Um angesichts der Corona-Pandemie unnötige Kontakte zu vermeiden, wurden im April vergangenen Jahres einige Abgabevorschriften für die Apotheken gelockert. Selbst Rabattverträge dürfen ignoriert werden, wenn dies im Sinne einer schnellen Versorgung der Patient:innen erforderlich ist. Dass dann aber das Medikament per Bote geliefert wird, passt nicht, findet die AOK Sachsen-Anhalt – und retaxiert bereits.
Auch in der Corona-Krise sind die Abgabevorschriften zu beachten. Kein Kunde soll aber noch einmal in die Apotheke kommen müssen, wenn sein Arzneimittel nicht vorrätig ist. Mit der Sars-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung wurde daher nicht nur ein Honorar für den Botendienst eingeführt, sondern es wurden auch einige Abgabevorschriften gelockert. So dürfen im Akutfall etwa Rabattverträge ignoriert, Packungsgrößen oder Dosierungen ausgetauscht oder Teilmengen abgegeben werden. Die entsprechenden Ausnahmen wurden mit der Änderung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) im Juni sogar noch einmal bis Mai 2022 verlängert.
Apotheker:innen und PTA können also auch ein nicht-rabattiertes Arzneimittel abgeben. Auf dem Rezept müssen die Sonder-PZN 02567024 sowie der zugehörige Faktor 5 (Verstoß gegen Rabattvertrag) beziehungsweise Faktor 6 (Verstoß gegen Rabattvertrag und Preisgünstigkeit) ergänzt werden. Eine handschriftliche Begründung wie „Covid“ sollte ebenfalls aufgebracht und abgezeichnet werden.
„Apotheken erhalten mehr Möglichkeiten, verordnete Arzneimittel bei Nicht-Verfügbarkeit auszutauschen, damit Patientinnen und Patienten ohne zusätzliche Arztkontakte auch bei Lieferengpässen unbürokratisch mit den notwendigen Arzneimitteln versorgt werden“, begründete das Bundesgesundheitsministerium (BMG) die Lockerung und stellte schon im April 2020 klar: „Der erleichterte Austausch verordneter Arzneimittel kann von den Krankenkassen bei den Abrechnungen mit den Apotheken nicht beanstandet werden.“
Ein Freifahrtsschein ist dies aus Sicht der AOK Sachsen-Anhalt aber nicht. Wenn nämlich einerseits der Rabattvertrag ignoriert, andererseits aber auch noch die Pauschale für den Botendienst abgerechnet wird, passt dies laut Kasse nicht zusammen. „Verordnungen für die Akutversorgung mit Sonderkennzeichen für das Botendiensthonorar retaxieren wir im begründeten Einzelfall“, bestätigt eine Sprecherin der Kasse.
Das Argument der AOK: „Bei der Akutversorgung ist die sofortige Versorgung des Patienten mit Medikamenten gefragt. Der Patient geht also im Regelfall mit seinem Rezept in die Apotheke und möchte es einlösen. Die Apotheke ist bei der Akutversorgung nicht an Rabattverträge gebunden und kann somit den Bedarf im Rahmen der Abgaberangfolge sogleich erfüllen. Ein Botendienst dürfte dann nicht notwendig sein.“
Anders verhält es sich jedoch, wenn das Medikament später gebracht wird: „Ist jedoch weder das Vertragsarzneimittel noch das Alternativarzneimittel vor Ort und müssten beide beim Großhandel bestellt werden, dann dürfte wiederum das Sonderkennzeichen für die Akutversorgung keine Anwendung finden. Denn in diesem Fall war ja die Apotheke in die Lage versetzt, das Rabattarzneimittel zu beschaffen“, so die AOK-Sprecherin.
Und wenn es doch einen wichtigen Grund gab, das Medikament zu bestellen und zu liefern? „Möchte eine Apotheke im begründeten Einzelfall die Retaxion abwenden, kann der Apotheker oder die Apothekerin gern darlegen, warum im konkreten Einzelfall beide Sonderkennzeichen notwendig waren.“
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