20.03 Uhr: So schnell war ich ja lange nicht mehr mit der Kasse, jetzt schnell zum Tresor. Licht aus, Rolladen herunter, schnell noch einen Kaffee – der Nachtdienst kann beginnen!
„Du bist heute so motiviert“, sagt Max. „Woran liegt das?“, will er wissen. Irgendwie ist der Herbst meine Jahreszeit: Die Tage werden kürzer, die Blätter bunter. Es ist noch nicht so eintönig und grau wie im Winter. Und die Weihnachtszeit rückt näher, die ersten Spekulatius gibt es schon zu kaufen.
Ich mache einen ruhigen Spaziergang durch die Apotheke, sonst habe ich nicht die Möglichkeit dazu. Im Alltag hetze ich von einem Regal zum anderen, für intensives Begutachten ist meist keine Zeit. So viele verschiedene Produkte, wenn man bedenkt, wie viel Forschung dahintersteckt. Doch auch das Marketing spielt eine große Rolle. Das merke ich immer wieder bei Außendienstmitarbeitern. Ich merke sofort, ob ein alter Hase vor mir steht oder ein Frischling. Viele sind sehr gut geschult und haben Ahnung, von dem, was sie einem andrehen wollen. Bei manchen bin ich mir nicht sicher, ob sie nicht einfach den Beruf verfehlt haben.
Am meisten nerven mich die, die mir vorschreiben wollen, wo ich ihr tolles Präparat zur Schau stellen soll! „Sie machen ja auch nur ihren Job“, relativiert Max. „Sie können mir doch nicht diktieren, auf welches Regal die Augentropfen sollen!“, entgegne ich.
Bei der zunehmenden Dokumentationspflicht und den lächerlichen Regularien zu Arznei- und Hilfsmittelbelieferung frage ich mich manchmal, was an meinem Beruf noch „frei“ ist? Wir zählen angeblich zu den freien Heilberuflern, aber ich bin alles andere als frei. Genau aus diesem Grund lasse ich mir nicht meine „Rest-Freiheit“ nehmen.
Ich sehe es nicht ein, dass ich noch den Wünschen der Vertrieblern nachkommen soll. Deshalb stelle ich auch das Produkt dorthin, wo es mir gefällt. Auch wenn es der einen Vertriebsmitarbeiterin am Anfang der Woche nicht gefallen hat: „Abgesprochen war doch die Platzierung direkt hinter ihnen?“ „Nichts war abgesprochen liebe Dame, du denkst, dass du was absprechen kannst“, so mein Gedanke. Manche Marketingmaßnahmen sind auch einfach nur hässlich: Ich klebe doch keinen pinken Streifen auf das Regal!?
Inzwischen mache ich es mir auf der Couch bequem, als auch schon der erste Kunde klingelt. „Haben Sie das Antibiotikum für mein Kind da?“, fragt eine junge Frau. „Falls es Schwierigkeiten gibt, sollen Sie die Ärztin anrufen. Es sei wohl eine spezielle Dosierung.“ So kommt es auch, wir haben es nicht da. Ein Anruf in der Klinik schafft schnell Abhilfe: „Sie sind die Apothekerin, ich vertraue Ihrer Kompetenz in Sachen Arzneimitteln“, sagt die Ärztin. Ich kann ein anderes, auch zur Indikation passendes Arzneimittel vorschlagen, sodass das Kind sofort mit der Therapie beginnen kann.
Ich liebe meinen Beruf – trotz einiger Miesepeter.
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