Apotheke als Nachbar: Keine Lockangebote

„Wir hacken uns hier nicht die Augen aus“

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Berlin -

Unter Apotheken ist der Wettbewerb mitunter groß. Im oberbayerischen Siegsdorf kommen zwei Betriebe seit fast 50 Jahren gut nebeneinander aus – nur ein Haus trennt die St. Hubertus Apotheke und die Marien-Apotheke voneinander. Die Mitbewerber schildern, warum das Überleben beider Standorte funktioniert.

Die Marien-Apotheke ist ein Traditionsbetrieb und wird seit 2006 von Dr. Jürgen Leikert geführt.Foto: APOTHEKE ADHOC

Der ältere Betrieb in Siegsdorf ist die Marien-Apotheke. Sie gibt es schon seit mehr als 100 Jahren, wenn auch nicht immer am selben Ort. 1897 bekam Leonhard Rüger von der oberbayerischen Regierung „im Namen seiner Majestät des Königs“ die Genehmigung, in der damaligen Einöde Alzing eine Apotheke zu errichten, wie es in der Gründungsurkunde steht. Der damalige praktizierende Arzt hatte seine Handapotheke aufgegeben und an den Pharmazeuten verkauft.

Umzug sorgte für Nachbarschaft

Mit den Jahren wurde der Betrieb immer größer und schließlich war das damalige Gebäude zu klein. 1984 wurde die Apotheke in die heutigen Räume an der Hauptstraße verlegt – und damit in fast direkte Nachbarschaft mit der St. Hubertus Apotheke, die 1978 gegründet und ebenfalls in der Hauptstraße eröffnet worden war. Nach dem Tod des Gründers wurde sie verpachtet. Die letzte Pächterin, Barbara Bindrum, führt sie seit 2008.

Die Apothekerin grübelte jedoch lange, ob sie sich eine Apotheke mit dieser besonderen Nachbarschaft leisten konnte. „Die Standortfrage war schon ein Punkt, bei dem ich überlegt habe. Aber ich bin ein optimistischer Mensch“, sagt sie. Die Zeiten seien vor fast 20 Jahren noch anders gewesen: „Damals war die wirtschaftliche Lage für die Apotheken noch gut, ob ich es heute machen würde, glaube ich nicht“, sagt die 50-Jährige.

Apotheken im Touristengebiet

Doch es scheint genug Kundschaft für beide Betriebe vorhanden zu sein. Das hätten auch die Recherchen Bindrums vor dem Kauf ergeben. Zur Gemeinde in Siegsdorf gehören rund 8500 Einwohner, der Ort liegt unweit vom Chiemsee und den Bergen und ist bei Touristen das ganze Jahr über beliebt. Die nächste Apotheke befindet sich im rund fünf Kilometer entfernten Bergen oder in der rund acht Kilometer entfernten Kreisstadt Traunstein.

Vor allem die Spezialisierung grenzt die beiden Betriebe in Siegsdorf voneinander ab. Die St. Hubertus Apotheke fokussiert sich auf Homöopathie und Naturheilkunde. Die Marien-Apotheke spezialisierte sich besonders auf die Versorgung und Beratung von Patienten mit medizinischen Cannabisblüten und Cannabisextrakten. Inhaber Dr. Jürgen Leikert versorgt mehrere hundert Patienten, er übernahm 2006 von seinem Vater Roland Leikert.

Schnell im Handverkauf sein

Für den Apotheker ist die Nachbarschaft kein Thema. Denn die St. Hubertus Apotheke sei schon immer nebenan gewesen, sagt er. Das Leben miteinander funktioniert. Bei den Dienstzeiten haben sich die Betriebe angepasst – sie öffnen und schließen zu gleicher Zeit. Nur bei der Verfügbarkeit von Arzneimitteln gebe es mitunter Druck, gesteht Leikert. „Für unsere Kunden muss es extra schnell gehen.“ Sein Warenlager hält rund 20.000 Arzneimittel bereit. Denn wenn es eine Schlange von fünf oder sechs Personen gebe, könne es sein, dass sich jemand dazu entscheide, es in der Nachbar-Apotheke zu versuchen. „Da ist man schon ein bisschen unter Druck im Handverkauf.“

2008 übernahm Barbara Bindrum die St. Hubertus Apotheke, nachdem sie sie zuvor gepachtet hatte.Foto: APOTHEKE ADHOC

Auch Bindrum ist es deshalb wichtig, die Lieferfähigkeit hochzuhalten. „Man schaut darauf, dass man den Leuten nicht zu oft sagt, dass es nicht verfügbar ist und sie wiederkommen sollen“, sagt die Apothekerin und betont: „Wir hacken uns hier nicht die Augen aus oder machen uns das Geschäft gegenseitig mit Lockangeboten kaputt.“ Und ans Schließen denkt niemand. Die Kundschaft kann also auch die kommende Zeit wählen, welche der rund 20 Meter voneinander entfernten Apotheken sie ansteuern will.

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