich der hilfesuchenden Apotheker fischen, kürzlich warnte die Noweda ihre Mitglieder von „vermeintlich unabhängigen Beratern, die verdeckt für die Konkurrenz tätig sind.“ Die beiden Experten sehen das gelassen. Und übernehmen auf Wunsch auch gleich das Nachforderungsmanagement ihrer Klienten.
Klingt paradiesisch. Und ist scheinbar ohne Haken: Der Kunde unterschreibt einen Ein-Jahres-Vertrag. Aposolut schlägt nach Prüfung der Unterlagen eine Nachverhandlunggssumme vor, die den Umsatz um Betrag X erhöhen soll. Wird dieses Ziel nicht erreicht, kann der Kunde per außerordentlichem Kündigungsrecht im ersten Monat aussteigen.
Ist der Apotheker mit dem Ergebnis der Nachverhandlungen zufrieden, bezahlt er je nach Apothekengröße zwischen 350 und 550 Euro im Monat. „Es ist bisher nur einmal vorgekommen, dass wir das Nachverhandlungsziel nicht erreicht haben. Der Apotheker wurde trotzdem unser Kunde“, sagt Cremers. Seine Philosophie: „Wir wollen Apotheken erfolgreicher machen.“ Derzeit stehen rund 50 Aposolut-Kunden in seiner Kartei.
Alexander Hesse rät, langfristig zu denken: „Wer als Apotheker heute keinen ordentlichen Gewinn hinbekommt, bekommt später seine Apotheke nicht verkauft. Viele laufen mit dem Traum herum, ich mache Apotheke, dann gehe ich in Rente und habe viel Geld. Das kann man mittlerweile abhaken.“ Aber er weiß auch: „Man kann noch Geld verdienen, wenn man hart hinterher ist.“ Seine vierte Apotheke ist bereits in Planung.
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