Laut Robert Koch-Institut (RKI) sind die Zahlen der akuten Atemwegserkrankungen zwar leicht gesunken, sie liegen aber dennoch im oberen Wertebereich im Vergleich zu vorpandemischen Jahren zu dieser Zeit. Erkrankte greifen dabei am häufigsten zum Nasenspray, um erkältungsbedingte Beschwerden zu lindern.
Das meistverkaufte aller freiverkäuflichen Medikamente bundesweit ist das Nasenspray mit abschwellender Wirkung. Allein im vergangenen Jahr sollen rund 70 Millionen verschiedene Präparate in Deutschland verkauft worden sein. Dabei wird die abschwellende Wirkung des Mittels oft unterschätzt und viel zu lange angewandt: Anwendungszeiträume über eine Woche hinaus können süchtig machen und die Schleimhaut schädigen. In Deutschland sollen laut Schätzungen etwa 100.000 Menschen von der Nasenspraysucht betroffen sein.
Das Abhängigkeitspotenzial besteht allerdings nur bei abschwellenden Wirkstoffen wie Xylometazolinhydrochlorid oder Oxymetazolin. Reine Meerwasser-Nasensprays oder Salzlösungen sind unbedenklich hinsichtlich der Suchtgefahr. Oxymetazolin und Xylometzolin sind chemische Verbindungen aus der Gruppe der Imidazolin-Derivate. Sie werden als Arzneistoff zum Abschwellen der Nasenschleimhaut eingesetzt.
Als α-Sympathomimetikum sind die Wirkstoffe α₁-Adrenozeptor-Agonisten und bewirken die Kontraktion von glatter Muskulatur. Ist die Nasenschleimhaut infolge einer Erkältung angeschwollen, verhelfen die Imidazolin-Derivate zum freien Durchatmen, indem sie lokal gelegene Blutgefäße verengen. Die geringere Durchblutung lässt die Schleimhäute abschwellen.
Da die Arzneistoffe nach Abklingen ihrer Wirkung zu einer verstärkten Schleimhautschwellung führen, haben Betroffene das Gefühl, schwerer Luft durch die Nase zu bekommen und wenden somit erneut abschwellende Nasensprays an. Längerer oder häufiger Gebrauch sowie höhere Dosierung von Xylometazolin führen außerdem zur Toleranzentwicklung, und Patient:innen müssen öfter zum Nasenspray greifen, um die gleichen Effekte zu erzielen: Es kommt zu einem sogenannten Rebound-Effekt. Ein Teufelskreis entsteht, der schließlich in die Abhängigkeit führt. Brennen oder Trockenheit der Schleimhaut sind dabei typische Nebenwirkungen des Übergebrauchs von Nasenspray.
Achtung: Dieser Effekt kann schon nach einem Behandlungszeitraum von fünf Tagen auftreten. Wird die Anwendung dennoch fortgesetzt, kann eine bleibende Schleimhautschädigung mit Borkenbildung hervorrufen werden. Da eine trockene Schleimhaut ein idealer Nährboden für pathogene Keime bildet, steigt die Infektanfälligkeit bei Betroffenen häufig an.
Um die Nasenspraysucht zu beenden, können Betroffene versuchen, die Dosierung Schritt für Schritt reduzieren. So kann ein Erwachsenenspray beispielsweise durch ein Kinderspray ersetzt werden. Eine Möglichkeit wäre zudem nur ein Nasenloch zu behandeln, bis sich die Schleimhaut des unbehandelten Nasenloches von dem Wirkstoff entwöhnt hat. Unterstützend können auch Nasensprays mit Meersalz oder Dexpanthenol wirken. Nasenduschen tragen zur Befeuchtung der Schleimhaut bei und stellen somit die natürliche Barrierefunktion wieder her.
Helfen die Methoden nicht, können Betroffene auch mit einem Cortisonhaltigen Nasenspray die Abhängigkeit sukzessive reduzieren.
Durchhalten lohnt sich: in der Regel dauert ein Entzug etwa drei Wochen.
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