Von der Hauptschule zur eigenen Apotheke Deniz Cicek-Görkem, 05.09.2018 07:55 Uhr
Mit elf Jahren kam er in Deutschland an und musste erstmal Deutsch lernen. Die Lehrkräfte empfahlen ihm zu dem Zeitpunkt den Besuch der Hauptschule. Doch er wollte mehr: Mustafa Bagli kletterte nach seiner Ausbildung zum PKA die Karriereleiter empor. Er holte sein Abitur nach und studierte Pharmazie. Jetzt wurde ein Traum für ihn wahr, denn nun ist er Inhaber einer Apotheke – und damit Arbeitgeber. Eine Erfolgsgeschichte.
Jedes Schiff braucht einen Kapitän; wenn dieser seinen Wirkungsbereich ändern möchte, wird ein Neuer gebraucht. Das war die Gelegenheit für Bagli. Der 36-Jährige hat zum 1. September die Schiller-Apotheke in der Duisburger Altstadt übernommen, die in der unmittelbaren Nähe zum Hafen liegt. Doch bis dahin war es ein langer Weg.
„Ich war auf der Katholischen Hauptschule in Köln und habe nach der zehnten Klasse eine Ausbildung zum PKA bei Thomas Preis in der Alpha-Apotheke gemacht”, erzählt der Apotheker mit türkischen Wurzeln. Nachdem er dort zwei Jahre im Backoffice tätig war, sprach ihn eines Tages seine Kollegin an: „Mustafa, ich sehe du bist unterfordert. Hol’ doch dein Abitur nach.” Sie hatte das auch gemacht und war daher wie ein Vorbild. So abwegig war die Idee für ihn nicht. Er entschied sich, die Hochschulreife nachzuholen.
Sein damaliger Chef, der auch Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein ist, habe ihn in seinem Bestreben immer unterstützt. „Er ist mir mit meinen Arbeitszeiten entgegen gekommen. Ich durfte immer von 8 bis 17 Uhr arbeiten. Um 17.30 Uhr begann die Abendschule, die dann manchmal bis etwa 23 Uhr gedauert hat.” Insgesamt seien so drei Jahre vergangen, bis er schließlich sein Abiturzeugnis in der Hand hielt. Die Zeit sei für ihn sehr anstrengend gewesen, da er seit dem 16. Lebensjahr aus familiären Gründen alleine leben musste.
Abitur in der Tasche und nun? „Herr Preis hat mir vorgeschlagen, Pharmazie zu studieren. Das habe ich danach getan.” Damals hatte er schon sechs Jahre Berufserfahrung als PKA und war mit der Apothekenwelt vertraut. „Von Hochschulstart bekam ich zunächst eine Absage. Drei Tage vor Semesterbeginn habe ich dann eine Zusage von der Universität Düsseldorf bekommen”, so Bagli. Die überraschende Nachricht sorgte zunächst für Verwirrung, doch dann schickte ihn sein Chef zusammen mit einer approbierten Mitarbeiterin an die Universität zwecks Einschreibung. „Naturwissenschaften waren schon immer meine Stärke. Apotheker – das ist ein Beruf, der mir liegt.”
Seine Qualifikation als PKA half ihm, während des Studiums noch ein paar Euro dazuzuverdienen. „Ich habe samstags und auch in den Semesterferien gearbeitet, je nach Möglichkeit.” Nach seiner Approbation war er erst Angestellter, danach Filialleiter. Mit der Apothekenübernahme ist er glücklich, gefeiert werde die ganze Woche mit Süßigkeiten und einem Getränkeausschank für Kunden. „Mein Traum ist wahr geworden. Jetzt muss ich weiterträumen. Wenn ich anfange zufrieden zu sein, ist das ein Rückschritt”, kommentiert er.
Seit Kurzem hat sich Bagli zum Fachapotheker für Allgemeinpharmazie weitergebildet. Doch damit nicht genug: Er sei gerade dabei, sich für die Zusatzbezeichnung „Ernährungsberatung” zu qualifizieren. „In Deutschland gibt es die Möglichkeit, sich in vielen Bereichen fortzubilden. Man kann vieles machen und gegebenenfalls auch etwas nachholen”, sagt Bagli. Dafür brauche man auch kein Vitamin B, denn: „Man muss es nur wollen.”