Mydealz testet Versandapotheken

Wer billig kauft, zahlt drauf

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Berlin -

Bequemer, günstiger und immer alles auf Lager: Die PR-Abteilungen der großen Versender wissen, welche Vorteile sie nach außen darstellen wollen. Die E-Commerce-Plattform Mydealz hat nun 100 Versandapotheken verglichen und ist zu ernüchternden Ergebnissen gelangt: Ausgerechnet die Branchenführer haben demnach Lücken im Sortiment. Und wer denkt, beim Arzneimittelkauf online zu sparen, zahlt im Endeffekt oft drauf – vor allem wegen der Versandkonditionen.

„Keine Versandapotheke überzeugte beim Verkauf auf ganzer Linie“, lautet das Urteil von Mydealz. Das Verbraucherforum, Teil der E-Commerce-Gruppe Pepper, hat sich in einer breit angelegten Untersuchung die Branche der Arzneimittelversender vorgenommen und sie auf ihre Kundenversprechen abgeklopft. Von den 150 Apotheken, die hierzulande einen ernstzunehmenden Versandhandel betreiben, wurden zwei Drittel untersucht. Die Branchenführer von Zur Rose und Shop-Apotheke vereinten zwar vergangenes Jahr rund 18 Prozent der 301,8 Millionen Besuche auf sich, schafften es bei der Auswertung aber nur ins Mittelfeld. Die Analyse zeige, „dass Verbraucher gut beraten sind, nicht nur bei den großen Versandapotheken zu kaufen“.

Die Versender wurden nach drei Kriterien verglichen: Preis, Verfügbarkeit und Versand. Die Zusammensetzung basiert auf einer Studie der Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners von Ende 2017, in der Verbraucher dazu befragt wurden, was für sie bei Versandapotheken am wichtigsten ist. Für 81 Prozent spielen demnach Preisvorteile gegenüber Präsenzapotheken die größte Rolle. Allerdings haben sehr viele ein Problem mit den Bedingungen, unter denen sie ihre Medikamente online erhalten: So vermissen zum Beispiel 44 Prozent im Internet die persönliche Beratung. Auch Lieferzeiten und Versandbedingungen wirken für viele abschreckend: 57 Prozent wünschen sich, dass der Mindestbestellwert wegfällt, 38 Prozent sehen die Versandkosten als eine klare Hürde an. Auch bei der Lieferzeit und dem Zeitpunkt der Auslieferung sehen die Verbraucher noch viel Luft nach oben.

Die Tester von Mydealz haben deshalb das Produktangebot, das Preisniveau und die Versandmodalitäten unter die Lupe genommen und sind laut eigener Aussage auf große Unterschiede gestoßen. Die erste Überraschung kommt gleich beim ersten Kriterium: Mit dem umfangreichsten Sortiment können weder die Töchter von Zur Rose noch die von Shop-Apotheke auftrumpfen, sondern ABC Arznei, die Versandseite der Bodfeld-Apotheke von Holger Neubert in Oberharz am Brocken. 300 Arzneimittel aus 30 Indikationsgebieten hatten die Tester zufällig ausgewählt – ABD Arznei hatte davon 241 vorrätig, das sind 80,3 Prozent. Die Plätze 2 und 3 gehen beide ins Haus Aponeo: Mit 79,7 Prozent sichert sich die Aponeo-Tochter Gesundhshop24 Silber, Aponeo selbst kommt mit 79 Prozent knapp dahinter. Darauf folgen mit der Berater-Apotheke wieder ein kleiner Name, der aber mit 77,7 Prozent Verfügbarkeit ein genauso großes Sortiment hat wie Medpex – die erste Versandpotheke der beiden großen Konzerne.

Was die Verfügbarkeit angeht, ist der Schnitt schlecht: Nur 120 der 300 ausgewählten Produkte, 40,2 Prozent, führten die 100 Versandapotheken. Bei den Versendern der beiden großen Gruppen waren es 75,8 Prozent bei Shop-Apotheke und 68,1 Prozent bei den Ablegern von Zur Rose. Hier gab es große Unterschiede: Schaffte es Medpex noch auf Platz 5, schneiden vor allem DocMorris und Vitalsana mit den Plätzen 37 und 40 schlecht ab: DocMorris hatte nur 56,3 Prozent der gesuchten Produkte vorrätig, Vitalsana mit 50,3 Prozent gerade einmal die Hälfte.

Ähnliche Ergebnisse hat die Untersuchung bei den Preisen aufgezeigt. Einer Bitkom-Befragung zufolge seien zwar 90 Prozent der der Verbraucher mit dem Preis-Leistungsverhältnis zufrieden. „Was gut und harmonisch klingt, entpuppt sich bei näherem Betrachten aber als Trugschluss: Zwischen gefühltem und tatsächlichem Preisvorteil klaffen nämlich oft Welten“, schreiben die Tester. Denn im Schnitt verkauften die 100 Versender bei der Stichprobe gerade einmal 3,3 Prozent aller Produkte zum Bestpreis. Die restlichen 96,7 Prozent aller Produkte konnten die Tester woanders preiswerter finden. „Verbraucher sind insofern gut beraten, den hohen Standardisierungsgrad der Pharmaindustrie für sich zu nutzen und Preise zu vergleichen“, resümieren sie.

Ähnlich große Unterschiede gab es bei der Untersuchung des Preis-Leistungs-Verhältnisses. „Ganze 60 Apotheken verkauften kein einziges der 300 getesteten Produkte zum Bestpreis“, so die Tester. „34 weitere Versandapotheken verkauften weniger als jedes 20. Produkt zum Bestpreis. Und nur zehn Händler wiesen Bestpreisquoten von mehr als 10 Prozent auf.“ Klarer Sieger war hier Apolux. Der Ableger von Apo-Discounter verkaufte zwar nur 182 der 300 Produkte. Mit 90 Produkten bot Apolux aber knapp die Hälfte der vorrätigen Arzneimittel zum günstigsten Preis an und war auch sonst mit 12 Prozent nur etwas teurer als der günstigste Konkurrent. Es folgen Pharmeo, Eurapon und die Versandapotheke Allgäu. Auch hier befinden sich die Namen der Häuser Zur Rose und Shop-Apotheke durchschnittlich im Mittelfeld.

Besonders schlecht schlossen die Versender ausgerechnet beim Versand ab. Bekundeten Ende 2017 noch 95 Prozent der von Simon-Kucher & Partners Befragten, dass sie da Verbesserungsbedarf sehen, zeigt die jetzige Untersuchung: „Viel haben die einzelnen Akteure seither nicht unternommen, um die Bedenken ihrer möglichen Kunden auszuräumen.“ Zwar berechnen 69 der 100 Apotheken keine Versandkosten für Rx-Präparate. „Auch Mitte Februar 2019 fand sich jedoch noch immer keine Apotheke, die online gekaufte Medikamente bundesweit am gleichen Tag zugestellt hat.“ Im Schnitt müssen sich Patienten demnach einen bis drei Tage gedulden. „Wer wirklich krank und auf Medikamente angewiesen ist, wird ungerne so lange warten“, so die Tester.

Immerhin seien Bedenken hinsichtlich eines Mindestbestellwerts unbegründet, nur zwei der Versender haben einen. Bei Apoase beträgt er 20 Euro und bei Spreepharma die ordentliche Summer von 80 Euro. Dafür ist der Versand dann kostenfrei. Das kann man bei den restlichen 98 Apotheken dafür nicht sagen. Sie alle berechnen bis zu einem Grenzwert Versandkosten, die sich allerdings erheblich unterscheiden. Am wenigsten müssen Patienten bei Versandapo.de in die Tasche greifen. 1,50 Euro betragen dort die Versandkosten. Besonders amtlich sind die Versandkosten bei der österreichischen Versandapotheke Apobag: 6,90 Euro kostet es hier, das Paket zu verschicken. Wer also nur die billigste Ware sucht, zahlt den Preisunterschied schnell als Versandkosten oben drauf.

Im Schnitt berechnen die 100 Versender 3,77 Euro. Der Grenzwert, ab dem die Versandkosten entfallen, weist dabei eine besonders große Spanne aus. Im Schnitt liegt er bei 50,23 Euro, 15 Versandapotheken legten ihn bei 20 Euro oder weniger an, bei Gesundshop24.de und Medikamente-per-Klick ist der Grenzwert mit 10 Euro besonders niedrig. Am anderen Ende des Spektrum finden sich Flixcare mit 155 Euro und Hygi.de mit der stattlichen Summe von 350 Euro. Auch hier liegen die Titel der beiden Marktführer wieder im Mittelfeld.

In der Gesamtwertung überwiegt deshalb die Skepsis am Konzept der Versandapotheken. „In der Sortimentswertung erreichten sie im Schnitt zwar 132 von möglichen 300 Punkten und in der Versandwertung immerhin noch 123 von 300 Punkten“, so die Tester. „Dauerhaft niedrige Preise wies allerdings keine einzige der 100 Versandapotheken auf. Mit mageren 2,8 von 300 möglichen Punkten ließen die meisten Versandapotheken stattdessen in der für viele Verbraucher entscheidenden Frage nach dem Preis-Leistungs-Verhältnis Federn.“

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