Bundesarbeitsgericht legt Gründe vor

Vorgaben für die Arbeitszeiterfassung

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Berlin -

Mit seiner Entscheidung zur Arbeitszeiterfassung hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) im September für Aufruhr gesorgt. Aus den jetzt veröffentlichten Urteilsgründen geht hervor, dass eine Erfassung zwar allgemein vorgeschrieben ist, die Besonderheiten des Arbeitsplatzes aber in der konkreten Umsetzung berücksichtigt werden können.

Das Urteil das BAG war deswegen überraschend, weil es eigentlich um eine ganz andere Frage ging: Ob ein Betriebsrat ein Initiativrecht für bestimmte betriebliche Maßnahmen wie die elektronische Arbeitszeiterfassung hat. Dies wurde vom BAG abgelehnt. Das Initiativrecht des Betriebsrats könne sich nicht auf die Einführung – also das „Ob“ – einer Zeiterfassung richten.

Während es in den Details des Falls eher um eine spezielle Fragestellung geht, hat die Begründung des Gerichts weitreichendere Folgen: „Die Arbeitgeberinnen sind schon kraft Gesetzes verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem Beginn und Ende und damit die Dauer der Arbeitszeiten einschließlich der Überstunden in ihrem gemeinsamen Betrieb erfasst werden.“

Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung besteht nämlich aus Sicht des BAG bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) schon seit einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2019. Und ohnehin mussten zumindest Überstunden auch zuvor schon dokumentiert werden – was ohne Erfassung der „normalen“ Arbeitszeit schlecht möglich ist.

EU-Arbeitszeitrichtlinie

Nach EU-Arbeitszeitrichtlinie müssen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit jedem Arbeitnehmer innerhalb eines 24-Stunden-Zeitraums eine Mindestruhezeit von elf zusammenhängenden Stunden und innerhalb eines Siebentagezeitraums eine kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden zuzüglich einer täglichen Ruhezeit von elf Stunden gewährt wird. Darüber hinaus muss für die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit eine – die Überstunden einschließende – Obergrenze von 48 Stunden vorgesehen werden.

„Erfasst und aufgezeichnet“

Nach der EuGH-Rechtsprechung seien Arbeitgeber verpflichtet, zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer „ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann“. Dieses System dürfe sich dabei nicht darauf beschränken, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit (einschließlich der Überstunden) lediglich zu „erheben“. „Diese Daten müssen vielmehr auch erfasst und damit aufgezeichnet werden“, so das BAG. Anderenfalls wären weder die Lage der täglichen Arbeitszeit noch die Einhaltung der Höchstarbeitszeiten überprüfbar. Auch eine Kontrolle durch die zuständigen Behörden wäre sonst nicht gewährleistet.

Die Pflicht zur Einführung beschränkt sich laut BAG zudem nicht darauf, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmern ein solches System zur freigestellten Nutzung zur Verfügung stellt: „Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs muss er hiervon auch tatsächlich Gebrauch machen und es damit verwenden.“ Die Arbeitszeiterfassung muss sich dabei nicht auf Arbeitnehmer erstrecken, für die ein Mitgliedstaat Ausnahmen vorgesehen hat.

Erfassung muss nicht digital erfolgen

Eine digitale Erfassung ist laut BAG nicht zwingend vorgeschrieben. Die Besonderheiten der Tätigkeitsbereiche der Arbeitnehmer und die Eigenheiten des Unternehmens – insbesondere seine Größe – seien zu berücksichtigen, heißt es. Die Arbeitszeiterfassung müsse daher „nicht ausnahmslos und zwingend elektronisch erfolgen“. Aufzeichnungen in Papierform könnten je nach Betrieb genügen. Es sei zudem nicht ausgeschlossen, „die Aufzeichnung der betreffenden Zeiten als solche an die Arbeitnehmer zu delegieren“, so das Urteil. Allerdings müsse das Ziel stets die Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer sein, „die keinen rein wirtschaftlichen Überlegungen untergeordnet werden dürfen“. Eine erneute Vorlage beim EuGH hielt das Bundesarbeitsgericht in diesem Fall für nicht notwendig.

Nach Schätzungen von Arbeitsrechtlern wird die Arbeitszeit derzeit von einem Viertel der Arbeitnehmer:innen nicht erfasst. Und wie eine aposcope-Umfrage nach dem Urteil zeigt, war das Thema auch bislang längst nicht in allen Apotheken präsent. Die Kernfragen der Arbeitszeiterfassung in Apotheken wurden nach der Urteilsverkündung in einem APOTHEKE ADHOC Webinar besprochen.

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