Die Impfstoffverteilung zehrt vielerorts immer noch an den Nerven. Größtes Ärgernis sind immer noch Kürzungen und der Stress, den sie nach sich ziehen. Wenn der Großhandel dann auch noch kurzfristig und lapidar mitteilt, dass eben nicht so viel kommt, wie zuvor zugesagt, ist man als Apotheker:in schnell in der Bredouille. Ein Apotheker aus Norddeutschland wollte sich das nicht gefallen lassen. Er hat so lange Druck gemacht, bis sein Außendienstler mit einer Kiste Comirnaty vor der Tür stand.
Auf den ersten Blick wirkt es fast wie Glück im Unglück: Inhaber Jens Schmidt* wurden genauso viele Vials gekürzt, wie er Praxen beliefert. Doch genau das machte es umso komplizierter: „Mit wurden 119 Vials zugesagt und die waren fest verplant. Bekommen habe ich aber nur 104. Was soll ich da machen? Soll ich fair sein und jeder Praxis ein Vial kürzen? Dann muss ich zwei Tage lange rumtelefonieren und habe 15 mal Diskussionen.“ Doch so einfach wollte er sich nicht geschlagen geben – auch, weil er sich verschaukelt fühlte.
Einerseits habe ihn die lapidare Art aufgeregt, mit der ihm die Kürzung der zugesagten Mengen mitgeteilt wurde: In einem Zweizeiler per E-Mail, die APOTHEKE ADHOC vorliegt, wurde ihm vom Großhändler lediglich gesagt, dass man weniger Ware als zugesagt erhalten habe und ihm deshalb 15 Vials weniger liefere. Doch nahm Schmidt ihm nicht ab. „Ich hab das erst mal runtergeschluckt, angefangen zu rechnen und dann gesagt, das kann nicht sein, weil das System ein anderes ist. Ich glaube das nicht, denn das liefert der Bund und da gibt es solche Unregelmäßigkeiten nicht“, sagt er. „Ich unterstelle denen, dass die das aus anderen Gründen gelöscht haben.“
Also antwortete er – nicht nur an seinen Außendienstler, sondern auch gleich an die zuständige Vertriebsleitung adressiert – dass er das so nicht akzeptieren wolle. Die Vorgehensweise sei „armselig“, heißt es in der Mail: „Mit der Kürzung bin ich nicht einverstanden.“ Doch seine Worte verhalten – er erhielt nur eine automatische Abwesenheitsnotiz. Also griff er zum Telefon und machte seinem Großhändler persönlich Druck. „Ich habe das ganz klar angesprochen und in Aussicht gestellt, dass ich alle meine Bestellung künftig zu meinem Zweitlieferanten verschiebe. Die können ja behaupten, sie könnten nichts ändern – aber ich kann was ändern.“
Der Druck habe gewirkt, berichtet Schmidt. „Das haben sie dann auch verstanden und mir dann zehn weitere Vials besorgt.“ Am Mittwoch habe sich sein Außendienstler bei ihm gemeldet und ihm gesagt, dass er sich kümmert. „Er meinte, er sei einen halben Tag lang durch sein Zuständigkeitsgebiet gefahren und habe die von einem anderen Kunden abgezogen. Nachmittags kam er ganz verschwitzt und abgekämpft vorbei, um mir nochmal zehn Vials zu bringen.“
Für ihn zeige der Vorgang, dass an seinen Vermutungen offensichtlich etwas dran gewesen sei. Außerdem zeige es einmal mehr die Arbeits- und Machtverteilung in der Branche: „Der eigentlich Verantwortliche war nicht greifbar und der Außendienstler fängt dann an, um seinen Umsatz zu kämpfen. Die, die unten sind, müssen es am Ende ausbaden. Der Außendienstler hätte an dem Tag sicher auch besseres zu tun gehabt.“
Währenddessen müssten die Apotheker planen, sich die Finger wundrechnen und würden am Ende vor den Ärzten das Gesicht verlieren, sagt er. „Ich war arbeitsmäßig zwei Tage lang kaum verfügbar, weil ich das alles regeln musste. Das ist alles eine Kraftvergeudung, die man überhaupt nicht gebrauchen kann. Aber es lohnt zu kämpfen und zu sagen, dass man etwas nicht in Kauf nimmt.“
Immerhin ging es mit seinen Ärzten glimpflich aus. „Zum Glück hatten die ihre Termine noch nicht abgesagt, sodass es gerade noch so gut gegangen ist.“ Fünf Vials fehlten trotzdem noch, also stand Schmidt nach wie vor vor der Frage, ob er den Mangel gerecht zu verteilen versucht und den Ärger hat oder ob er eine praktikable Lösung findet. „Ich habe dann eine Psychotherapeutenpraxis ‚misshandelt‘ und sie einfach gar nicht beliefert. Ich habe einfach den jüngsten genommen, der noch nicht so lange dabei ist. Das hat er auch so kapiert“, erzählt er.
Leicht sei ihm die Entscheidung allerdings auch nicht gefallen, es tue ihm natürlich um den Arzt und seine Patienten leid – denn schließlich seien es am Ende sie, denen die Termine abgesagt werden. Deshalb will er sich kommende Woche besonders ins Zeug legen. „Die Praxis ist der Nachbarstadt, da werde ich kommende Woche persönlich vorbeifahren und den Arzt auf Händen tragen.“
*Name von der Redaktion geändert
APOTHEKE ADHOC Debatte