Wie sich ein Apothekenerbe um eine halbe Million brachte Alexander Müller, 05.03.2020 10:20 Uhr
Hätte er doch verkauft. Der Erbe der seinerzeit verpachteten Markt-Apotheke in Phillipsburg hatte mit Apotheker Dr. Steffen Hauth verhandelt – ohne Ergebnis. Als Hauth unweit eine eigene Apotheke eröffnet, wurde er von dem Apothekenerben auf einen sechstelligen Betrag verklagt. Doch das Landgericht Karlsruhe entschied nun, dass der Apothekenerbe keinerlei Ansprüche hat. Im Gegenteil: Jetzt muss er 18.450 Euro an Hauth überweisen.
Nach dem Tod des früheren Inhabers hatte seine Witwe die Apotheke im Jahr 2009 an Hauth weiter verpachtet. Als sie im Mai 2017 verstarb, durfte das Pachtverhältnis nur noch ein Jahr weiter bestehen. Die Verkaufsverhandlungen mit dem Erben scheiterten an zu unterschiedlichen Vorstellungen: Die Treuhand Hannover bewertete die Apotheke für Hauth mit 400.000 Euro, der Erbe wollte erst 520.000 Euro. Doch statt sich wie von Hauth vorgeschlagen in der Mitte zu treffen, forderte die andere Seite jetzt 850.000 Euro nach der sogenannten Bargeldmethode. Da jetzt keine Einigung mehr in Sicht war, endete der Vertrag Ende Mai 2018. Am 24. Juli eröffnete Hauth die „Apotheke am Markt“ in den Räumlichkeiten eines ehemaligen Schlecker-Marktes, nur 80 Meter vom alten Standort entfernt.
Der Erbe klagte auf Schadensersatz. Aus seiner Sicht hat Hauth den Pachtgegenstand nicht vollständig zurückgegeben. Der Apotheken-Erbe verlangte auch die Schließung der neuen Apotheke und zusätzlich Schadensersatz für die seit Auszug entgangene Miete. Beim ersteb Treffen vor Gericht lagen Forderungen von rund 800.000 Euro auf dem Tisch. Hauth erhob im Verfahren Widerklage: Denn die im Rahmen der Verkaufsverhandlungen durchgeführte Nutzflächenbewertung hatte ergeben, dass er jahrelang zu viel Miete gezahlt hatte.
Nach mehreren Versuchen der Richterin, eine gütliche Einigung herbeizuführen erging am Montag das Urteil – mit einem vollen Erfolg für den Apotheker: Der Erbe hat demnach weder Anspruch auf Schließung der Apotheke am Markt noch auf den geforderten Schadensersatz. Auch die Mietfrage wurde voll zu Gunsten des Apothekers entschieden.
Beim Pachtvertrag seien die Besonderheiten des Apothekenrechts zu beachten, begründet das Gericht. Eine Verpachtung sei nur unter den Voraussetzungen des § 9 Apothekengesetz (ApoG) überhaupt zulässig. Und nach dem Tod der Apothekerwitwe durfte das Pachtverhältnis von ihren Erben nur noch für maximal ein Jahr fortgeführt werden. In dieser Zeit musste das Pachtverhältnis abgewickelt werden. Mit anderen Worten: Der Erbe hatte nach Ablauf der Frist gar kein Recht mehr, die Apotheke weiter zu verpachten. Seine Antrag auf Feststellung des Gegenteils war damit laut Urteil schon unzulässig. Unbegründet war er demnach außerdem, da der Apotheker den Pachtgegenstand vollständig zurückgegeben habe.
Der Erbe hatte unter anderem die Herausgabe der Telefon- und Faxnummer, des Internetauftritts und der Kundendatei verlangt. Doch das Gericht lehnte dies mit Verweis auf den Pachtvertrag ab. In diesem war unter anderem geregelt, dass Apotheker Hauth keine bestehenden Verträge seines Vorgängers – etwa mit dem Großhändler oder Rechenzentrum – übernehmen muss, er auf der anderen Seite aber eigenständig geschlossene Verträge zum Pachtende kündigen darf. Telefonanschluss und Homepage waren daher stets in seinem Besitz gewesen.
Es sei auch nie vereinbart worden, dass der Kundenstamm bei Rückgabe übertragen werden müsse, hielt das Gericht fest. Und überhaupt: Eine Apotheke habe hauptsächlich Laufkundschaft, so die Richter. Der Kläger habe nie erklärt, um welche Daten der Stammkundschaft es ihm genau gehe. Apotheker Hauth hatte zudem darauf hingewiesen, dass er schon aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Kundendaten weitergeben dürfe.
Auch eine Schließung der neuen Apotheke konnte der Ex-Verpächter nicht durchsetzen. Denn der Pachtvertrag enthalte eben kein Wettbewerbsverbot, obwohl das laut Gericht genauso üblich wäre wie ein damit verbundener Unterlassungsanspruch und Vertragsstrafen im Fall der Zuwiderhandlung. Aus Sicht des Klägers besteht das Wettbewerbsverbot aber immer als „nachvertragliche Treuepflicht“ des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
In den von der Klägerseite zitierten Urteilen zum Wettbewerbsverbot sei es um gänzlich andere Sachverhalte gegangen, entgegnete das Gericht. Die Entscheidungen seien schon deshalb nicht anwendbar, weil im vorliegenden Fall der Pachtvertrag zwangsläufig und aufgrund der apothekenrechtlichen Besonderheiten beendet werden musste. „Unter den gegebenen Umständen wäre es aufgrund der fehlenden vertraglichen Regelung vielmehr sittenwidrig, dem Beklagten den Betrieb der ‚Apotheke am Markt‘ zu untersagen“, heißt es im Urteil.
Einen Rüffel des Gerichts handelte sich Haut lediglich für ein Hinweisschild ein, mit dem er am alten Standort vorübergehend auf den vermeintlichen „Umzug“ der Apotheke hingewiesen hatte. Aber der Zettel sei schließlich vor Übergabe der Pachtsache wieder entfernt worden, sodass die Tatsache einer ordnungsgemäßen Rückgabe der Apotheke nicht entgegenstehe, so das Gericht.
Und dann war da noch die Sache mit Hauths Widerklage. Laut Pachtvertrag hat Hauth eine Fläche von 370 m2 für monatlich 4500 Euro netto gemietet. Die Messung ergab aber nur eine Fläche von 269 m2. Wegen der erheblichen Abweichung von mehr als 20 Prozent forderte Hauth Rückzahlung für die zu viel gezahlte Miete, soweit die Ansprüche noch nicht verjährt waren. Konkret 10 Prozent runter zwischen Januar 2015 und 2018, mithin 18.450 Euro plus Zinsen. Diese Ansprüche sind laut dem Landgericht Karlsruhe berechtigt. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, der Erbe kann noch in Berufung gehen.