„Wer gegen Grippe impft, braucht keine extra Schulung“ Carolin Ciulli, 01.12.2021 14:48 Uhr
Die Kritik an Impfungen durch Apotheker:innen teilen nicht alle Ärzt:innen. Ein Befürworter ist Dr. Thomas Menn aus Berlin. Der Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen schulte bereits zahlreiche Pharmazeut:innen für Grippeimpfungen. „Bei Covid-19 ist das nichts anderes“, sagt er. „Ich wüsste keine Argumente, die gegen Apotheker sprechen.“
Menn kennt zahlreiche Apotheker:innen. Seit September 2020 schult er Pharmazeut:innen für Modellprojekte zur Grippeimpfung in den Kammerberzirken Nordrhein, Westfalen-Lippe, Niedersachsen und Berlin. Dementsprechend steht er hinter der Erweiterung ihrer Kompetenzen: „Selbstverständlich können Apotheker impfen. Ich sehe da kein Problem.“
„Apotheken nehmen den Ärzten nichts weg“
Voraussetzung sei natürlich eine Schulung. Die Kurse seien anspruchsvoll und nicht nebenher zu machen, sagt Menn. In der aktuellen Pandemie-Situation sei es wichtig, dass Apotheken mithelfen können, die Impfquote zu erhöhen. „Apotheken nehmen den Ärzten doch nichts weg. Es geht doch um Menschen, die nicht zu den Bestandspatienten gehören. Junge Menschen, die keinen Hausarzt haben, können sich an Apotheken wenden.“
Die Apotheken können seiner Ansicht nach ihren Teil dazu beitragen, dass sich möglichst viele Menschen impfen lassen. Dazu bedarf es einer praktischen und theoretischen Schulung. Dabei werde beispielsweise erklärt, wo und wie die Spritze angesetzt werden müsse. Die Injektionsstellen seien gleich – egal ob Grippe oder Covid-19, so Menn. Auch bei der Coronaimpfung müsse in den Muskel und nicht in die Sehne oder den Knochen gespritzt werden.
Zudem nehme der Bereich Erste Hilfe einen großen Teil ein. Erklärt werde etwa, welche Anzeichen für einen anaphylaktische Schock sprechen und was zu tun ist. „Zuerst muss der Notarzt gerufen werden“, betont Menn. Im schlimmsten Fall eines Atem- und Kreislaufstillstandes müsse eine Herzmuskelmassage durchgeführt werden. Menn sieht die Apotheken gut aufgestellt, da jeder größere Betrieb über einen Ersthelfer verfüge. Zudem seien die Apotheken mit kritischen Situationen vertraut.
Menn verweist auf andere Länder
Wichtig sei zudem eine ausführliche Anamnese. Die Risikoeinschätzung müssten Apotheker:innen treffen. Zudem gehöre das Aufklärungsgespräch dazu. Für das Abwägen gebe es nicht die „eine“ Checkliste, da jeder Patient und menschliche Körper individuell sei. „Ich traue den Apotheken das Abwägen zu. Sie sind sich ihrer Verantwortung bewusst.“ Zudem zeigten die Erfahrungen aus anderen Ländern wie Frankreich, der Schweiz, Italien oder der USA, dass es funktioniere. „Und in diesen Ländern herrschen strikte Standards.“
Auch wenn die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) gegen Impfungen außerhalb von Arztpraxen seien, gebe es einige Kolleg:innen, die froh seien, wenn die Apotheker ihnen das abnehmen würden. „Das Bewusstsein ändert sich zunehmend“, betont Menn. Wichtig sei, dass man sich ergänze. Für ihn sei jetzt wichtig: „Wir müssen impfen, impfen, impfen.“