Willkommen in der „Höhle der Apotheker“ Patrick Hollstein, 12.10.2019 07:52 Uhr
Apotheke. Mass Market. Apotheke! Nein, Mass Market! Weil es bei der letzten Ausgabe von „Höhle der Löwen“ fast zu Handgreiflichkeiten gekommen wäre, hat sich der Sender Vox ein neues Format überlegt: Bei „Höhle der Apotheker“ dürfen Start-ups Geschäftsmodelle präsentieren, die nur in der Offizin angeboten werden sollen.
Nein, so eine Beinahe-Schlägerei wie am Dienstag wollte man den Zuschauern nicht noch einmal zumuten, waren sich die Verantwortlichen bei Vox einig. Aus der Jury schmeißen wollten sie Kampfhahn Nils Glagau aber auch nicht. Immerhin schien der Chef von Orthomol die Apotheker und ihre Befindlichkeiten so gut zu kennen wie kein anderer Investor. Nur eine Debatte über Vertriebskanäle durfte es unter den Löwen nie wieder geben, das hatten die großen Handelsketten dem Sender klar und deutlich gemacht.
Also wurde die Idee der „Höhle der Apotheker“ geboren. Nicht millionenschwere Investoren, sondern ganz normale Apotheker sollten aus verschiedenen Geschäftsideen auswählen, die nur für die Offizin entwickelt wurden. Ein Ethiker, ein Öko, ein Center- und ein Versandapotheker kamen in die Jury. Jeder Kandidat konnte einen 14-tägigen Testeinsatz in der jeweiligen Apotheke gewinnen.
Gleich in der ersten Sendung gab es einen Strauß an Ideen: Zwei Programmierer stellten einen Dekodierer für Arztunterschriften vor, zwei BWL-Studenten präsentierten den „Grohare-Erk“ (Großhandelsrechnungserklärer). Weitere Kandidaten zeigten eine Fußmatte, die Rezeptfehler erkennt und die Kunden mit einem Warnsignal vom Betreten der Apotheke abhält, eine Schaufensterdekoration, die anhand der Pupillengröße das Krankheitsbild identifziert und das Motiv wechselt, und ganz zum Schluss ein Roboter, der PTA beaufsichtigt.
Die Apotheker waren begeistert. Der Ethiker nahm PTA-Pepper, auch die anderen Projekte fanden ihre Abnehmer. Weniger euphorisch war man allerdings bei Vox. Die Sendung war ein absoluter Quotenkiller und wurde noch während der Erstausstrahlung abgesetzt. Stattdessen gab es eine Wiederholung von „Shopping Queen“. Das funktioniert immer.
Entzündet hatte sich der reale Streit bei „Höhle der Löwen“ am Dienstag übrigens am Projekt „BitterLiebe“. Zwei junge Gründer aus Mannheim wollten mit Bitterstoffen eine neue Klientel erobern. Orthomol-Chef Nils Glagau sah seine Chance: „Ihr müsst in die Apotheke!“ Ralf Dümmel hielt dagegen, mit seiner Hilfe könne man im Mass Market in ganz andere Dimensionen vorstoßen.
Nun war Glagau in Fahrt: Veluvia – seinerzeit immerhin als Konkurrenz zu Orthomol angetreten – sei mangels Erfolg im Mass Market schnell in der Apotheke gelandet. Heute sei das Produkt „kaputt“. „Nein“, intervenierte Dümmel. „Doch!“ „Wenn du die Story nicht detailliert kennst, solltest du hier nicht so reden!“ So ging es eine Weile hin und her, überraschend räumte schließlich Judith Williams den Deal ab. Das Ende vom Lied: „BitterLiebe“ ist jetzt bei dm zu finden.
Ebenfalls bei dm gibt es Ginkgo – nicht als Arznei-, sondern als Nahrungsergänzungsmittel. Weil Queisser sind Produkt „Doppelherz aktiv Ginkgo + B-Vitamine + Cholin“ auf der Vorderseite damit bewirbt, dass es gut „für Gehirn, Nerven, Konzentration und Gedächtnis“ ist, hat Dr. Willmar Schwabe geklagt. Der Tebonin-Hersteller findet, dass die Aufmachung gegen die Health-Claims-Verordnung verstößt. Der Fall hat es bis zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) geschafft. Der Generalanwalt vertritt die Meinung, dass die Erläuterung der Wirkversprechen auf der Rückseite völlig ausreichend ist.
Deutsche Gerichte sind da strenger: Der vom Erfolg verwöhnte Hersteller Allergosan hat bei Omnibiotic Ärger mit dem Verband Sozialer Wettbewerb (VSW). Der findet Kennzeichnung und Werbung beim Nahrungsergänzungsmittel OmniBiotic Stress irreführend und hat im Eilverfahren Bezeichnung und diverse Aussagen untersagen lassen. Allergosan setzt jetzt auf SR-9 – und auf den Bundesgerichtshof (BGH).
Aber lieber irregeführt als mit B-Ware abgespeist, möchte man meinen. Ein Apotal-Kunde wunderte sich, warum sein Paket verschiedene zerbeulte Packungen und sogar eine Flasche Mundwasser mit aufgebrochenem Original-Siegel erhielt. „So hätte die Lieferung nie das Lager verlassen dürfen“, sagt er. Er vermutet, Retourenware erhalten zu haben. Die Erklärung des Versenders war für ihn mehr Ausrede als Rechtfertigung. Fun Fact: Bei Testbild punktete Apotal und schaffte es auf Rang 3. Und Fun Fact zum Fun Fact: Auch Bild der Frau findet Versandhandel praktisch.
Eine andere große Versandapotheke sah sich zuletzt in der Opferrolle: Dass drei Apotheker aus der Region gegen den Abgabeautomaten in Hüffenhardt klagten, waren laut DocMorris zwei Apotheker zu viel. Das Oberlandesgericht Stuttgart teilte diese Betroffenensicht nicht: Es sei nicht anzunehmen, dass sachfremde Ziele das beherrschende Motiv seien. Die geltend gemachten Wettbewerbsverstöße seien gravierend; ein Einschreiten der Apotheker liege in deren offensichtlichem Interesse als betroffene Mitbewerber – daran änderten auch das parallele Einschreiten der Behörde und die Prozesskostenhilfe durch die Noweda nichts.
Vorerst keine Sorgen machen müssen sich Apotheker, darüber dass ihnen Konkurrenz aus der Luft droht. Der Hype um Arzneimittellieferungen via Drohne scheint jedenfalls einstweilen vorbei zu sein. Schade, wollten wir gerade bei den Löwen anmelden. Dann eben den Apotheken-Parkautomaten. Fünf Millionen Euro für 0,01 Prozent der Anteile. Irgendjemand wird bestimmt anbeißen. Schönes Wochenende!