Anders als industriell hergestellte Arzneimittel unterliegen Defekturen nicht der Zulassungspflicht. Diese Regelung sei mit EU-Recht vereinbar, stellte Generalanwalt Maciej Szpunar vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) in seinem Schlussantrag fest. Demnach greift bei Defekturen nicht das Werbeverbot aus der EU-Vorschrift zu Humanarzneimitteln. Andere Richtlinien könnten der Werbung für Defekturen dennoch entgegenstehen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte dem EuGH einen Fall zur Vorabentscheidung vorgelegt. Hecht Pharma, die Weihrauch-Kapseln als Nahrungsergänzungsmittel vertreibt, hatte gegen eine Apotheke geklagt. Der beklagte Apotheker bietet als Defekturen hergestellte Weihrauch-Kapseln als Arzneimittel an und hat für sein Produkt in einer Broschüre geworben.
Die Anzeige ist aus Sicht des Klägers wettbewerbswidrig und außerdem unzulässig, da die Weihrauch-Kapseln nicht als Arzneimittel zugelassen wurden. Nicht zugelassene Medikamente unterliegen nach EU-Richtlinie 2001/83/EG zu Humanarzeimitteln einem Werbeverbot.
In Deutschland ist laut Arzneimittelgesetz (AMG) eine Zulassung für Defekturen nicht erforderlich. Die Richter vom BGH wollen mit dem Vorabentscheid vom EuGH wissen, ob diese Regelung mit den EU-Vorschriften vereinbar sei.
EuGH-Generalanwalt Szpunar, der im Rx-Boni-Verfahren auch befand, dass ausländische Versandapotheken nicht an deutsche Preisvorschriften gebunden sind, stellte zu dem Fall nun seine Schlussanträge. Er erklärte, dass die Richtlinie, die eine Zulassung von Arzneimitteln vorschreibt, nur für Medikamente gelte, die „gewerblich zubereitet werden oder bei deren Zubereitung ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt“. Im Urteil Abcur wurde festgestellt, dass solche Arzneimittel in einem industriellen Verfahren und in großen Chargen oder Serienproduktion hergestellt würden.
Diese Bedingungen treffen laut Szpunar auf Defekturen nicht zu: Die Präparate würden in „handwerklicher Herstellung“ erzeugt und seien zudem auf 100 Packungen pro Tag begrenzt – das sei keine bedeutende Menge. Die EU-Richtlinie greife demnach nicht und stehe der Herstellung von Defekturen ohne Zulassung, wie es das AMG vorsehe, nicht entgegen.
Szpunar empfiehlt, die Prüfung an dieser Stelle zu beenden. Er geht trotzdem noch auf die zwei Ausnahmen von Medikamenten ein, die keine Zulassung benötigen. Darunter fallen die sogenannten formular magistralis: Das sind Präparate, die Apotheker nach Rezeptvorlage für einen Patienten herstellen. Da Defekturen angefertigt werden, bevor die Verordnung in der Apotheke angekommen ist, gilt diese Ausnahme aus Sicht des Generalanwalts nicht.
Die zweite Ausnahme von der Zulassungspflicht bilden formular officinalis. Dabei handelt es sich um Arzneimittel, die in der Apotheke nach Vorschrift einer Pharmakopöe, also nach pharmazeutischen Qualitätsvorgaben, hergestellt wurden. Die deutsche Regelung stehe zu den Vorgaben der EU nicht im Widerspruch, so der Staatsanwalt: Denn die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) gibt vor, dass in der Apotheke hergestellte Arzneimittel pharmazeutische Qualität haben müssen und nach pharmazeutischen Regeln herzustellen sind.
Der Generalanwalt stimmt dem BGH zu, dass das in der Richtlinie festgeschriebene Werbeverbot für nicht zugelassene Arzneimittel nur gelten könne, wenn das Präparat zulassungspflichtig wäre. Das sei bei den als Defektur hergestellten Weihrauch-Kapseln aber nicht der Fall. Allerdings weist Szpunar darauf hin, dass die allgemeiner gefasste EU-Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung in dem Falle trotzdem greifen könnte.
Der EuGH muss dem Antrag des Generalanwalts nicht folgen. Allerdings liefern die Schlussanträge oft einen ersten Anhaltspunkt für das Urteil.
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