Risikogruppen erhalten kostenlose FFP2-Masken und die Apotheken die Arbeit. Aber auch das Geld dafür: Mit ein paar Tagen Abstand zum chaotischen Start der Verteilaktion hat sich für viele Apotheken gezeigt, dass sie mit der Vergütung durchaus etwas großzügiger kalkulieren können. Die Folge: Viele Apotheken nutzen die zweite Runde der Maskenverteilung für Rabatt-Aktionen. Doch manch ein Mitbewerber fühlt sich davon auf den Schlips getreten. Ist das vorbildliche Versorgung oder Marketing mit Steuergeldern?
Welcher Kunde nimmt nicht gern mehr, wenn es umsonst ist? In vielen Apotheken kriegen Menschen über 60 oder mit Vorerkrankungen ab morgen nicht nur kleine Aufschläge, sondern teils erhebliche Maskenboni: zwei Drittel beispielsweise in der Pluspunkt-Apotheke in Zeitz. Wer dort seinen Bezugsschein einlöst, erhält nicht nur die sechs Masken, die ihm zustehen, sondern gleich nochmal vier Stück umsonst dazu und obendrauf noch einen 5-Euro-Einkaufsgutschein – und die zwei Euro Zuzahlung, die die Maskenverordnung vorsieht, muss er ebenfalls nicht zahlen.
Bei der Bahnhof-Apotheke im bayerischen Peissenberg gibt es sogar noch mehr zu holen: „Doppelt hält besser“, wirbt die Apotheke auf Flyern, die gerade in der Umgebung verteilt wurden. Sie wirbt damit, den Kunden gleich 24 statt 12 Masken abzugeben: Für den ersten Coupon erhalte man zwölf statt sechs Masken und könne sich dann bereits 12 Masken für den zweiten Coupon sichern. Die wiederum muss man nicht mal abholen: Die Apotheke bietet ihren Kunden auf Wunsch auch die Zusendung per Post an.
Damit hat sich Inhaber Jan Friedl nicht nur Freunde gemacht. „Ich erwäge, das wettbewerbsrechtlich prüfen zu lassen“, sagt eine Mitbewerberin aus einer wenige Kilometer entfernten Apotheke. Ihrer Auffassung nach nutzt Friedl die Maskenverteilung, um sich einen unlauteren Vorteil gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen. Unlauter, weil er die Kosten schließlich nicht allein stemmen muss. „Es ärgert mich, dass hier eine staatliche Aktion, die aus Steuergeldern finanziert ist, für so eine unkollegiale Werbung genutzt wird“, erklärt die Inhaberin, die anonym bleiben möchte. „Er nutzt im Grunde die staatlich zur Verfügung gestellten Gelder, die eigentlich dafür kalkuliert sind, den enormen Aufwand zu vergüten, den wir mit dieser Aktion hatten, um Marketing zu betreiben und seinen Mitbewerbern Kunden abzuziehen.“ Friedl selbst sieht das naturgemäß ganz anders.
„Ich will mir daran keine goldene Nase verdienen, sondern etwas zurückgeben und den Menschen helfen, sich besser zu schützen. Alles, was ich da reinstecke, verdiene ich ja auch weniger“, sagt der Inhaber der Bahnhof-Apotheke. Er verlange normalerweise 2,95 Euro für eine Maske und erhalte nun eben sechs Euro Pauschale dafür. „Man kann da schon zwei Masken mit gutem Gewissen abgeben. Wer den Markt beobachtet, sieht ja, dass man derzeit für sehr viel weniger Geld einkaufen kann. Und wenn wir ehrlich sind, ist die Pauschale schon recht hoch“, so Friedl. „Wer gerade als Apotheker oder Händler noch FFP2-Masken für mehr als einen Euro pro Stück einkauft, ist auch selbst schuld. Ich wollte zeigen, dass man mit den sechs Euro mehr machen kann.“
Für Kritik seitens der Konkurrenz zeigt er hingegen kein Verständnis. „Ich gehe davon aus, dass das Kollegen sind, die weniger aktiv sind“, sagt er. Denn wenn überhaupt, dann sei es keine Werbeaktion gegen die Mitbewerber vor Ort, sondern einerseits Imagearbeit für den ganzen Berufsstand und andererseits Selbstbehauptung gegenüber den Hollandversendern. „Was mir Sorgen bereitet, ist, dass auch die Versender gerade die Werbetrommel rühren und bald Masken verschicken“, sagt er. „Die Aktion mache ich auch, um auch dem vorzubeugen. Sie richtet sich nicht gegen regionale Mitbewerber, sondern gegen die Versender.“
Ähnlich sieht es Sabine Schank, Inhaberin der Pluspunkt-Apotheke in Zeitz. „Wir müssen uns überlegen, wie wir das großzügig und gerecht verteilen können. Ich will nicht, dass man mir nachsagen kann, ich hätte mich an der Maskenabgabe bereichert“, erklärt sie. „Ob ich jetzt sechs oder zehn Masken abgebe: Ich zahle genauso viele Mitarbeiter wie zuvor auch, die Prozesskosten sind dieselben.“ Also kaufe sie günstiger ein und gebe den Rabatt an die Kunden weiter. „Lieber leiste ich einen Dienst für die Gesellschaft, damit möglichst viele Menschen mit Masken ausgestattet sind, und kann am Ende trotzdem ein wenig Gewinn einbringen. Warum soll ich das nicht weitergeben?“
Sie sei dabei dank Elac und der Tochter Pluspunkt in einer noch vorteilhafteren Position. „Wir sind halt eine große Kooperation und beziehen da Millionen von Masken. Entsprechende Konditionen haben wir.“ Als Einzelapotheken habe sie sich nicht einmal selbst um den Einkauf kümmern müssen, die Pluspunkt-Zentrale in Leipzig habe den Bedarf der Mitglieder abgefragt und dann eine große Sammelbestellung aufgegeben. Dass andere Apotheken durch eigene Anbietersuche, Preisvergleich und Bestellung zusätzlich zum ohnehin großen Aufwand für die Aktion Kritik an Rabatten und der Werbung dafür üben, könne sie sogar ein Stück weit verstehen. „Viele Apotheken, die vorher schon sehr haushalten mussten, kommen da in Stress. Und der entlädt sich halt manchmal.“
Ihr Ziel sei aber nicht, die Konkurrenz zu ärgern, sondern das bestmögliche für ihre Kunden herauszuholen, beteuert sie. Auch sie sieht die Aktion eher als Werbung für den gesamten Berufsstand. „Es wird mit Sicherheit im Nachhinein eine Debatte geben, ob sich die Apotheker an der Maskenverteilung bereichert haben. Auch dem will ich entgegenwirken, aber dann dürfen wir uns nicht verstecken!“ Anders als Friedl verzichtet Schank auch auf die zwei Euro Zuzahlung – und weist die Kritik daran wiederum entschieden zurück. „Die müssten mal Verordnung und Gesetze lesen, um zu wissen, was man machen darf und soll!“, sagt sie in Richtung ihrer Kritiker.
Tatsächlich herrscht vielerorts Ungewissheit über die rechtlichen Rahmenbedingungen der Zuzahlung – sind Apotheken verpflichtet, das Geld zu nehmen? Nicht unbedingt, sagt die Abda, wünscht es sich aber trotzdem: „Nach dem Wortlaut der Regelung ist es zunächst naheliegend, eine Pflicht der Anspruchsberechtigten zur Leistung der Eigenbeteiligung anzunehmen“, heißt es in einer kurzen Stellungnahme. „Ob sich dem Wortlaut der Regelung auch eine Einziehungspflicht der abgebenden Apotheke entnehmen lässt, ist hingegen zweifelhaft.“ Denn der Verordnungsgeber selbst sei der Auffassung, dass die Eigenbeteiligung nach § 6 Schutzmaskenverordnung keine Zuzahlung im Sinne des § 61 Sozialgesetznuch (SGB V) ist. Die diesbezüglichen Regelungen könnten damit nicht unmittelbar zur Anwendung kommen. „Allerdings erachten auch wir es als wünschenswert, dass die Apotheken die vom Verordnungsgeber vorgesehene Eigenbeteiligung bei den Anspruchsberechtigten einziehen, um eine verantwortungsvolle Inanspruchnahme der bereitgestellten Schutzmasken zu gewährleisten, und diese nicht als Wettbewerbsinstrument nutzen. Eine rechtliche Möglichkeit, dies im Einzelfall zu unterbinden, sehen wir jedoch nicht.“
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