Ein Inhaber aus Niedersachsen ärgert sich: „Niemand will mehr an Samstagen arbeiten. Die Kammer macht es den Apotheken zudem sehr einfach, sich von den Samstagsdiensten befreien zu lassen.“ Das sei in seinen Augen das falsche politische Signal: „Ich musste in den vergangenen Wochen mit mehreren Kündigungen zurechtkommen. PTA und Apotheker wandern ab, weil sie in den umliegenden Apotheken nicht mehr am Wochenende zur Arbeit müssen“, so der Inhaber einer Center-Apotheke.
Eigentlich sollen die Flexibilisierungen bei den Öffnungszeiten die Apotheken entlasten, doch nicht alle Kolleginnen und Kollegen können es sich leisten, einen Nachmittag in der Woche oder den Samstag zu streichen. Ihnen bleiben dann zwar womöglich die Umsätze, doch ausgerechnet in den eigenen Reihen kann es dann zu Unfrieden kommen.
Der Inhaber einer Apotheke im Einkaufszentrum in Niedersachsen ist in den vergangenen Wochen von gleich drei Mitarbeiterinnen verlassen worden: „Alle haben denselben Kündigungsgrund angegeben“, berichtet er. „Sie hatten keine Lust mehr, auch an Samstagen in der Apotheke zu arbeiten“, ärgert er sich.
Auch die ehemalige Filialleiterin wollte sich nicht mehr samstags einteilen lassen: „Solch eine Einstellung sorgt natürlich innerhalb des Teams für Aufruhr. Es ist für alle anderen Angestellten nicht nachvollziehbar, warum ausgerechnet die Filialleitung am Samstag nicht zur Arbeit kommen muss. Wir haben uns dann leider von ihr verabschiedet“, so der Inhaber.
Er bemängelt die Vorgehensweise der Apothekenkammer: „Es wird den Inhaber:innen zu einfach gemacht, sich von den Diensten am Wochenende befreien zu lassen. Viele Apotheken im Umfeld haben bereits ihren Antrag genehmigt bekommen“, ärgert er sich. „Früher waren wirtschaftliche Aspekte keine Gründe für eine Befreiung, heutzutage wird das von der Kammer akzeptiert.“ Dabei werde in den Fällen der Versorgungsauftrag eingeschränkt: „Die Kammer ist der Meinung, es gebe genug geöffnete Apotheken und eine Unterversorgung sei nicht absehbar.“ Das sei definitiv das falsche politische Signal.
Für den Inhaber steht fest: „Apotheken, die sich aus den Samstagsdiensten rausmogeln, schaffen ihrerseits einen Standortvorteil und haben es in der Personalsuche deutlich leichter.“ Seine Centerapotheke darf und will er samstags nicht schließen. „Es gab Zeiten, da hatten wir bis 22 Uhr geöffnet. Das habe ich schon reduziert auf 19 Uhr, was für eine Centerapotheke eigentlich schon zu kurz ist.“
Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien auch nicht jeden Samstag eingeteilt, „es gibt eine faire Verteilung“. Trotzdem gebe es immer mehr Personal, „das auf gut Deutsch einfach keinen Bock hat“, macht er deutlich. „Dabei ist Samstag ein ganz normaler Werktag, es ist sogar im Tarifvertrag festgeschrieben, dass an diesem Tag gearbeitet wird. Dafür bekommt man doch auch in der Woche einen Tag frei“, so der Inhaber.
Laut der Apothekenkammer Niedersachsen heißt es:
„Soll eine Apotheke sonnabends geschlossen werden, bedarf es unverändert einer Schließungsgenehmigung nach § 23 Abs. 2 ApBetrO. Eine solche wird erteilt, wenn die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung sichergestellt ist. Gibt es in Orten mit mehreren Apotheken für einzelne bereits Genehmigungen und möchten weitere Apotheken sonnabends schließen, wird eine Schließungsgenehmigung mit Wechselregelung erteilt, so dass die Arzneimittelversorgung gewährleistet ist und die Option der Schließung am Sonnabend von den Kolleginnen und Kollegen gleichmäßig in Anspruch genommen werden kann.“
Und weiter:
„Ungeachtet der ortsüblichen Schließzeiten nach der Allgemeinverfügung werden Apotheken nach § 23 Abs. 2 ApBetrO auf Antrag im Einzelfall von der Pflicht zur Dienstbereitschaft befreit, wenn die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung durch eine andere Apotheke gewährleistet ist. In Betracht kommen Betriebsferien oder sonstige berechtigte Gründe, wie Betriebsveranstaltungen, Inventur oder Umbaumaßnahmen der Apotheke, Krankheit und ähnliche individuelle Gründe.“
Bislang ist das Abweichen von den Öffnungszeiten in den Ländern per Allgemeinverfügung geregelt, mit dem Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) sollen die Apotheken von der dauerhaften Dienstbereitschaft befreit werden. Laut Entwurf ist vorgesehen, dass sie nur noch mindestens sieben Stunden an Werktagen und vier Stunden an Samstagen geöffnet haben müssen. Bislang werden die Apotheken, die nicht zum Notdienst eingeteilt sind, von der Dienstbereitschaft befreit. Dies soll umgedreht werden: „Die zuständige Behörde kann zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung, insbesondere im Nachtdienst, weitere Zeiten der Dienstbereitschaft anordnen.“
Die Verkürzung um 19,5 Stunden soll laut BMG Einsparungen bei den Lohnkosten bringen. Angenommenen wird ein monatliches Bruttomonatsgehalt für einen Approbierten in Höhe von 4200 Euro und für eine PTA in Höhe von 2900 Euro. Daraus ergeben sich für eine Apotheke Gehaltseinsparungen von etwa 1300 Euro monatlich. Wenn beispielsweise die Hälfte der Apotheken entsprechende Reduzierungen vornehmen würden, könnten ungefähr 11,4 Millionen Euro eingespart werden.
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