Rassismus im Apothekenalltag

„Wir erwarten keine Dankbarkeit, wir erwarten Respekt“

, Uhr
Berlin -

Laut einer Inhaberin hat der Alltagsrassismus in ihrer multikulturellen Apotheke in der letzten Zeit deutlich zugenommen. Im aktuellsten Fall strapazierte eine Kundin mit Provokationen die Geduld des Apothekenteams bis zum Äußersten. Die Inhaberin plädiert für Gespräche auf Augenhöhe – und Respekt.

Der letzte größere Fall begann mit einem Beratungsgespräch zur Anwendung eines Kortisonsprays. Während der Beratung verlangte die Kundin plötzlich nach einer anderen Mitarbeiterin. Die Unterstellung: Die sie beratende PTA habe keine Berufsausbildung. Ob die Dame bewusst auf den ausländischen Akzent der Mitarbeiterin anspielte, sei laut der Inhaberin zu diesem Zeitpunkt noch unklar gewesen.

Drei Wochen später kam die Kundin mit einem Rezept erneut in die Apotheke. Da die Verordnung bereits abgelaufen war, kümmerte sich das Apothekenteam um ein neues Rezept. Als das E-Rezept vom Arzt freigegeben wurde, rief die Kundin an, um zu erfahren, ob ihr Präparat vorrätig sei.

Kundin reitet auf Akzent herum

Zum Abgleich wollte die Dame dem Apothekenteam ein Foto ihres Präparats zuschicken. Dazu gab die Inhaberin die E-Mail-Adresse der Apotheke durch – erst vollständig, dann per Buchstabiertafel. Die Kundin beschwerte sich daraufhin gezielt über den Akzent der Inhaberin, die angeblich die Buchstaben nicht verständlich aussprechen konnte und verlangte nach einer deutschsprechenden Mitarbeiterin.

Daraufhin konfrontierte die Inhaberin ihre Kundin am Telefon mit ihrem Verhalten. Die Dame habe zwar versuchte sich zu entschuldigen, „aber sie darf mich nicht wegen meines Akzents vorführen oder beurteilen. Betrifft es mein fachlichen Wissen, ist das etwas anderes“, stellt die Apothekerin klar. Für sie ist genau das der springende Punkt. „Wir kommen miteinander nicht weiter, wenn wir nur über Differenzen sprechen. Mein Ziel ist es, dass in meiner Apotheke jeder Kunde – egal welcher Herkunft oder Religion – das richtige Medikament mit einer guten Beratung bekommt. Alles andere ist für mich zweitrangig.“

Die Kundin legte daraufhin einfach auf – das Medikament wurde dennoch für sie bestellt. Doch auch bei der Abholung ließ sie nicht locker: Wieder beschwerte sich die Frau über den Akzent der Inhaberin. „Meine Mitarbeiterin wusste nicht mehr, wie sie reagieren soll, außer die Ruhe zu bewahren und zu sagen, wenn sie irgendwelche Anliegen hat, dass sie diese gerne mit der Chefin persönlich besprechen kann.“

„Ein schreckliches Vorurteil“

Solche und andere Situationen von Alltagsrassismus begegnen dem Apothekenteam immer wieder. „Diese Vorkommnisse sind mittlerweile nicht mehr an einer Hand abzuzählen. Aber wir versuchen, es so zu sehen: Wir sind eine Apotheke, wir spielen eine wichtige Rolle im Gesundheitswesen. Der Kunde darf uns wegen unserer Kompetenzen kritisieren, aber er hat noch lange kein Recht, uns zu beleidigen oder vorzuführen. Wir erwarten keine Dankbarkeit, wir erwarten Respekt.“

Die Inhaberin wolle den Vorfall zwar nicht dramatisieren, „aber wir müssen uns klar gegen ein solches Verhalten positionieren." Meist helfe es schon, Ruhe zu bewahren. Dennoch werde das gesamte Team regelmäßig im Umgang mit anmaßenden Kunden geschult. Die Inhaberin stellt klar: „Wir haben natürlich auch viele Kunden, die sich für unsere kulturellen Hintergründe interessieren oder sagen ‚Sie haben einen schönen Akzent‘.“ Ihre eigene Aussprache könne die Inhaberin nicht kontrollieren oder ablegen. „Ich bin seit fast zehn Jahren in Deutschland. Der Akzent ist Teil meiner Identität und ich denke, das ist etwas sehr Schönes.“

Für viele Menschen sei ein Akzent jedoch ein Zeichen mangelnder Qualifikation oder Bildung. „Das ist ein schreckliches Vorurteil.“ Das Schlimmste daran: „Wir haben viele tolle und freundliche Kunden bei uns. Aber manchmal kommt einer und macht durch unangebrachte Äußerungen und verletzendes Verhalten alles kaputt.“

Guter Journalismus ist unbezahlbar.
Jetzt bei APOTHEKE ADHOC plus anmelden, für 0 Euro.
Melden Sie sich kostenfrei an und
lesen Sie weiter.
Bitte geben Sie eine gültige E-Mail-Adresse ein.
Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Lesen Sie auch
Weiteres
Aktuell keine Beeinträchtigungen
E-Rezept: Erneut TI-Störung bei Arvato»
Probleme bei Noventi-Kunden
E-Rezept: Störung wegen Update»
Digitaler Personalausweis vorgeschrieben
Bild: „dm drangsaliert Mitarbeiter“»
Investitionspaket zur Apothekenstärkung
England: Pille danach bald kostenlos»
„Redundante Einheiten“ im Gesundheitsministerium
USA: Kennedy streicht 10.000 Stellen»
Schaden über 1,5 Millionen Euro
Paxlovid: Inhaberin und Ehemann verurteilt»