In der Durchschnittsapotheke ist die Welt noch in Ordnung. Da wird geherzt und gelacht, da fliegen Schmetterlinge durch die Offizin und es duftet nach Frühling. Der Durchschnittsapotheke geht es gut, hier kennt man keine wirtschaftlichen Sorgen. Das war irgendwie die Botschaft, die in dieser Woche an die Öffentlichkeit gesendet wurde. Ja: „Wir sehen Rot.“ Aber: Rot wie eine Schachtel Mon Chéri.
Na, gehören Sie auch zu einer Durchschnittsapotheke? Jenen Betrieben, in denen man vielleicht keine großen Sprünge machen kann, in denen es aber für alle reicht. Wo alle sich mögen und jeden Tag ein Bouquet frischer Schnittblumen auf dem HV-Tisch steht. Wo es zwei Zeitschriften für jeden Kunden gibt, eine Tüte mit Kosmetikpröbchen und natürlich auch zwei Kalender. Wo das Team dreimal im Jahr zum Betriebsausflug in einen Vergnügungspark reist und sich vor Weihnachten auf einen üppigen Präsentkorb und das 14. Monatsgehalt freuen darf. Und wo der Chef sich mittwochs und freitags, natürlich fröhlich aus seinem Porsche winkend, auf den Golfsplatz verabschiedet.
Zugegeben, ganz so rosig war die Durchschnittsapotheke nicht, wie sie auf dem DAV-Wirtschaftsforum vorgestellt wurde. Aber mit 3,4 Millionen Euro Umsatz und 148.000 Euro Vorsteuergewinn konnte sie doch ganz respektable Zahlen einfahren. Für jemanden, der unter Apotheke ein kleines Geschäft mit hohen Preisen versteht, klingt das doch gar nicht so schlecht. Abgesehen von den drei Jahren zuvor (Corona!) lief es noch nie besser. Was hammse denn nur, diese Apotheker?
Die Botschaften, die eigentlich von der Veranstaltung in Potsdam ausgehen sollten:
Umso drastischer wurden daher andere Warnungen formuliert: Ein Viertel der Apotheken befindet sich in einer wirtschaftlichen Notlage. Unternimmt die Politik nichts, gibt es in drei Jahren bestenfalls nur noch 14.000 Apotheken, im schlimmsten Szenario sogar nur noch 10.000 Betriebsstätten. Zwischen 1000 bis 2500 Apotheken könnten demnach vom Netz gehen – pro Jahr!
Das war nun wieder ein wenig zu alarmistisch – andererseits wird beim Wirtschaftsforum seit jeher der Teufel an die Wand gemalt. Schon 2014 beschwor der damalige DAV-Vorsitzende Fritz Becker eine Anhebung des Apothekenhonorars als „essenziell, wenn der Beitrag der Apotheker an der Versorgung langfristig gesichert werden soll“. Passiert war seitdem – gar nichts.
Immerhin beschäftigt man sich bei der Abda jetzt mit der Frage, wie die – hoffentlich irgendwann – erhöhte Vergütung überhaupt verteilt werden soll. Der Gießener Volkswirt Professor Dr. Georg Götz brachte ein gestaffeltes Honorar ins Spiel, ab der 15.007. Packung gibt es ein niedrigeres Fixum. Das ist (noch) nicht die Position der Abda, die noch vor einem Jahr von einem ähnlichen Vorschlag der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern absolut nichts wissen wollte.
Lauterbach dagegen hält an seinen Plänen fest, die prozentuale Marge umzuverteilen und Filialen ohne Approbierte zu erlauben. Damit will er nach eigenen Angaben den Fachkräftemangel abfedern, der ihm in dieser Woche noch einmal vom Sachverständigenrat in Gestalt eines umfangreichen Gutachtens in die Hand gedrückt wurde. „Wir werden es nicht schaffen, Apothekenstandorte allesamt so zu betreiben, dass immer ein Präsenzapotheker da ist.“
Diametral anders sieht es Professor Dr. Dr. Udo Di Fabio, ehemaliger Richter am Bundesverfassungsgericht: „Wenn der Staat die Rahmenbedingungen für die Apotheken verschlechtert, darf er sich nicht wundern, wenn er am Ende faule Kompromisse machen muss, die zu Lasten der Qualität gehen.“ Das aber sei mit dem Schutzanspruch nicht in Einklang zu bringen: Um Geld zu sparen, darf der Staat nicht die Qualität der Arzneimittelversorgung reduzieren.“
Als Patient habe man einen Anspruch darauf, Arzneimittel nur aus versierter Hand zu bekommen. Und als Apotheker könne man darauf pochen, seinem Beruf nach dem bestehenden Leitbild nachgehen zu wollen – ohne plötzliche Konkurrenz durch neue abgespeckte Betriebsformen. „Ich weiß nicht, was Karl Lauterbach plant, aber er dürfte die Risiken kennen.“ Ob die Abda aus diesem Gutachten etwas machen wird, drückt Overwiening so aus: Eine Klage in Absprache mit Juristen zu prüfen und durchzusetzen, schließe man auf keinen Fall aus.
Die Freie Apothekerschaft ist da schon deutlich weiter: Vier Mitglieder haben Klage gegen die Bundesrepublik eingereicht, weil diese ihrer gesetzlichen Verpflichtung nicht nachgekommen sei, das Fixum regelmäßig zu prüfen und für eine auskömmliche Honorierung zu sorgen. Auch wenn es bis zu einer Entscheidung lange dauern wird, rechnet man sich gute Erfolgsaussichten aus.
Das Wirtschaftsministerium ließ im Bundestag auf Nachfrage der Union prompt wissen, was es davon hält: „Eine strikte Kopplung an die allgemeine Inflationsentwicklung ist gerade nicht vorgesehen“, so Staatssekretär Michael Kellner. Die „berechtigten Interessen“ der Apotheken seien nur einer von mehreren Aspekten. Eine isolierte Betrachtung des Festzuschlags sei nicht aussagekräftig.
Zumindest die FDP will das Thema jetzt angehen, am Rande des Parteitags soll über ein Papier aus Thüringen gesprochen werden, das schon von Baden-Württemberg und Hessen für gut befunden wurde.
Wenn nichts passiert, zumindest da ist man sich einig, wird das Apothekensterben weitergehen. Auch große Verbünde sind davor nicht gefeit – hier gab es zum zweiten Mal in Folge die höchste Schließungsquote, was freilich auch damit zu tun haben dürfte, dass man auch mit drei Standorten noch gut verhandeln kann.
Wie gut sich noch verhandeln lässt, werden die kommenden Wochen zeigen. Nachdem Skonto auf Rx weitgehend gestrichen wurde, müssen die Großhänder nun ihre Lieferkonditionen anpassen. Das könnte dann nicht nur die unterdurchschnittlichen, sondern auch die großen Apotheken treffen.
Wenn alles nichts mehr hilft, gäbe es nur noch eine Lösung – die darin besteht, den aktuellen Trend konsequent zu Ende zu denken: Alle Apotheken schließen bis auf eine. Dann klappt’s auch wieder mit der Durchschnittsapotheke.
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