Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) schlenderte dieser Tage gutmütig durch eine deutsche Innenstadt. Als er in der Ferne nicht nur ein rot leuchtendes A, sondern auch ein riesiges Impfaktions-Plakat erspähte, fackelte er nicht lang, zückte sein Impfbuch und ...
... erlebte beim Betreten der Apotheke einen Moment der vollkommenen Stille. Die anwesende Kundschaft am HV verstummte, als sie den Minister im Eingang erblickte; man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Alle bedienenden PTA, die sich gerade um die Belieferung von E-Rezepten kümmerten oder im Beratungsgespräch mit ihrer Kundschaft steckten, hoben den Kopf, erblickten den Minister und erstarrten mit ernster Miene.
Die Stimme einer Apothekerin durchbrach kurz die Stille: „Sie glauben nicht, wer sich hier in die Apotheke getraut hat“, hörte man aus dem Backoffice nach vorne dringen. Sie beobachtete die Situation offensichtlich durch eines der Gucklöcher in der Sichtwahl und informierte ihren Gesprächspartner brühwarm über den hohen Besuch.
Nach dem ersten Schreck steuerte Lauterbach die Impf-Warteschlange an, die offensichtlich – ausgeschmückt mit Plakaten und Hinweisschildern – zum Beratungsraum führte. Gut und gerne zehn Personen hatten sich bereits eingereiht. „Will der sich jetzt hier bei uns anstellen?“, flüsterte eine Kundin zu ihrem Hintermann in der Warteschlange. Musterungen von oben bis unten gab's inklusive für den Impfwilligen, gefolgt von vorwurfsvollen Blicken und weiteren Tuscheleien.
Kurz gesagt: Die Blicke aller Anwesenden waren auf den irritierten Minister gerichtet, der natürlich versuchte, sich überhaupt nichts anmerken zu lassen und sich souverän – so wie jeder andere normale Mensch auch – in der Warteschlange anzustellen, um sich vom diensthabenden Apotheker den Piks verpassen zu lassen. Der war gerade im Begriff, vom Backoffice-Bereich in den Beratungsraum zurückzukehren, um seine nächste Patientin gegen Grippe und Covid-19 zu impfen. Als er seinen prominenten Gast erblickte, blieb er auf halbem Weg mit erhobener Augenbraue und hörbarem Seufzer stehen.
Noch bevor der Apotheker irgendetwas sagen konnte, war es die PKA, die gerade gewissenhaft die Freiwahl sichtete, Ware vorzog, und den Verfall kontrollierte, die sich dem Gesundheitsminister mit verschränkten Armen direkt in den Weg stellte. „Was wollen Sie denn hier?“, fragte sie vorwurfsvoll mit Blick auf das gezückte Impfbuch; ein Kopfschütteln konnte sie sich einfach nicht verkneifen.
Lauterbach, selbsternannter Freund und Befürworter aller Vor-Ort-Apotheken, strauchelte nun sichtlich: „Ja, also, ich möchte mich hier impfen lassen!“, soll der Minister kleinlaut und mit hilfesuchendem Blick gerade so herausgebracht haben, als selbst der Bote, der durch den Seiteneingang mit einer großen Kiste die Offizin betrat, kopfschüttelnd seine Fracht abstellte, um sich an die Stirn zu fassen, ehe er sie ins Backoffice brachte.
Gerüchten zufolge soll der Minister schließlich rückwärts wieder aus der Apotheke gestolpert sein. Wie es dann mit Lauterbach und seinem Impfvorhaben weiterging, ist gemeinhin bekannt: Er entschied sich, es einfach wie immer zu machen: medienwirksam mit viel Tamtam und professionellem Fotografen – dieses Mal im Berliner Bundeswehrkrankenhaus.
Apothekenteams haben dieser Tage allen Grund, wütend auf Lauterbach zu sein. Immerhin vergaß er die Vor-Ort-Apotheken bei einer kürzlichen Regierungsbefragung komplett. „Wir müssen jetzt zusammenhalten und die wichtigen Reformen machen“, so sein Appell. Das Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) scheint für ihn nicht dazuzugehören.
Doch selbst wenn die Reform nicht kommt: Änderungsfrei kommen Apotheken nicht durch die kommende Zeit, Stichwort „favorisierte Apotheke“. Denn: Pflegebedürftige sollen bald eine Apotheke bestimmen können, die nach Aufforderung E-Rezepte einlöst, ohne dass ein Besuch oder die Nutzung der E-Rezept-App nötig ist. Auch Versandapotheken können durch Post-Ident als favorisierte Apotheke gewählt werden. Dabei haben die gerade ganz andere Sorgen: Für Zur Rose in Halle ist Schluss, über Testimonial Jauch wird fleißig diskutiert und obendrein sticht der neue CardLink-Spot von Gesund.de – gemein!
Was rückblickend in dieser Woche bleibt, sind ein insolventer Ex-Versandapotheker, die neuen Regeln für das E-Rezept, die Anfang November ins Haus stehen, Apotheker, die nach 80-Stunden-Wochen einfach nicht mehr können und die Frage, ob der Bundesgesundheitsminister nach der Impfung ein niedliches Bärchenpflaster von der Bundeswehrärztin bekommen hat. Das hat sicher weh getan!
In diesem Sinne: Ein schönes Wochenende!
APOTHEKE ADHOC Debatte