Schon oft erlebten Apotheken erhebliche Probleme bei der Umstellung auf VoIP. Doch wohl selten waren Wespen an einem Kommunikations-GAU beteiligt. Einen 70-jährigen Pharmazeuten in einem oberhessischen Dorf schnitt ein ganzes Nest von der Außenwelt ab, die Folgen hielten ihn fast eine ganze Arbeitswoche in Atem. Sogar sein erstes Handy überhaupt musste er sich zulegen.
Vor 37 Jahren baute Hansmann seine Apotheke im Wohratal auf der grünen Wiese unweit der 2300-Seelen-Gemeinde Wohra. Viele Stürme hat er bereits überstanden. Doch als die Kommunikationstechnik von analog auf VoiP umgestellt werden sollte, nahm das Drama seinen Lauf. Dabei waren die Arbeiten minutiös geplant: Zuerst sollte die Telekom den Anschluss umstellen, nach dem grünen Licht aus der Zentrale sollten die Techniker im dörflichen grauen Schaltkasten entsprechende Relais umlegen. „Mein Elektriker, der die VoiP-Anlage anschließen sollte, hatte mit dem örtlichen Telekom-Mitarbeiter eine Benachrichtigung vereinbart, wenn er loslegen kann.“ Um 8.30 Uhr und damit früher als erwartet habe das Telefon nicht mehr funktioniert, erzählt Hansmann. „‚Prima, dann kann die Umstellung ja schon schnell über die Bühne gehen‘, dachte ich mir zuerst.“
Doch der Elektriker bekam keinen Anruf. „Ich habe viermal von meinem privaten Anschluss bei der Störungsstelle der Telekom angerufen, jedes Mal hatte ich einen anderen Ansprechpartner, keiner wusste Bescheid.“ Im Laufe des Tages erreichte Hansmann eine Nachricht, was passiert war: „Durch die Luftschlitze des Verteilerkastens waren Wespen eingedrungen und hatten sich dort ein Nest gebaut. Davon wusste der Techniker nichts. Als er den Kasten öffnete, wurde er mehrfach ins Gesicht gestochen.“ Einen Kollegen, der sich danach an den Arbeiten versuchte, traf es am Ellenbogen.
Bei allem Mitleid mit den betroffenen Monteuren musste Hansmann gleichwohl die Erreichbarkeit seiner Apotheke gewährleisten: „Ich habe einen Versorgungsauftrag zu erfüllen und muss erreichbar sein, sonst kriege ich Ärger mit dem Regierungspräsidenten.“ Noch am Montag schaltete er einen Anwalt ein. Viele Anrufe seien ins Leere gegangen: „Manche Kunden haben uns hinterher gefragt, ob unser Telefon kaputt ist. ‚Dieser Teilnehmer ist momentan nicht erreichbar‘, bekamen sie am Dienstag als Meldung“, erzählt Hansmann. „Wer weiß, wie viele Notfälle nicht zu uns durchgekommen sind?“
Durch Zufall erfuhr er, dass eine Rufumleitung auf ein Mobiltelefon möglich sei. „Die Telekom hat mir das nicht gesagt. Ich fuhr dann 26 Kilometer in die nächste Stadt, kaufte mir mein erstes Handy überhaupt und schloss einen Mobilfunkvertrag ab.“ Die Telekom schaltete die Umleitung am Dienstagabend frei. Seitdem war die Apotheke zumindest provisorisch wieder erreichbar. „Die verlorene Arbeitszeit und die Vertragskosten wird mir wohl niemand erstatten, auch der Anwalt schreibt mir noch eine Rechnung.“ Niemand habe den Eindruck vermittelt, sich so recht für die Beseitigung des Wespennests verantwortlich zu fühlen, weder die Telekom noch die örtliche Feuerwehr noch der lokale Imker, so Hansmann.
Das Kommunikationschaos der Telekom nahm derweil kein Ende: „Am Donnerstagmorgen teilte uns eine Dame den neuesten Stand der Dinge mit, sie hätten Ärger mit einem Wespennest, sagte sie mir. ‚Das wissen wir schon seit Montag‘, antwortete ich.“ Noch am selben Abend erreichte ihn die erlösende Nachricht, dass das Nest entfernt sei. Noch immer laufe nicht alles rund, die VoIP-Anlage sei noch nicht angeschlossen, damit fehle auch der Internetanschluss für das Warenwirtschaftssystem der ADG, so Hansmann.
Sein Groll auf die Telekom wird sich so bald nicht legen: „Da vermittelt man uns Otto Normalverbrauchern, dass wir den Hut vor der Technik ziehen müssen“, sagt der Apotheker. „Aber wenn so ein Störfall wie dieser passiert, dann beruft sich die Telekom auf höhere Gewalt.“ Wespennester seien auf dem Land nichts ungewöhnliches. „Da muss frühzeitig gehandelt werden, man darf da nicht erst abwarten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist.“
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