Zwei Jahre wirbt Günther Jauch bereits für Shop Apotheke. Auch wenn die Kampagne nicht neu ist, sorgt sie bei deutschen Apothekerinnen und Apothekern immer noch für Empörung. Denn Jauchs Gesicht wird auch für das E-Rezept genutzt, und hier gibt es zumindest teilweise wieder Rx-Boni. Regine Hartung aus Hessen machte ihrem Ärger am Wochenende Luft und schrieb den beliebten TV-Moderator an. Wenige Tage später kam die Antwort per Post.
Seit 2004 ist Hartung selbstständige Apothekerin. Sie führt die Apotheke am Marktplatz in Ortenberg als Offene Handelsgesellschaft (OHG) mit ihrem Bruder. Den Betrieb übernahmen beide von den Eltern – eine klassische Apothekenhistorie, wie man sie vielerorts bei Landapotheken vorfindet. Und so kommt es auch, dass das Thema Apotheke mit nach Hause genommen wird. Am Wochenende sprach die Pharmazeutin im Famiienkreis über Versandapotheken – und darüber, wie es sein kann, dass ein „eigentlich ganz cooler“ Mensch wie Jauch für einen ausländischen Konzern wirbt.
Haben Sie es wirklich nötig, für eine niederländische Online-Apotheke Werbung zu machen?
Kurzerhand schrieb sie ihm daraufhin am Sonntag eine E-Mail. Sie fand online den Kontakt zu seinem Weingut von Othegraven in Rheinland-Pfalz, das der TV-Star 2010 übernommen hat. Zunächst konfrontierte die Apothekerin Jauch mit vier knallharten Fragen: „Haben Sie es wirklich nötig, für eine niederländische Online-Apotheke Werbung zu machen? Haben Sie Geldnot oder vielleicht schlechte Erfahrungen gemacht mit den Vor-Ort-Apotheken in Potsdam? Warten Sie lieber auf den Postboten am übernächsten Tag, wenn Ihre Familie nachts vom Brechdurchfall heimgesucht wird? Freuen Sie sich, wenn Ihr Nachbar Wein aus Neuseeland oder Südafrika im Internet bestellt?“
Daraufhin folgte der kritische Hinweis auf die Folgen seiner Partnerschaft mit Redcare beziehungsweise Shop Apotheke: „Leute wie Sie unterstützen die apothekenfeindliche Politik unseres Gesundheitsministers und somit die Vernichtung der wohnortnahen Versorgung mit Medikamenten. Vielen Dank dafür!“ Sie schloss die Mail mit einem Gruß einer „‚noch existierenden‘ oberhessischen Land-Apotheke“.
Die Antwort kam prompt – und ganz undigital per Post. Der Brief wurde an die Apotheke geschickt – ohne Absender. Erst beim Öffnen war klar, dass Jauch dahintersteckt. Bei dem Schreiben handelte es sich um einen Ausdruck, der Platz für Anrede, Datum und Absender ließ. Diese wurden – offenbar von Jauch – handschriftlich ausgefüllt. Er habe sich sehr über die Zuschrift gefreut, heißt es am Anfang.
Dann folgte auf einer Seite eine Erklärung: Zunächst ging Jauch darauf ein, dass die elektronische Gesundheitskarte (eGK) seit Jahrzehnten beschlossen sei, aber erst seit kurzem wirklich eingesetzt werde, was den Alltag der Patientinnen und Patienten erleichtere. „Vor allem das E-Rezept wurde jahrelang nicht realisiert“, schreibt er. Stattdessen seien in Deutschland noch immer rund 450 Millionen Papierrezepte pro Jahr ausgestellt worden. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) habe diesen Zustand „deprimierend“ genannt. „Diese Form der Digitalisierung war also absolut überfällig und sie – auch durch die Apothekerlobby – lange verhindert zu haben, war aus meiner Sicht nicht sinnvoll.“
Bitte bedenken Sie auch, dass gerade für alle, die nicht in Städten wohnen, dieser Service einschließlich der schnellen Lieferung ein entscheidender Vorteil ist.
Dann betont er, dass für die Shop Apotheke ja auch 100 Angestellte tätig seien. Und der Service wie die Beratung über Telefon oder Chat rund um die Uhr angeboten werde. „Bitte bedenken Sie auch, dass gerade für alle, die nicht in Städten wohnen, dieser Service einschließlich der schnellen Lieferung ein entscheidender Vorteil ist.“
Jauch geht auch auf Hartung ein: „Aber ich stimme Ihnen zu, natürlich bleibt die stationäre Apotheke vor Ort eine wichtige Instanz.“ Gerade für ältere Menschen, die digitale Angebote nicht nutzten. Doch jeder sollte die Wahl haben. Dass Apotheken dadurch Umsatz an neue Wettbewerber verlieren würden, sei „eingeräumt“. „Auf der anderen Seite: Eine Apotheke erwirtschaftete 2020 im Schnitt 2,7 Millionen Euro – 2012 waren es nur 1,8 Millionen Euro.“
Er wolle die Vorteile der Vor-Ort-Apotheke genauso wenig verkennen, wie die der Notdienste im städtischen Bereich. Doch er wolle zu Bedenken geben: „Gerade einmal 0,7 Prozent des gesamten Apothekenumsatzes in Deutschland entfallen auf Versandapotheken. Angesichts dieser Zahl vermag ich nicht nachvollziehen, dass ausgerechnet Versandapotheken für mögliche Probleme von stationären Apotheken in Deutschland ursächlich verantwortlich sein sollen.“ Tatsächlich liegt der Anteil der Versandapotheken am Gesamt-OTC-Umsatz laut dem Bundesverband Deutscher Versandapotheken bei 20 Prozent; bei Rx-Arzneimitteln 1 Prozent. Dann schloss Jauch den einseitigen Brief mit einem Dank für die Nachricht, auch wenn man unterschiedlicher Meinung sei. „Vielleicht können Sie sogar einige meiner Argumente nachvollziehen.“
Dies kann Hartung wiederum nicht. Im Gegenteil. Ob Jauch oder Shop Apotheke hinter dem Schreiben steckt, ist unklar. Hartung geht davon aus, dass es sich um eine Formulierung der PR-Abteilung der Niederländer handelt. „Ich kann nicht nachvollziehen, dass er diese Werbung macht.“ Die Apothekerin ruft Kolleginnen und Kollegen dazu auf, ihm ebenfalls zu schreiben.
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