Wartezimmer-TV

BGH: Keine Anstiftung ohne Apotheke APOTHEKE ADHOC, 12.08.2015 13:48 Uhr

Berlin - 

Mit exklusiven Sendeplätzen hatte der Marketingdienstleister regionale-werbung.de sein Wartezimmer-TV bei Apothekern beworben. Die Wettbewerbszentrale sah das Zuweisungsverbot in Gefahr und klagte. Doch der Bundesgerichtshof (BGH) beurteilte den Fall anders als die Vorinstanzen: Um die Mittäterschaft zu beweisen, hätte mindestens ein konkreter Fall vorgetragen werden müssen, in dem das Konzept auch umsetzt worden sei.

Der Anbieter hatte Apotheken zunächst exklusive Werbeplätze im Wartezimmer angeboten: „Werden SIE beim Arzt empfohlen oder Ihr Wettbewerb?“ Für jede der acht Kategorien komme immer nur ein Vertreter infrage, hieß es in einem Prospekt. „Sichern Sie sich noch heute Ihre Branche!“ Und weiter: „Sie werden exklusiv als Vertreter Ihrer Branche beim Arzt empfohlen!“ Von Empfehlung statt Werbung war die Rede.

Das Landgericht Limburg und das Oberlandesgericht Frankfurt sahen den Fall ähnlich wie die Wettbewerbszentrale: Auch wenn die Werbeagentur selbst nicht dem Apothekengesetz (ApoG) unterliege, könne sie für die Verstöße verantwortlich gemacht werden. Eine Einschränkung der Haftung führe ansonsten zu „unvertretbaren Schutzlücken“. Dem Angebot zufolge musste die Apotheke selbst keinen Kontakt zu der werbenden Arztpraxis aufnehmen. Die „Zuführung“ hätte die Werbeagentur übernommen. Damit war da der Tatbestand der Absprache aus Sicht der Richter bereits erfüllt.

Der BGH sah das anders. Weil sich weder Apothekengesetz (ApoG) noch Berufsrecht an Dritte richteten, käme eine „Tatherrschaft“ grundsätzlich nicht Betracht, heißt es in den jetzt vorliegenden Urteilsgründen. Eine Anstiftung der Apotheken wiederum sei nicht nachgewiesen, da die Wettbewerbszentrale keinen einzigen Fall vorgelegt habe, in dem das Konzept tatsächlich umgesetzt worden sei.

Eine Haftung als Mittäter komme schließlich auch mit Blick auf eine „Erstbegehungsgefahr“ nicht in Betracht. Denn Voraussetzung dafür ist, dass Vorsatz nachgewiesen wird. Dazu wiederum hätte das rechtswidrige Verhalten trotz eines entsprechenden Hinweises fortgeführt werden müssen.

Dies sei im konkreten Fall nicht geschehen: Das Unternehmen hatte die Exklusivität infolge der Abmahnung gestrichen und ausdrücklich erklärt, dass es ausschließlich zum Zwecke der Rechtsverteidigung die entsprechende Werbung weiter verteidige. Die Erstbegehungsgefahr sei damit „nachträglich wieder weggefallen“, so der BGH. Auch die Argumentation der Wettbewerbszentrale, dass die Firma um die Problematik gewusst und sich daher mit Klauseln selbst abzusichern versucht habe, ließen die Richter nicht gelten.

In Bad Homburg überlegt man jetzt, wie man mit dem Urteil umgeht. Womöglich werde es künftig viel schwieriger, Abmahnungen direkt an die Konzeptgeber zu adressieren, sagt Rechtsanwältin Christiane Köber. „Es sieht so aus, als müssten wir künftig erst gegen einzelne Ärzte und Apotheker vorgehen, um auch die 'großen Fische' belangen zu können.“

Bei einer Umfrage von APOTHEKE ADHOC hatten im März 49 Prozent der 288 Teilnehmer Wartezimmer-TV als Form der Zuweisung gesehen. Immerhin 26 Prozent beurteilten den Sachverhalt etwas entspannter und sahen einen Fairness-Aspekt: Auch Apotheken müssten für sich und ihre Leistungen werben dürfen. 20 Prozent fanden Wartezimmer-Werbung als gute Idee, weitere 4 Prozent dagegen irrelevant.

In Karlsruhe hat man sich bereits mehrfach mit dem Thema Zuweisung befasst: 2011 entschieden die Richter, dass Ärzte in sehr begrenzten Ausnahmefällen auf Nachfrage der Patienten Leistungserbringer empfehlen dürfen oder sogar müssen, etwa zur Vermeidung von Wegen bei gehbehinderten Patienten. Umstände, die unabhängig von den Bedürfnissen des einzelnen Patienten vorliegen, also gute Zusammenarbeit, hohe Kompetenz oder freundliche Mitarbeiter, rechtfertigen demnach keine Ausnahme.

2014 erlaubte der BGH die Vermittlung von Rezepten im Rahmen eines Entlassmanagements. Weil der Gesetzgeber einen strukturierten Übergang von der stationären in die ambulante Versorgung wünsche, könnten Kliniken Verordnungen an Apotheken schicken, wenn ein „neutrales“ Unternehmen zwischengeschaltet sei. Der Gesetzgeber hat nachgebessert: Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) wurden entsprechende Absprachen untersagt.