Defekturen vor dem EuGH Julia Pradel, 05.06.2015 08:30 Uhr
In Apotheken hergestellte Defekturarzneimittel bedürfen in Deutschland keiner Zulassung. Diese Vorgabe könnte aber gegen EU-Recht verstoßen. Aus diesem Grund muss sich nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit der deutschen Regelung befassen. Künftig könnten Rezepte oder die Herstellung nach dem Europäischen Arzneibuch Voraussetzung für die Defektur werden.
In dem konkreten Fall ging es um Weihrauch-Kapseln, die eine Apotheke als Defektur herstellt. Die Apotheke hatte das Präparat beworben und war von Hecht Pharma, Hersteller des Nahrungsergänzungsmittels „H 15 Weihrauch“, abgemahnt worden.
Das Unternehmen hatte argumentiert, für nicht zugelassene Arzneimittel dürfe nicht geworben werden. Die Apotheke hielt entgegen, dieses Verbot gelte nur für Medikamente, die eine Zulassung benötigten – und damit nicht für Defekturen. In dem Rechtsstreit geht es daher letztlich um die Frage, ob die Weihrauch-Kapseln eine Zulassung benötigen. Diese Frage hat der Bundesgerichtshof (BGH) nach Luxemburg geschickt.
Laut Arzneimittelgesetz (AMG) ist eine Zulassung nicht nötig, wenn Arzneimittel „zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind und auf Grund nachweislich häufiger ärztlicher oder zahnärztlicher Verschreibung in den wesentlichen Herstellungsschritten in einer Apotheke in einer Menge bis zu hundert abgabefertigen Packungen an einem Tag im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs hergestellt werden“.
Das europäische Recht sieht zwei Ausnahmen vor: Arzneimittel, die „in einer Apotheke nach ärztlicher Verschreibung für einen bestimmten Patienten zubereitet werden“, und „in der Apotheke nach Vorschrift einer Pharmakopöe zubereitete Arzneimittel, die für die unmittelbare Abgabe an die Patienten bestimmt sind“.
Der BGH zieht in Betracht, dass die deutsche Regelung unvereinbar mit dem EU-Recht ist. Denn die erste Ausnahme sehe eine ärztliche Verschreibung vor, die zweite eine Herstellung nach Vorschrift einer Pharmakopöe, wie etwa dem Europäischen Arzneibuch. Beide Voraussetzungen sind nicht Teil der deutschen Regelung.
Allerdings ist der BGH auch der Ansicht, dass die Arzneimittelsicherheit durch die Herstellung in einer Apotheke grundsätzlich nicht gefährdet ist. Im Gegenteil: Eine Vorratsherstellung könne Fehlermöglichkeiten reduzieren, die Genauigkeit der Verteilung der Einzeldosen erhöhen und einen rationellen Betriebsablauf fördern. Zudem diene die Defektur-Regelung dem Zweck, die Wirtschaftlichkeit von Apotheken, einschließlich Krankenhausapotheken, sicherzustellen.
Der EuGH muss nun entscheiden, ob die deutsche Regelung Bestand haben kann oder an EU-Recht angepasst werden muss. Für diesen Fall hat der BGH auch angefragt, ob es ausreichend sei, wenn für die Zubereitung ein Rezept vorliegt – gegebenenfalls auch erst nach der Herstellung – oder auf Grundlage einer Pharmakopöe gearbeitet wird. Reiche letzteres aus und sei diese Voraussetzung – wie von der Apotheke behauptet – erfüllt, dürfe auch für das Präparat geworben werden. Falls ein Rezept notwendig sei, wäre die Werbung verboten.