Mit Abmahnungen kann man sein täglich Brot verdienen. Auch Apotheken werden regelmäßig Opfer von vermeintlichen Mitbewerbern und ihren Abmahn-Anwälten. Die finden fast immer kleine Fehler auf der Internetseite oder in der Präsentation des Nebensortiments und kassieren dann für das Einholen einer strafbewährten Unterlassungserklärung vierstellige Beträge. Das wiederum lockt auf der Gegenseite Anwälte an, die ihr Geld mit dem Schutz vor Abmahnungen verdienen wollen.
„Keine Angst, das ist keine Abmahnung“, beginnt das Schreiben von Rechtsanwalt Tino Gunkel aus Erfurt. Er hat es an Apotheken verschickt und bringt sich als Berater und Vertreter „in allen Rechtsangelegenheiten des Apothekenalltags“ ins Spiel – „gegen eine geringe monatliche Pauschalgebühr“.
Gunkel nutzt als Aufhänger die größte Abmahnwelle, die zumindest in der jüngeren Vergangenheit über die Apotheker hereingebrochen ist: Kurz vor Weihnachten waren mehrere tausend Inhaber bundesweit von ihrem Kollegen Hartmut Wagner aus Schwäbisch Hall und seinem Leipziger Rechtsanwalt Christoph Becker abgemahnt worden. Die Aktion war nicht besonders gut vorbereitet und verlief schnell im Sande – wenngleich die staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen die beiden noch laufen.
Auch Gunkel weist darauf hin, dass die Apotheker Glück im Unglück hatten. „Was aber, wenn einer Ihrer Kollegen demnächst einen etwas geschickteren Anwalt beauftragt?“ Denn es sei ein Fakt, dass zahlreiche Onlineauftritte „rechtlich fehlerhaft sind“, so Gunkel. Zumal es ständig Aktualisierungen gebe, vor einem Jahr etwa die neuen Informationspflichten.
Ohne Rechtsanwalt habe man so gut wie keine Chance, alles richtig zu machen, warnt Gunkel – und wird dann selbst etwas ungenau: „Die nächste wichtige Änderung erfolgt aktuell am 26.06.2015. Ab diesem Tag müssen Versandapotheken das neue EU-Versandhandelslogo verwenden“, heißt es in dem Schreiben.
Tatsächlich wurde das neue Logo zu diesem Stichtag freigeschaltet, das alte DIMDI-Logo dagegen abgeschaltet.Verpflichtend ist das Führen des Logos aber erst am 26. Oktober. Gunkel spricht die Übergangfrist im nächsten Satz zwar an, die Aussage zum Junitermin ist dennoch falsch.
Gunkel vertritt nach nach eigenem Bekunden nicht nur zahlreiche Apotheker, sondern auch mehrere Apothekerkammern. „Ich habe daher nicht nur Einblick in die Sorgen und Nöte der Apotheker, sondern weiß auch, wie bei den Behörden gearbeitet wird.“ Apotheker mit Interesse an einem „Dauerberatungsvertrag“ sollen sich umgehend melden: „Als Einzelanwalt sind meine Kapazitäten leider begrenzt“, schreibt Gunkel.
Vollkommen ausgelastet scheint der Erfurter Anwalt derzeit jedoch nicht zu sein, sonst könnte er sich die Kaltakquise sparen. Grundsätzlich dürfen Anwälte bei potentiellen Kunden werben, solange sie sich nicht auf einen konkreten Einzelfall beziehen. In der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) heißt es dazu: „Werbung ist dem Rechtsanwalt nur erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist.“ Ein Scheidungsanwalt darf beispielsweise nicht gezielt jemanden ansprechen, von dessen Trennung er erfahren hat.
Entscheidend ist zudem, dass entsprechende Anschreiben mit der Post und nicht per Fax oder E-Mail geschickt werden. Das war bei Gunkel der Fall. Dem Brief lag allerdings ein vorausgefülltes Antwortformular bei, mit dem der Auftrag erteilt werden kann.
Kollegen finden das zumindest grenzwertig: „Das geht schon über ein anwaltliches Informationsschreiben hinaus“, sagt ein Rechtsanwalt, der namentlich lieber nicht auftauchen möchte. Zwar sind Abmahnungen unter Anwälten nicht die Regel, sie kommen aber vor. Bei umstrittenen Werbeaktionen wird meist zunächst die Anwaltskammer eingeschaltet.
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