Fehlt in der Kasse öfter Geld oder wird in der Freiwahl viel geklaut, erscheint manchem Apotheker der Einsatz einer Überwachungskamera als probates Mittel. Doch dabei müssen die Inhaber den Datenschutz im Blick behalten. Ein Apotheker aus dem Saarland muss nun vier seiner fünf Kameras abbauen – nur den Betäubungsmittelschrank darf er weiterhin überwachen.
Der Apotheker hatte 2008 drei Kameras im Verkaufsraum seiner Apotheke angebracht. Nach der Übernahme hatte ein Gutachten ergeben, dass die Apotheke einen schlechten Ertrag hatte und der Schwund außergewöhnlich hoch war. Im Jahr 2011 soll es eine Lagerdifferenz von 44.000 Euro gegeben haben. Der Inhaber installierte daraufhin zwei weitere Kameras – eine in der Schleuse und eine im Bereich des BtM-Schranks. Die Mitarbeiter hatten eine Einverständniserklärung unterschrieben.
Der Datenschutzbeauftragte des Saarlandes hatte dem Apotheker im Sommer 2014 die Überwachung untersagt. Nur die Kamera in der Schleuse sei zulässig, wenn auf die Überwachung entsprechend hingewiesen werde. Im gegebenen Umfang sei eine Videoüberwschung aber nicht erforderlich, zumal die Umstände der Differenzen unklar geblieben seien. In der Einverständniserklärung der Mitarbeiter fehle eine konkrete Zweckbeschreibungen für die aufgezeichneten Daten. Der Apotheker wies auf sein Hausrecht und die abstrakte Gefährdungslage hin und klagte gegen den Bescheid des Datenschützers.
Das Verwaltungsgericht Saarlouis gab in seinem Urteil vom 29. Januar beiden Seiten recht: Der Bescheid des Datenschützers war aus Sicht der Richter bezüglich der Videokameras im Verkaufsraum berechtigt. Im begrenzten Bereich des BtM-Schranks durfte der Apotheker dagegen wegen der Einverständniserklärung der Mitarbeiter filmen.
Grundsätzlich unterfällt die Überwachung dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Hinsichtlich der Kameras in der Offizin fehle es an der Einwilligung der Betroffenen – der Kunden. Filmen ist laut Urteil nur in einer konkreten oder zumindest abstrakten Gefährdnungslage erlaubt. Dies sei im Einzelfall zu entscheiden. Maßgeblich seien etwa schwer einsehbare Geschäftsräume, Gegenden mit einer hohen Kriminalitätsdichte oder besonders wertvolle Waren.
All dies treffe auf die Apotheke nicht zu, so das Gericht. Zwar verfügt die Offizin in einem Eckhaus über drei Eingänge, der Verkaufsraum sei aber vom HV-Tisch vollständig zu überblicken. Auch wenn kurzfristig wertvolle Medikamente in der Apotheke gelagert seien, treffe dies auf den Freiwahlbereich nicht zu – anders als etwa bei einem Juwelier.
Zwar kann sich ein Apotheker grundsätzlich auf sein Hausrecht berufen. Eine Überwachung muss dann im Einzelfall aber als geeignetes Mittel erscheinen, um etwa – wie in diesem Fall der Apotheker – die Fehlbestände zu reduzieren. „Er hat es aber unterlassen, den von ihm lediglich in der Summe zum Beispiel mit 44.000 Euro vorgetragenen Fehlbestand dezidiert zu erläutern und aufzuschlüsseln“, moniert das Gericht.
Die offene Videoüberwachung am BtM-Schrank ist laut Gericht hingegen datenschutzrechtlich zulässig. Dieser liege im nicht öffentlich zugänglichen Bereich der Apotheke, der nur dem Personal zugänglich sei. Zwar seien auch hier – mit blick auf die informationelle Selbstbestimmung der Mitarbeiter – mildere Mittel denkbar. Das Gericht hatte etwa vorgeschlagen, den BtM-Schrank verschlossen zu halten (!) sowie Entnahme- und Kontrolllisten zu führen (!).
Durch die Videoüberwachung am BtM-Schrank werde nicht in so schwerwiegender Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter eingegriffen, dass deren Einwilligung mit der Rechtsordnung unvereinbar wäre. Wie bei der punktuellen Videoüberwachung der Schleuse, deren Betrieb der Datenschützer nicht untersagt habe, bestehe auch hinsichtlich des BtM-Schranks eine „generelle Ausweichmöglichkeit der Beschäftigten vor Videoüberwachung“.
Von einem „ständigen Überwachungsdruck der Arbeitnehmer“ könne daher nicht gesprochen werden. Der Arbeitnehmer könne die Videoüberwachung vermeiden. „Er muss nicht davon ausgehen, seine Tätigkeit werde ununterbrochen beobachtet und kontrolliert“, so das Gericht.
Die abgegebene Erklärung der Mitarbeiter genügte zwar laut Gericht offensichtlich nicht dem BDSG. Diese lautete sehr allgemein: „Mir ist bekannt dass in der S.-Apotheke 5 Überwachungskamers aufgestellt sind und ich erkläre mich damit einverstanden.“ Der Apotheker hätte demnach auf den Zweck der Erhebung, die Verarbeitung oder Nutzung hinweisen müssen.
Wenn der Datenschützer Zweifel an der Freiwilligkeit der Erklärungen gehabt haben sollte, hätte er dies laut Urteil durch Befragung klären können. Entsprechende Anträge seien aber im Verfahren nicht gestellt worden. „Damit ist das Einverständnis der Beschäftigten nachgewiesen. Anhaltspunkte dafür, dass nicht alle Beschäftigten ihr Einverständnis erklärt hätten, bestehen nicht“, so das Gericht.
Damit hatte die Klage des Apothekers gegen den Bescheid teilweise Erfolg. Die Verfahrenskosten wurden auf die Parteien verteilt. Das VG hat keine Berufung zugelassen.
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